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Werbeversprechen Klimaneutralität: Wie sich Unternehmen ein grünes Image kaufen

Immer mehr Unternehmen geben an, ihre Produkte, Dienstleistungen oder gar das gesamte Unternehmen seien „klimaneutral“, „CO2-neutral“ oder sogar „klimapositiv“. Das Angebot reicht von klimaneutralen Fotobüchern über CO2-neutrale Flugreisen bis zu CO2-kompensiertem Heizöl und klimapositiver Babynahrung. Aber was bedeutet das eigentlich? Und: Ist klimaneutral gleich gut für´s Klima?

Was bedeutet Klimaneutralität?

Ein klimaneutrales Produkt, Dienstleistung oder Unternehmen zeichnet sich dadurch aus, dass es die Menge an schädlichen Klimagasen in der Atmosphäre nicht erhöht. „Klimaneutral“ ist also auf den ersten Blick eine gute Sache. Es ist jedoch aus mehreren Gründen trotzdem Vorsicht angesagt:  

  • Oft beziehen sich die Aussagen nur auf einzelne Unternehmensbereiche wie den Versand oder die Verwaltung, nicht aber auf die Beschaffung und den Transport von Rohstoffen oder die Nutzungsphase von Produkten, welche in der Regel mit Abstand die meisten Emissionen verursachen.
  • Die Qualität der Strategien der Unternehmen, wie genau klimaschädliche Gase vermieden werden sollen, unterscheidet sich erheblich, und ist für Verbraucherinnen und Verbraucher nur schwer zu durchschauen.
  • Unternehmen begründen ihre „Klimaneutralität“ durch den Kauf von Emissionsgutschriften für Projekte im globalen Süden, die jedoch die versprochene Reduktion von Klimagasen nicht sicher garantieren können.

Um Produkte, Dienstleistungen oder Unternehmen „klimaneutral“ zu machen, können nämlich grundsätzlich zwei Wege gewählt werden: Die tatsächliche Reduktion und Vermeidung klimaschädlicher Gase oder die Kompensation derer.

  • Die Reduktion und Vermeidung von Emissionen kann durch eine Anpassung der Prozesse des Unternehmens erreicht werden, zum Beispiel durch die Umstellung auf klimafreundliche Rohstoffe und Energie.
  • Bei Kompensation werden die klimaschädlichen Gase nicht am Ort der Entstehung, sondern irgendwo anders in der Welt, wo es billiger oder einfacher ist, in gleicher Menge reduziert bzw. wird ihrer Entstehung verhindert. Die Emissionen, die durch ein Produkt oder eine Dienstleistung entstehen, sollen also durch ein Klimaschutzprojekt, beispielsweise ein Aufforstungsprojekt im globalen Süden, „ausgeglichen“ werden.

Bei beiden Varianten gelangt theoretisch am Ende weniger CO2 in die Atmosphäre. Ist es also egal, für welche Variante sich das Unternehmen entscheidet? Nicht ganz. Kompensation – also die Reduktion an anderer Stelle – verzögert die dringend nötige Entwicklung CO2-freier Produkte. Außerdem können Klimaschutzprojekte, insbesondere Aufforstungs- und Waldschutzprojekte, ihre Versprechen der CO2-Einsparung oft nicht oder nur für einen begrenzten Zeitraum halten.

"klimaneutral"-Labels auf unterschiedlichsten Produkten

Warum ist Werbung mit Begriffen wie „klimaneutral“ problematisch?

Aus unserer Sicht nutzen Handel und Industrie zunehmend Werbeaussagen zu angeblicher „Klimaneutralität“, um die tatsächlichen Klimabelastungen ihrer Produkte und Dienstleistungen zu kaschieren und sie dennoch als grün zu verkaufen. Das ist gleich aus mehreren Gründen problematisch:

  • Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist kaum ersichtlich, ob Unternehmen tatsächlich ambitionierte Maßnahmen umgesetzt haben um ihre Emissionen zu reduzieren und inwiefern die absoluten Emissionen dadurch gesenkt wurden oder ob primär auf Kompensation gesetzt wurde und die Gesamtemissionen der Unternehmen vielleicht sogar weiterhin ansteigen.
  • Die tatsächlichen Emissionen werden durch Kompensation nicht reduziert, sondern lediglich „ausgeglichen“. Eine klimaschädliche Produktionsweise wird also weiterhin gefördert und dabei kann ein grünes Image „billig“ erkauft werden.
  • Kompensationsprojekte, insbesondere Aufforstungs- und Waldschutzprojekte, können oft nicht halten was sie versprechen. In vielen Fällen kann nicht garantiert werden, dass die verursachten Emissionen tatsächlich vollständig ausgeglichen werden.
  • Anders als bei staatlich vergebenen Bio- und Öko-Siegeln existiert für CO2-Labels kein gesetzlich geregelter Mindeststandard. Die von privatwirtschaftlichen Unternehmen vergebenen Siegel sind daher nicht verlässlich und auch die Grundlagen für die Berechnungen der Emissionen sind nicht einheitlich.

