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Mehr Wind für die Energiewende

Freitag, 24.01.2020

„Wir brauchen Windkraft an Land und auf See, um das Ziel 65 Prozent Erneuerbare im Stromsektor bis 2030 zu erreichen“, sagt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Er fordert daher keine pauschalen Abstandsregelungen und bestehende Anlagen durch leistungsfähigere Anlagen zu ersetzen. „Natürlich muss die Windenergie artenschutzgerecht ausgebaut werden“, sagt Müller-Kraenner. Denn: „Klimaschutz und biologische Vielfalt gehören zusammen bei der Anpassung an den Klimawandel.“

 

© Heidi Scherm

Herr Müller-Kraenner, die Bundesregierung will die Klimaziele bis 2030 mit einem Klimapaket erreichen. Wird das was?

Auch mit dem Klimapaket scheitert die Bundesregierung an den eigenen Ansprüchen, die Klimaziele von Paris zu erreichen. Mit diesem Klimapäckchen erreicht Deutschland nur ein Drittel der Wegstrecke. Wenn die Bundesregierung den Anspruch hat, handlungsfähig zu sein, muss sie ein neues Paket vorlegen.

Was wäre denn glaubwürdig?

Deutschland braucht einen konsequenten Plan zum Ausstieg aus den fossilen Energien, das heißt beschleunigter Kohleausstieg, Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen und aus dem Verbrennungsmotor. Und gleichzeitig einen nachvollziehbaren Plan zum Ausbau der erneuerbaren Energien in Richtung 100 Prozent.

Bisher könnte man meinen, die Bunderegierung bereitet nicht den Ausstieg aus der Kohle vor, sondern aus der Windkraft.

Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, 65 Prozent Erneuerbare im Stromsektor in 2030. Um das zu erreichen, muss sie die Hindernisse für den Ausbau der Windenergie beseitigen. Der 65 Prozent-Anteil bezieht sich ja auf einen ständig wachsenden Stromanteil. Denn mit den Erneuerbaren sollen auch der Gebäudebereich und der Verkehrssektor klimaneutral werden. Wärmepumpen und Elektroautos müssen dann mit zusätzlichem Ökostrom versorgt werden.

Windenergie an Land ist unbeliebt. Wie gehen Sie damit um?

Der Schlüssel für die Akzeptanz liegt in planerischen Vorgaben, um Naturschutzkonflikte auszuräumen und verpflichtende Vorgaben, um den Bürgerinnen und Bürgern eine finanzielle Teilhabe am Ausbau der Windenergie zu ermöglichen.

Da macht das Bundeswirtschaftsministerium nicht mit.

Das ist die letzte Abwehrschlacht. Wirtschaftlich hat die Blockade der Regierung fatale Auswirkungen. Selbst ein altes Energieunternehmen wie RWE hat angekündigt, vor allem im Ausland in erneuerbare Energien zu investieren, da hierzulande die Rahmenbedingungen nicht stimmen.

Die Bundesregierung hört also den Schuss weder aus der Wirtschaft noch von der Straße?

Wenn der Stillstand in der Umwelt- und Klimapolitik und das sogenannte Klimapaket auf so massive Kritik stoßen, von Fridays for Future über die Umweltverbände und die Wissenschaft bis hin zur Wirtschaft, müssen die Verantwortlichen in der Bundesregierung doch irgendwann darauf kommen, dass sie was falsch machen. Zum Windenergiegipfel haben die Umweltverbände gemeinsam mit der Wirtschaft Forderungen aufgelegt. Die Bundesregierung ignoriert sie.

Was schlagen Sie vor?

Vor allem: Keine pauschalen Abstandsregelungen. Bestehende Anlagen müssen weiter durch leistungsfähigere Anlagen ersetzt werden. Natürlich muss auch die Windenergie artenschutzgerecht ausgebaut werden. Aber Windenergie ist nicht das Hauptproblem des Artenschutzes in diesem Land – das Hauptproblem sind die industrielle Landwirtschaft und der hohe Flächenverbrauch.

Die Bundesregierung setzt auf Offshore-Windanlagen.

Das ist gut. Doch die Voraussetzungen müssen noch geschaffen werden. Der Netzanschluss und Netzausbau sind zu langsam. Zudem muss geklärt werden, wie der Windstrom auch in Wasserstoff oder Methan umgewandelt wird, etwa für die Industrie. Es wird auch nicht funktionieren, die Windkraft auf See gegen die Windkraft an Land auszuspielen. Die Wahrheit ist: Wir brauchen beides!

Von Einsparung oder Effizienz redet niemand mehr.

100 Prozent erneuerbare Energien werden nur funktionieren, wenn Effizienz endlich vorankommt – ob im Haushalt oder in der Industrie. Mit den vorhandenen Flächen für den Ausbau der Windenergie kommen wir nur hin, wenn wir den Energieverbrauch reduzieren.

Also keine 47 Millionen Autos mit Elektromotor?

Ein absoluter Alptraum! Wir müssen Mobilität ganz anders denken. Wir brauchen eine echte Verkehrswende, nicht einfach einen Ersatz des Kraftstoffs.

