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Pressemitteilung

Mögliche Milliarden-Zahlungen an Wintershall Dea: Gutachten im Auftrag von urgewald und Deutscher Umwelthilfe zweifelt Rechtmäßigkeit von staatlichen Garantiezahlungen an Öl- und Gaskonzern an

Dienstag, 09.05.2023

• Neues Rechtsgutachten weckt erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Auszahlung staatlicher Garantien an Wintershall Dea zur Entschädigung ihres Russlandgeschäfts

• urgewald und DUH fordern die Bundesregierung auf, keine staatlichen Garantiezahlungen für die Einstellung des Russlandgeschäfts an den fossilen Konzern freizugeben

© Vladimir Melnikov / stock.adobe.com

Berlin, 9.5.2023: Der Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea droht gegebenenfalls zu Unrecht Milliardenmittel aus dem Bundeshaushalt zu erhalten. Dies geht aus einem heute von urgewald und Deutscher Umwelthilfe (DUH) veröffentlichten Rechtsgutachten hervor. Wintershall Dea hatte mehrfach angekündigt, die Inanspruchnahme von Direktinvestitionsgarantien in Höhe von mindestens 1,8 Milliarden Euro zu prüfen, nachdem der Konzern im Januar bekanntgab, sich aus seinem Russlandgeschäft zurückzuziehen. Wintershall Dea begründet seinen Anspruch auf eine Milliarden-Entschädigung mit der Enteignung seiner Joint Ventures mit Gazprom in Russland. Das Gutachten zeigt, dass dieser Anspruch zweifelhaft ist. Am 28. April gab es erneut einen Medienbericht im ZDF über neue Hinweise, dass die russischen Joint Ventures von Wintershall Dea den Rohstoff zur Produktion von militärischem Treibstoff lieferten, den Russland in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine nutzen kann.

Sonja Meister, Energie-Campaignerin bei urgewald: „Während sich andere große Öl- und Gaskonzerne frühzeitig nach Beginn des Angriffskriegs aus Russland zurückgezogen haben, hat Wintershall Dea dort fast ein Jahr lang weiter große Mengen an Öl und Gas produziert und an Gazprom verkauft. Wintershall Dea hat seit Beginn des Angriffskriegs Hunderte Millionen Euro Steuern in Russland gezahlt. Es ist über das in Russland an Gazprom verkaufte Gaskondensat nach Presseberichten möglicherweise auch in Treibstofflieferungen ans russische Militär verstrickt. Man könnte denken, Wintershall Dea sei trotz absehbar unprofitabler Geschäfte so lange in Russland geblieben, bis es mit einer Enteignung argumentieren konnte. Die Bundesregierung muss jetzt die Hinweise auf mögliche Treibstofflieferungen an das russische Militär untersuchen und alle Ausschlussgründe für die Auszahlung der Garantien prüfen. Für dieses Russlanddebakel von Wintershall Dea darf es keine staatlichen Milliardenzahlungen geben.“

Die Direktinvestitionsgarantien wurden an Wintershall im Jahr 2015 und damit ein Jahr nach Russlands Annexion der Krim vergeben. Hintergrund war ein milliardenschweres Tauschgeschäft von BASF mit Gazprom. Im Zuge dessen erhielt Wintershall Förderrechte in den russischen Achimov-Lagerstätten, während Gazprom in Deutschland wichtige Gasinfrastruktur wie den Gasspeicher im niedersächsischen Rehden übernahm.

Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz bei der DUH: „Jahrelang hat der Konzern Wintershall Dea mit seinem fossilen Russlandgeschäft hohe Gewinne eingefahren. Dieses schmutzige Geschäft möchte sich der Konzern durch die Auszahlung der Investitionsgarantien nun doppelt vergolden lassen. Das von uns in Auftrag gegebene Gutachten zeigt, dass dies rechtlich höchst zweifelhaft ist. Auch weiterhin möchte Wintershall Dea in die Förderung von Öl und Gas investieren. Das staatliche Geld würde damit zur Förderung weiterer fossiler Projekte beitragen und so die Klimakrise anheizen. Wir fordern die Bundesregierung auf, diesem unverschämten Vorgehen einen Riegel vorzuschieben und eine Auszahlung der Investitionsgarantien abzulehnen.“