Was unternimmt die DUH zum Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern?

Wir gehen rechtlich gegen Unternehmen vor, die Verbraucherinnen und Verbraucher mit falschen und intransparenten Werbeversprechen täuschen. Außerdem setzen wir uns auf politischer Ebene in Deutschland und der EU dafür ein, dass Werbung mit Aussagen über Umweltvorteile stärker reguliert wird. So kämpfen wir für die Verpflichtung von Unternehmen zu einer transparenten Berichterstattung über die Umwelt- und Klimaauswirkungen ihrer Produkte und fordern ein Verbot von Werbung mit irreführenden Begriffen wie „klimaneutral“ sowie die Regulierung des freiwilligen Kompensationsmarkts.

Aktuelle Informationen zu unseren Verfahren gegen Unternehmen erhalten Sie in unserer Übersicht unter "Downloads & Dokumente".

Häufige Fragen zum Thema Klimaneutralität

Keiner dieser Begriffe ist geschützt und oder verbindlich definiert. Sie werden jedoch meist synonym verwendet und beziehen sich in der Regel auf das Ziel, die Treibhausgasemissionen eines Produktes, einer Dienstleistung oder eines Unternehmens gen Null zu senken. Ob dies durch die Vermeidung und Reduktion von Emissionen oder durch Kompensation geschieht, ist dabei erst einmal egal. (Warum Kompensation aus Sicht der DUH problematisch ist, siehe Frage 5.

Die Wissenschaft zeigt allerdings auf, dass die Begriffe sich sehr wohl unterscheiden. Genau genommen bezieht sich der Begriff „CO2-neutral“ lediglich auf Kohlendioxidemissionen, während die Begriffe „Netto-Null-Emissionen“ und „treibhausgasneutral“ alle klimaschädlichen Gase berücksichtigen, also auch Methan, Lachgas und F-Gase. Der Begriff „klimaneutral“ geht sogar theoretisch noch weiter, da neben den Treibhausgasen auch sämtliche andere Klimawirkungen eingeschlossen werden.

In einigen Fällen nutzen Unternehmen es aus, dass die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher die Unterschiede zwischen diesen Begriffen nicht genau kennen. Ein Beispiel dafür ist etwa Werbung für CO2-neutrales Fliegen. Denn die Klimawirkung von Flugreisen beruht nur zu einem Drittel auf dem Ausstoß von CO2. Beim „CO2-neutralen Fliegen“ wird also höchstens ein Drittel der schädlichen Klimawirkung kompensiert – und das zumeist mit fragwürdigen Klimaschutzprojekten.

Unter dem Begriff „klimapositiv“ wird ein Produkt, eine Dienstleistung, oder ein Unternehmen verstanden, das nicht nur keinen negativen, sondern einen positiven Einfluss auf das Klima hat – so zumindest das Versprechen. Das soll dadurch erreicht werden, dass mehr Zertifikate zur Kompensation gekauft werden, als tatsächlich Emissionen durch ein Produkt verursacht werden. Dieser Begriff, der ebenfalls nicht geschützt ist, ist sehr irreführend, da er suggeriert, dass es umso besser fürs Klima ist, je mehr von dem Produkt konsumiert wird – eine besonders perfide Strategie zur Konsumförderung.

Verbraucherinnen und Verbraucher sind derzeit mit einer wahren Flut an freiwilligen Klimaneutralitätssiegeln konfrontiert. Die DUH steht all diesen freiwilligen Siegeln jedoch kritisch gegenüber, denn anders als bei staatlich vergebenen Bio- und Öko-Siegeln gibt es für Klimasiegel keine gesetzlich geregelten Mindeststandards. Darüber hinaus fehlt es häufig an wirksamen Kontrollen der Siegelträger durch die Siegelgeber. Es gibt also keine offiziellen Klimasiegel. Alle Labels werden von privaten Unternehmen vergeben, die für die Ermittlung der Emissionen jeweils unterschiedliche Berechnungsgrundlagen nutzen und sich auch in ihren Qualitätsvorgaben für die unterstützten Klimaschutzprojekte unterscheiden.

Auch Verbraucherinnen und Verbaucher selbst haben Möglichkeiten, sich irreführendem Greenwashing entgegenzustellen. Unsere Tipps:

  • Hinterfragen Sie Begriffe wie „klimaneutral“ bei Produkten und Dienstleistungen und informieren Sie sich auf der Website des Anbieters zu dessen konkreten Maßnahmen in Sachen Klimaschutz. Wird hauptsächlich auf Kompensation gesetzt, oder arbeitet das Unternehmen glaubwürdig daran, die eigenen Produktionsprozesse klimafreundlicher zu gestalten? Werden zu den Reduktionsbemühungen auch Emissionsminderungen in absoluten Zahlen angegeben?
  • Suchen Sie nach Kennzeichnungsnummern: Auf vielen Klimasiegeln befindet sich eine ID-Nummer. Wer diese auf der Website des Label-Ausstellers eingibt, kann nachlesen, welches Klimaschutzprojekt konkret unterstützt wird.
  • Ein Produkt ist umso besser, je geringer sein ökologischer Fußabdruck in Herstellung, Transport und Konsum ist. Schadstofffreiheit, Plastikfreiheit, Langlebigkeit, Reparierbarkeit und möglichst faire Produktionsbedingungen sind weitere Kriterien, die bei der Bewertung eines Produkts eine Rolle spielen sollten.