Die DUH war immer ein starker Partner der Kommunen. Wie gehen die mit den lauter gewordenen Forderungen um?

Mehr als 60 Kommunen haben den Klimanotstand ausgerufen, was zeigt, dass in den Kommunen das Bewusstsein herrscht: Wir müssen was machen. Wir beraten die Städte und Gemeinden, wie sie Bauprojekte beeinflussen können, wie sie die Stadtwerke und die Verkehrsbetriebe umbauen oder die Gebäudesteuerung intelligent steuern können. Mit dem Stadtwerklabel zeichnen wir klimafreundliche Stadtwerke aus und schaffen so Vorbilder für andere Kommunen.

Pflanzen die Städte auch schon mehr Büsche und Bäume, um sich an die Erderwärmung anzupassen?

Klimaanpassung ist extrem wichtig, denn die Menschen und die Städte leiden unter Starkregen, Hitzewellen, Trockenheit. Die DUH bietet praktische Beratungen an, wie die Kommunen Stadtgrün entwickeln können. Klimaschutz und biologische Vielfalt gehören zusammen bei der Anpassung an den Klimawandel.

Lassen Sie uns noch über die Gerichtsentscheidungen zum Tagebau Jänschwalde sprechen ...

Das Landesbergamt in Brandenburg hat den Weiterbetrieb des Tagebaus Jänschwalde ohne die vorgeschriebene Flora-Fauna-Habitat-Verträglichkeitsprüfung genehmigt. Das ist ein Skandal. Denn sowohl die Betreiberin des Tagebaues, LEAG, als auch das Landesbergamt wissen seit Jahren von den Auswirkungen des Betriebs auf die naheliegenden Naturschutzgebiete. Dagegen haben wir geklagt und im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gewonnen. Der Tagebau befindet sich seit Anfang im September im Sicherungsbetrieb, was einem Stillstand gleichkommt.

Sendet das Urteil aus der Lausitz ein Signal in andere Kohleregionen?

Was wir in Jänschwalde gerichtlich erreicht haben, hat Auswirkungen auf die anderen Braunkohletagebaue in der Lausitz und im Westen Deutschlands. Wir erleben es immer wieder, dass die angrenzenden Gewässer und Naturschutzgebiete nicht ausreichend berücksichtigt werden. Ob Deutschland schnell oder langsam aus der Kohle aussteigt, heißt nicht, dass der Braunkohletagebau außerhalb von Recht und Gesetz operieren kann.

Nach dem Ausstieg aus der Kohle gilt Erdgas als zukunftsträchtige Energiequelle.

Wenn wir Deutschland bis 2050 dekarbonisieren wollen, dann kann Erdgas nur eine Übergangslösung sein. Das Frackinggas aus den USA ist klimaschädlicher als Kohle, wenn man die Methanemissionen aus dem Frackingprozess und dem Transport dazu rechnet. Deutschland darf also auf keinen Fall eine neue Gasinfrastruktur für Frackinggas aufbauen.

Warum?

Wenn Deutschland heute in die Gasinfrastruktur investiert, dürfen das nur Anlagen werden, die auch Wasserstoff weiterleiten können, der auch aus erneuerbarem Strom hergestellt werden kann. Die North Stream 2-Pipeline für russisches Gas aus der Arktis oder die Flüssiggasterminals für das US-Frackinggas an der norddeutschen Küste sind explizit dafür ausgerichtet, fossiles Gas zu transportieren. Laut Aussage der Betreiber sind die Flüssiggas-Terminals nicht umrüstbar für Wasserstoff.

Die rechnen also damit, die Anlagen lange mit fossilem Gas zu betreiben.

Nach Aussage von Gazprom, bis Ende des 21. Jahrhunderts. Das ist natürlich nicht mit dem Ausstieg aus fossilen Energien bis 2050 zu vereinen. Die Gegner werden also nicht kleiner, deswegen ist es so wichtig, dass wir diesen Push bekommen haben von den Fridays for Future-Leuten.

Welchen Energiepush hat die DUH von Fridays for Future bekommen?

Sie bringen auch uns zum Nachdenken, ob unsere Fragen und Antworten der Klimakrise angemessen sind. Ich verstehe das als Auftrag, noch konsequenter und radikaler an die Klimakrise heranzugehen.

Was wäre radikal?

Dass wir schneller werden müssen bei der Verkehrswende, schneller raus aus Kohle, Gas, Öl und den Ausbau der Erneuerbaren beschleunigen.

Schneller sein und machen.

Machen, ja, umsetzen. Wir haben ein begrenztes Zeitfenster, in dem wir handeln können. Da brauchen wir natürlich einen sozialen Ausgleich, aber keine Kompromisse im Sinne, dass man sich in der Mitte trifft und die Ziele immer nur halb erreicht. Alle Umfragen zeigen, dass die Menschen konsequenten Klimaschutz möchten. Die politischen Voraussetzungen sind vorhanden, weitreichende Konsequenzen für den Klimaschutz zu treffen. 

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