"Wir werden das Tempolimit durchsetzen!"

Mittwoch, 16.12.2020

Die DUH hat die Verkehrswende im Jahr 2020 massiv vorangetrieben. Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch im Gespräch über nachhaltige Mobilität, Saubere Luft und weitere Schwerpunkte der DUH.

© Holzmann / DUH

+++ Das Interview ist in unserem Jahresbericht 2020 erschienen +++

Die Luft ist heute sauberer als vor 30 Jahren. Sind wir über den Berg oder ist das nur ein weiteres Etappenziel?


In den 40 Städten, in denen wir für die Saubere Luft vor Gericht kämpften, hat sich die Luftqualität doppelt so stark verbessert wie in Städten, in denen wir nicht geklagt haben, das zeigen kürzlich vom UBA veröffentlichte NO2-Messungen. Die Menschen haben ein Recht auf Saubere Luft – dafür kämpfen wir. COVID 19 zeigt uns, wie wichtig es ist, zusätzliche Gesundheitslasten zu vermeiden. Dank unserer Klagen auf Einhaltung der Luftqualitätswerte konnten wir in über 80 Prozent der beklagten Städte den Autoverkehr zurückdrängen und Bahn, Bus und Fahrradverkehre stärken. Die Bürger*innen sehen, dass dadurch auch ihre Städte lebenswerter werden. Und was mich besonders freut: In immer mehr Verfahren – von denen wir übrigens bis heute keines verloren haben – gelingt es uns, in intensiven Verhandlungen mit Land und Stadt umfangreiche Maßnahmenkataloge für die lebenswerte Stadt durchzusetzen. Im nächsten Jahr werden wir nun dafür kämpfen, dass die Europäische Union die Grenzwerte für Luftschadstoffe wie Feinstaub und Stickstoffdioxid gemäß der Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation verschärft.

Eine andere Quelle von Luftschadstoffen sind Böller. Coronabedingt gilt nun für Silvester 2020 ein Böllerverbot. Wie geht es weiter?

Nachdem europaweit die Silvesterböllerei verboten wurde, folgt nun die Bundesregierung der DUH-Argumentation und ordnet ein bundesweites Verkaufs- und damit faktisches Böllerverbot an. Seit vielen Jahren schon werben wir für umweltfreundliche Alternativen und setzen in immer mehr Städten Böllerverbote durch: für die Saubere Luft, die Vermeidung von Verletzungen und den Schutz der Tiere. Nicht nur in diesem Corona-Winter 2020/2021 ist es wichtig, einen Böllerverzicht auszusprechen. Wir müssen auch künftig sicherstellen, dass die Notaufnahmen in Krankenhäusern nicht überlaufen und tausende Eltern um das Augenlicht oder die Finger ihrer Kinder bangen müssen. 2021 kämpfen wir mit noch mehr Unterstützer*innen weiter für ein Böllerverbot, das auch nach der Bewältigung der Corona-Pandemie bleibt.

Zurück zu den Autos: Umweltaspekte oder geringer Spritverbrauch scheinen oft kein Argument beim Autokauf zu sein.

Das gilt fast nur in Deutschland und hat einen nachvollziehbaren Grund. Während überall in Europa die Regierungen mit immer drastischeren Instrumenten den Kauf von Neufahrzeugen mit hohem Spritverbrauch und damit CO2-Emissionen bremsen – Frankreich oder Norwegen erheben für die Zulassung spritdurstiger SUVs 50.000 Euro Strafsteuer und mehr – subventioniert der deutsche Bundesfinanzminister den Kauf von Klimakiller-Stadtgeländewagen sogar aus Steuermitteln. Das gibt es in keinem anderen Land der Erde: Vom Kaufpreis eines 170.000 Euro teuren Porsche Cayenne Plug-In-Hybrid-Stadtgeländewagens übernimmt die Bundesregierung bis zu 90.000 Euro durch dessen volle steuerliche Abzugsfähigkeit. Da er trotz 500 PS-Benzinmotor auch noch als Elektroauto zusätzlich bevorzugt wird, erhält der Nutzer bei Dienstwagenbesteuerung einen steuerlichen Vorteil von bis zu 26.000 Euro über fünf Jahre. Aus diesem Grund explodieren bei uns gerade die Verkaufszahlen für besonders klimaschädliche Stadtpanzer.