Zentrale Aussagen des neuen Rechtsgutachtens:

  1. Bereits bei Vergabe der Direktinvestitionsgarantien (DIA) war es zweifelhaft, ob die Kriterien der Förderungswürdigkeit (u.a. „positive Rückwirkung auf Deutschland“ etc.) erfüllt sind. In diesem Fall wäre die Garantieerklärung anfänglich rechtswidrig und aufhebbar.
  2. Falls Wintershall Dea durch die Geschäftstätigkeit seiner Joint Ventures in Russland einen Beitrag zu völkerrechtswidrigen Angriffen Russlands geleistet haben sollte, könnten die DIA-Auszahlungen rechtswidrig sein. In Russland hat Wintershall Dea auch nach Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine weiter alle Produktion an Gazprom verkauft und Hunderte Millionen Euro Steuern gezahlt. Weiterhin ist das Unternehmen laut Medienberichten von Spiegel  und ZDF  mit Vorwürfen konfrontiert, dass das in Russland produzierte Gaskondensat in Zusammenhang mit Treibstofflieferungen an das russische Militär steht.
  3. Es ist fraglich, ob Wintershall Dea seinen Anzeige-, Schadensverhinderungs- und
  4. -minderungspflichten sowie seinen Sorgfaltspflichten in Zusammenhang mit einem drohenden Garantiefall nachgekommen ist. Hier stellt sich u.a. die Frage, inwieweit Wintershall Dea risikoerhöhende Umstände angezeigt hat. Dies wären beispielsweise die Präsidialerlasse Russlands oder die Ausfälle der Dividenden aus den russischen Joint Ventures zum Cashflow, die seit dem ersten Quartal 2022 bekannt waren. Falls Wintershall Dea so gegen die allgemeinen Geschäftsbedingungen der DIA verstoßen hat, könnte dies den Auszahlungsbetrag (bis auf null) reduzieren.
  5.  Es war Wintershall Dea schon seit März 2022 bekannt, dass es quasi ein Verfügungsverbot für die Dividenden aus Russland gab (ohne Auszahlungszustimmung des russischen Finanzministeriums Einzahlungszwang auf ein russisches Konto, das keine Auslandstransfers erlaubt).
  6. Es ist daher schwer erklärbar, warum Wintershall den stark unprofitablen Gasbetrieb in Russland fortgeführt und damit den Schaden vertieft hat. Eine Schadensbegrenzung nach kaufmännischer Sorgfalt lässt sich hier nicht erkennen. Falls Wintershall Dea die Existenz der Investitionsgarantien als ein Argument für das Verbleiben in Russland genutzt hat, kann dies eine grobe Pflichtverletzung der Garantiebedingungen sein. So hat Wintershall Dea am 25.10.22 in Zusammenhang mit den eingefrorenen Konten in Russland explizit darauf hingewiesen, dass die deutschen DIAs zur Verfügung stünden.  BASF hat bereits im Juli 2022 Szenarien geprüft, in denen eine Enteignung durch die Investitionsgarantien teilweise kompensiert wird.
  7. Vor Auszahlung der Garantien muss weiterhin geprüft werden, ob Wintershall Dea nicht vorher mit einer Schiedsgerichtsklage seine Forderungen gegenüber Russland geltend machen müsste.
  8. Auch die Höhe des Auszahlungsbetrages muss sich an dem Zeitwert unmittelbar vor der Enteignung orientieren. Ende 2022 sollten die Vermögenswerte in den russischen Fördergebieten aber für ausländische Investoren von einem starken Wertverlust betroffen sein.

Link:

Stellungnahme DIA Wintershall DEA

Kontakt:

Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz DUH
0160 4334014, zerger@duh.de

Sonja Meister, Energie-Kampaignerin urgewald
0176 64608515, sonja.meister@urgewald.org

DUH-Newsroom:

030 2400867-20, presse@duh.de



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