Getreide, Raps, Soja: Während sich die globale Ernährungskrise zuspitzt, verbrennt Deutschland weiterhin jeden Tag Nahrungsmittel als Agrokraftstoff in Autos. Eine neue Berechnung zeigt: Mit den Anbauflächen, auf denen derzeit Agrosprit für den deutschen Markt produziert wird, könnte der Kalorienbedarf von bis zu 35 Millionen Menschen gedeckt werden. Angesichts der globalen Hungerkrise muss die Bundesregierung die staatliche Förderung für den Einsatz von Agrokraftstoff umgehend beenden. Der Vorschlag des Umweltministeriums, die Beimischung von Agrosprit zu Benzin und Diesel ab 2023 deutlich zu reduzieren und bis 2030 zu beenden, weist in die richtige Richtung und darf vom Verkehrsministerium nicht länger blockiert werden.
Unterschreiben Sie jetzt unsere Petition an Verkehrsminister Wissing und fordern Sie ihn mit uns auf, seine Blockade zu beenden!
Lebensmittel im Tank schaden dem Klima
Der Verkehr ist einer der größten Treiber des Klimawandels. Er verursacht in Europa rund ein Viertel der gesamten Treibhausgasemissionen – Tendenz steigend. In Deutschland liegen die Emissionen des Verkehrs heute sogar über dem Niveau von 1990, und die stetige Zunahme des motorisierten Verkehrs macht CO2-Einsparungen in anderen Sektoren zunichte – in Zeiten der Klimakrise ein unhaltbarer Zustand.
Mit einer grundlegenden Mobilitätswende muss der Verkehr von der Straße auf die Schiene verlegt und der öffentliche Verkehr gestärkt werden. Wir brauchen Platz für Fahrradverkehr, Fußgänger und Fußgängerinnen. Die Emissionen des nicht vermeidbaren Straßenverkehrs müssen auf ein Minimum reduziert werden.
Hier kommt die europäische Erneuerbare Energien-Richtlinie (eng. Renewable Energy Directive, RED) ins Spiel. Sie macht den EU Mitgliedstaaten Vorgaben für den Einsatz von Kraftstoffen aus erneuerbaren Quellen auch im Verkehrssektor – mit dem Ziel, die Treibhausgasemissionen zu senken. Das Resultat der letzten zehn Jahre war ein Boom von sogenannten Agrokraftstoffen. Agrokraftstoffe sind Kraftstoffe auf Basis pflanzlicher Öle und Fette, die fossilen Kraftstoffen beigemischt werden. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden Agrokraftstoffe auch als „Bio“-Kraftstoffe bezeichnet. Die DUH distanziert sich bewusst von diesem Begriff, um den positiven Wortklang nicht missbräuchlich einzusetzen.
Was auf den ersten Blick nach einer guten Idee aussieht, hat bei genauerem Hinsehen katastrophale Auswirkungen. Die Produktion von Agrokraftstoffen verbraucht Fläche, die ansonsten unter anderem für den Anbau von Nahrungsmitteln zur Verfügung stünde. Das sorgt letztendlich dafür, dass bislang ungenutzte Flächen – häufig CO2-Speicher wie Wälder und Moore – in Ackerfläche umgewandelt werden. Das macht Agrokraftstoffe zu einer Katastrophe für Klima und Artenvielfalt.
Das besonders hohe Risiko für diese Landnutzungsänderungen bei Palmöldiesel wurde inzwischen sowohl von der EU als auch der Bundesregierung anerkannt: In Deutschland wird Palmdiesel ab 2023 nicht mehr als erneuerbarer Kraftstoff eingesetzt, EU-weit ab 2030. Um insgesamt eine Ausweitung der Anbauflächen für Agrokraftstoffe zu verhindern, hat die EU eine Deckelung von deren Verwendung vorgeschrieben.
Erneuerbare Antriebsenergie für Fahrzeuge lässt sich auch ohne immense Flächenverschwendung herstellen: Für die gleiche Kilometerleistung benötigt die Erzeugung von Solarstrom für E-Fahrzeuge 97% weniger Fläche als Agrokraftstoff.
Nicht nur aus Klimasicht ist die Bereitstellung wertvoller Landfläche für Agrokraftstoffe eine schlechte Wahl, denn deren intensive Bewirtschaftung schadet auch Ökosystemen und der Biodiversität. Renaturierung geeigneter Flächen als Gegenmaßnahme zum Artensterben ist auch zur Erreichung der verpflichtenden deutschen und europäischen Ziele zum Naturschutz dringend erforderlich.
Die Studie macht deutlich, dass ein Ausstieg aus Agrokraftstoffen insgesamt eine deutliche Flächenentlastung schafft, so dass mehr Spielraum geschaffen wird, geeignete Flächen an die Natur zurückzugeben.
Die Deutsche Umwelthilfe fordert:
- Agrokraftstoffe dürfen nicht länger als erneuerbarer Kraftstoff im Verkehr angerechnet werden – weder in Deutschland, noch in der EU. Stattdessen muss die Förderung die direkte Elektrifizierung als effizienteste Antriebstechnologie im Straßenverkehr in den Fokus nehmen. Detaillierte Forderungen zur Revision der RED finden Sie hier.
- Die durch den Ausstieg aus Agrokraftstoffen erzielte Flächenentlastung muss dafür genutzt werden, geeignete Flächen für Renaturierung zur Verfügung zu stellen. Fruchtbares Ackerland sollte für naturverträgliche Nahrungsmittelproduktion priorisiert werden.
- Für den Landnutzungs-Sektor müssen bereits vor 2026 höhere verpflichtende Minderungsvorgaben eingeführt werden. Dabei müssen CO2-Senken separat bilanziert werden und dürfen keinesfalls zu de facto Kürzungen von Reduktionsvorgaben der Emissionen anderer Sektoren oder gar Staaten führen.
- Die EU-Kommission muss ein robustes EU-Renaturierungsgesetz mit ambitionierten, messbaren Zielen und einem klaren Zeithorizont vorlegen.
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Peer Cyriacks
Leiter Naturschutz
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Kathrin Anna Frank
Fachreferentin für Entwaldungsfreie Lieferketten, Naturschutz und Biologische Vielfalt
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Dr. Johanna Büchler
Senior Expert Verkehr und Luftreinhaltung
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