Zu den häufigsten Klimaschutzprojekten, die zur Kompensation von Emissionen genutzt werden, zählen

  • Energieprojekte, die in den Aufbau von erneuerbaren Energieanlagen und in Energieeffizienzsteigerung investieren.
  • Projekte zur Reduzierung oder Einbindung von CO2 in der Land- und Forstwirtschaft sowie in Wäldern.
  • Projekte zur Verringerung von Emissionen aus Entwaldung und Waldschädigung (abgekürzt REDD, Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation).

Da es keine verbindlichen Qualitätsstandards für Klimaneutralitätssiegel gibt, setzen die Anbieter von Kompensationszertifikaten jeweils auf eigene Standards (z.B. VCS oder Gold Standard). Keiner dieser Standards beinhaltet jedoch alle notwendigen Qualitätskriterien um zu garantieren, dass die Klimaschutzprojekte auch tatsächlich für die Kompensation von klimaschädlichen Emissionen geeignet sind.

Damit sichergestellt werden kann, dass ein Klimaschutzprojekt als Kompensationsprojekt geeignet ist, müssten folgenden Kriterien geprüft werden:

  • Doppelzählungen: Es muss ausgeschlossen sein, dass Emissionseinsparungen doppelt angerechnet werden, z.B. in der CO2-Bilanz des Projekt-Gastlandes und in dem Unternehmen welches die Zertifikate kauft.
  • Zusätzlichkeit: Es muss bewiesen werden, dass das Klimaschutzprojekt ohne die Erlöse aus dem Verkauf der Emissionsgutschriften nicht stattgefunden hätte.
  • Permanenz: Es muss garantiert werden, dass CO2 so lange gebunden wird, wie das durch das Produkt verursachte CO2 in der Atmosphäre verbleibt. Diese Dauerhaftigkeit ist insbesondere bei Waldprojekten fraglich, da das CO2 nur so lange gebunden ist, wie der Baum lebt.
  • Leakage: Es muss ausgeschlossen sein, dass Emissionen, die durch ein Klimaschutzprojekt vermieden werden, an anderer Stelle entstehen (z.B. Ein Waldschutzprojekt schützt einen bestimmten Teil eines Waldes vor Abholzung, die daraufhin in einen anderen, nicht geschützten Teil des Waldes verlagert wird.

Die DUH fordert, dass Unternehmen verpflichtet werden, Pläne zur Reduktion und Vermeidung ihrer Gesamtemissionen zu veröffentlichen, die im Einklang mit dem 1,5 Grad-Ziel stehen. Diese sollten verbindliche Zwischenziele enthalten, zu deren Erreichung regelmäßig berichtet werden sollte.

Aber auch Klimaschutzprojekte sind wichtig und sinnvoll um das 1,5 Grad-Ziel noch erreichen zu können. Die finanzielle Unterstützung durch Unternehmen kann zur Umsetzung solcher Projekte einen großen Beitrag leisten. Unternehmen müssen also weiterhin dazu motiviert werden, in Klimaschutzprojekte zu investieren. Gleichzeitig muss das „Freikaufen“ durch klassische Kompensation vermieden werden.

Gutschriften aus Klimaschutzprojekten sollten in der Kommunikation also nicht mehr als Betrag zum eigenen Netto-Null-Ziel, sondern als Beitrag zum Klimaschutzziel des Landes, in dem die Klimaschutzmaßnahme stattfindet, ausgewiesen werden.

Die Gesamtemissionen eines Unternehmens können in drei sogenannte Scopes eingeteilt werden:

  • Scope 1 umfasst direkte CO2-Emissionen, wie etwa die Verbrennung von Öl oder Gas bei Produktionsprozessen.
  • Scope 2 umfasst indirekte CO2-Emissionen aus bezogener Energie, wie etwa Strom oder Fernwärme.
  • Scope 3 beschreibt indirekte CO2-Emissionen aus der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette, wie etwa Emissionen aus der Herstellung von bezogenen Materialien oder der Nutzung der Produkte.

In der Regel umfasst Scope 3 den weitaus größten Teil der Emissionen. 

In Bezug auf Klimaneutralitätsversprechen von Unternehmen sind diese Unterscheidungen relevant, da viele Unternehmen sich selbst oder ihre Produkte als „klimaneutral“ bezeichnen, sich dabei jedoch lediglich auf Scope 1 und 2-Emissionen beziehen.

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