Der Berliner Bär hat einen neuen Nachbarn

Es ist schon fast eine kleine Sensation: Nach Jahrzehnten, in denen die Art in Berlin als verschollen galt, ist der Fischotter zurück in der Hauptstadt. Was wegen schlechter Wasserqualität und dicht bebauten Ufern unter Naturschützer*innen lange undenkbar schien, ist jetzt Wirklichkeit. Nach sporadischen Sichtungen und gelegentlich entdeckten Spuren in den letzten Jahren, wurde nun wieder Nachwuchs im Stadtgebiet nachgewiesen. Damit ist klar – Berlin ist wieder Otterstadt! Doch der urbane Lebensraum ist voller Gefahren und Störungen für die putzigen Wassermarder – der Schiffsverkehr, der Mangel an Versteckmöglichkeiten an den Ufern, die fehlende Durchgängigkeit der Spree und die intensive Freizeitnutzung sind nur einige von ihnen. In einem aktuellen Projekt, das von der Stiftung Naturschutz Berlin gefördert wird, prüft die Deutsche Umwelthilfe den neuen Otterlebensraum auf Gefahren und Verbesserungspotentiale.

In die Falle getappt – mit Hilfe von Kamerafallen kann der scheue Jäger im nächtlichen Berlin nachgewiesen werden. (c) Video: Stadtnatur-Ranger, Stiftung Naturschutz Berlin

Wie viel Raum haben Wildtiere in der Stadt?

Der Fischotter gilt als anspruchsvolle Tierart, die auf klare fischreiche Gewässer und naturnahe Uferstrukturen mit zahlreichen Versteckmöglichkeiten angewiesen ist. Vor diesem Hintergrund ist die Rückkehr der faszinierenden Tiere in die Großstadt besonders interessant, denn sie lehrt uns vieles über die Anpassungsfähigkeit der Tiere und sie wirft eine wichtige Frage auf: Wie viel Raum haben Wildtiere in der Stadt? Nimmt man die Beschreibungen eines typischen Otterlebensraumes aus der wissenschaftlichen Literatur als Maßstab – störungsarm, naturnah, strukturreich – so müssten die Tiere Berlin eigentlich größtenteils meiden. Vereinzelt finden sich im Berliner Stadtgebiet zwar geeignete Lebensraumstrukturen in Form von naturnahen, unbefestigten Ufern mit ausreichend Versteckmöglichkeiten, aber der dicht besiedelte urbane Raum birgt auch zahlreiche Gefahren, die dem Fischotter das Leben schwermachen.

Die größte Gefahr für den Otter: der Straßenverkehr

So gibt es in der jungen Geschichte der Wiederbesiedlung Berlins bereits Totfunde zu beklagen. Besondere mediale Aufmerksamkeit erregte der Fund eines jungen Fischotters, der in der Nähe des Alexanderplatzes Ende 2021 überfahren wurde. War er doch zeitgleich ein erfreulicher Beleg für das Vorkommen der Art in der Stadt als auch trauriger Beweis für die tödliche Gefahr durch den Verkehr, der den Lebensraum der Berliner Otter regelrecht umschließt. Neben dem Tod auf der Straße lauern weitere Gefahren in und um die Berliner Gewässer: Freilaufende Hunde stören die Tiere in ihren Verstecken, Erholungssuchende und Freizeitsportler konkurrieren mit den Ottern um die wenigen ruhigen Plätze und Schiffschrauben, Fischreusen und Angelschnüre können ihnen zum Verhängnis werden. Berlin ist sicher kein einfaches Terrain für ein gefährdetes Säugetier mit hohen Lebensraumansprüchen. Eine der größten Herausforderungen ist aber ein Problem, das auch menschliche Berliner allzu gut kennen dürften: die Wohnungssuche. Die verbauten und befestigten Ufer der Berliner Flüsse und Kanäle bieten dem Fischotter kaum Möglichkeiten sich auf seinen Streifzügen zu verstecken geschweige denn um in Ruhe und Sicherheit den Nachwuchs großzuziehen.

Einmal durch die Innenstadt schwimmen – ein schweres Unterfangen

Für eine langfristig stabile Fischotterpopulation in Berlin und Brandenburg ist die Vernetzung der geeigneten Lebensräume entscheidend. Denn isolierte Populationen sind genetisch weniger vielfältig und dadurch anfälliger für Stressfaktoren wie Krankheiten, klimatische Veränderungen und andere Umwelteinflüsse. Damit sich Fischotter, die in der Spree leben, mit denen, die in der Havel zuhause sind, treffen können, müssen sie die Berliner Innenstadt durchschwimmen. Dieser Flussabschnitt ist aber vollständig kanalisiert und bietet auf einer Strecke von 17 Kilometer nahezu keine Ausstiegsmöglichkeiten. Das ist selbst für einen hervorragenden Schwimmer wie den Fischotter kaum zu schaffen. Hinzu kommt, dass die Mühlendammschleuse ein unüberwindbares Hindernis darstellt. Um für den Fischotter und viele andere Arten eine Verbindung zwischen Ost und West herzustellen, muss die Spree durchgängig werden.

Für das von der Stiftung Naturschutz Berlin geförderte Projekt nehmen wir den Lebensraum des Fischotters in Berlin genau unter die Lupe, um Gefahren zu identifizieren und Potentiale für Verbesserungen zu ermitteln. Dafür kartieren wir die Ufer der Gewässer im Berliner Innenstadtbereich und entwickeln Empfehlungen für praktische Maßnahmen, die dem flinken Wassermarder die Suche nach einer Behausung erleichtern sollen. Im Rahmen einer Fachtagung und mit verschiedenen thematischen Angeboten für Behörden, Naturschutz- und Nutzergruppen sensibilisieren wir für die Anwesenheit des Fischotters in Berlin um so die Rahmenbedingungen zu schaffen, die es dem niedlichen Neuberliner ermöglichen sich dauerhaft in der Hauptstadt niederzulassen.

Fischotter an der Berliner Spree

Nichts als kahle Wände. In der Berliner Innenstadt findet der Fischotter kaum Stellen, an denen er sich verstecken und ausruhen kann.© Marco Philippi
Düstere Aussichten für den Fischotter. An den Ufern der Berliner Stadtspree findet er keinen geeigneten Lebensraum© Marco Philippi
Hier ist kein Durchkommen. Die Mühlendammschleuse in der Berliner Innenstadt bildet ein unüberwindbares Hindernis für den Fischotter.© Marco Philippi
Vernetzte Lebensräume sind wichtig für eine stabile Fischotter-Population. Unüberwindbare Wehre und Schleusen verhindern aktuell ein Rendezvous zwischen den Fischottern, die in der Havel leben und denen, die in der Spree zuhause sind.© Marco Philippi
Berlin hat fast 1.000 Brücken, viele davon sind nicht fischotterfreundlich.
Fischotter umgehen Brücken gerne statt unter ihnen durch zu schwimmen. Im dichten Berliner Verkehr wird ihnen das zum Verhängnis.© Marco Philippi
Flachufer mit dichter Vegetation und zahlreichen Verstecken. So hat es der Fischotter gern.© Marco Philippi

Kontakt

Copyright: © Steffen Holzmann

Sabrina Schulz
Stellvertretende Bereichsleiterin Naturschutz und Biologische Vielfalt
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