Als Beitrag zur Verkehrswende schlägt die Umwelthilfe Pop-up-Radwege vor?

Die Städte nehmen sich in der Regel fünf bis zehn Jahre Zeit, um Fahrradwege einzurichten. Wir haben in diesem Frühjahr sehr erfolgreich in über 200 Städten Anträge für kurzfristig einzurichtende Pop-up-Radwege gestellt. Nach anfänglicher Ablehnung haben dann immer mehr Städte begonnen, innerhalb weniger Wochen solche Fahrradwege einzurichten. An der Spitze der Bewegung stand Berlin als Vorreiter, mit unserem Verweis auf die Bundeshauptstadt konnten wir dann in weiteren Städten viele Kilometer neue Radwege schaffen. Sehr schön das Beispiel Stuttgart: Nachdem der grüne Baubürgermeister unseren Antrag erst einmal abgelehnt hatte, gab es örtliche Proteste von Fahrrad- und Umweltverbänden auf der Mercedes-Straße. Danach war es doch möglich, auch in der Diesel-Welthauptstadt zwei temporäre Fahrradwege zu schaffen. Mit einem Rechtsgutachten wollen wir schließlich den Städten helfen, rechtlich abgesichert, auch weiterhin neue Radwege kurzfristig umzusetzen.

Die Automobilbranche steht für Skandale wie Dieselgate oder faktisch unökologische Plug-In-Hybride. Wie steht es um die Zukunft des Automobil-Standorts Deutschland?

Was die etablierte Automobilindustrie angeht, prognostiziere ich ein schnelles Ende für den Diesel und bis 2025 werden auch Benzin-Motoren verschwinden. Die Entscheidung für eine Tesla Gigafactory in Deutschland ist ein Gamechanger. Ich rechne nun mit einem zunehmenden Erfolg effizienter batterieelektrischer Pkw. Allerdings genügt es nicht, dass wir uns nur mit der Antriebstechnik beschäftigen. Die Autos müssen kleiner und insgesamt effizienter werden. Und „Verkehrswende“ heißt auch: mindestens eine Halbierung der Zahl der Pkw und Verdopplung der Busse, Bahnen und Straßenbahnen. Hier bestehen Chancen für die deutsche Industrie.

Wie kann die DUH jetzt noch dazu beitragen, dass die betrogenen Dieselkund*innen nicht auf ihrem Schaden sitzen bleiben?

Wir kämpfen seit Aufdeckung des Dieselabgasskandals dafür, dass die Autoindustrie wie in den USA gezwungen wird, die Betrugsfilter ohne Kosten für die betrogenen Dieselkäufer*innen durch funktionierende Systeme zu ersetzen. Und zwar nicht in Form von unwirksamen Software-Updates, sondern durch den Einbau einer in allen Temperaturbereichen funktionierenden Stickoxid-Katalysatortechnik auf Harnstoffbasis. Das ist technisch möglich, die Systeme sind zugelassen und lieferbar. Da es aber von der Politik keine Auflage gibt, Fahrzeuge tatsächlich sauber zu machen, drückt sich die Industrie davor. Die DUH hat nun ihre Klage gegen diese industriefreundliche Praxis der Bundesregierung bis zum Europäischen Gerichtshof getragen. Wir rechnen damit, dass der EuGH die Bundesregierung dazu verpflichtet, die momentan geduldete Betrugssoftware für illegal zu erklären. Damit würden wir Millionen betroffener Betrugsdiesel-Halter*innen helfen.

Was muss sich 2021 aus deiner Perspektive unbedingt ändern?

Neben vielen weiteren wichtigen Themen haben wir ein Schwerpunktthema: Die Durchsetzung eines Tempolimits auf Autobahnen und eine Absenkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf allen übrigen Straßen. Damit lassen sich jährlich bis zu acht Millionen Tonnen CO2 einsparen. Zudem würden Tausende Hochgeschwindigkeitsunfälle entfallen, die Menschenleben kosten. Wir haben vor zwei Jahren die größte gesellschaftliche Allianz für ein Tempolimit geschmiedet, bei der auch Polizeigewerkschaften und Unfallopferverbände mitwirken. Zwischenzeitlich hat selbst der ADAC seinen Widerstand aufgegeben. Ich bin überzeugt: Das Tempolimit kommt! Bis 2022 werden wir das durchsetzen!

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