Das Recht auf saubere Luft
In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union besteht die gesetzliche Verpflichtung, Maßnahmen zur Senkung der Luftschadstoffe zu treffen. Die Grundlage dafür bildet die EU-Luftreinhalterichtlinie (2008/50/EG). Die von der Bundesregierung beschlossene Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) setzt die EU-Richtlinie im nationalen Recht um. Zur Verbesserung der Luftqualität legt sie Grenzwerte für Schadstoffkonzentrationen fest. Treten infolge fehlender Bestimmungen und Maßnahmen Grenzwertüberschreitungen auf, kann der Bürger dies rechtlich verlangen. Zunächst können zuständigen Behörden (i.d.R. die Umweltministerien der Länder) mit entsprechenden Anträgen aufgefordert werden, unverzüglich Vorkehrungen zu ergreifen, um die EU-Grenzwerte in den betroffenen Städten einzuhalten. Sollte die Behörde trotz des nachgewiesenen Verstoßes gegen EU Recht keine Fortschreibung des Luftreinhalteplans erwägen, können die Betroffenen klagen. Klageberechtigt ist jeder, der sich einen Großteil seiner Zeit in belasteter Umgebung aufhält. Also nicht nur Anwohner, sondern auch z.B. Ärzte in Arztpraxen an stark befahrenen Straßen oder Erzieher im Kindergarten oder Eltern für ihre Kindergartenkinder, wenn sich der Kindergarten in einer stark feinstaubbelasteten Umgebung befindet.
Im Hinblick auf die Rechtslage hat sich einiges getan: Es gibt eine Reihe von neuen Urteilen zur Luftreinhaltung in Städten, manche mit großem Aufforderungscharakter für Kommunen und Gesellschaft.
Die DUH unterstützte bereits erfolgreich Musterklagen betroffener Bürger in München und Wiesbaden. Die Klage eines Anwohners der Landshuter Allee in München ebnete dafür den Weg. Unterstützt durch die DUH ging dieser Fall durch mehrere Instanzen bis hin zum Europäischen Gerichtshof (EuGH). Dieser entschied im Juli 2008, dass Betroffene ihre Stadtverwaltungen zur Aufstellung eines Aktionsplanes verpflichten können. Die Klage einer Anwohnerin einer stark befahrenen Straße in Wiesbaden gegen das Hessische Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zur Verbesserung der Luftqualität wurde ebenfalls zu Gunsten der Klägerin entschieden. Erstmals trat dabei als zweite Klägerin auch die DUH in Erscheinung und klagte gegen die seit Jahren aufgetretene Überschreitung des zulässigen Jahresmittelwerts für Stickstoffdioxid (NO2). Die Richterin bestätigte in diesem Prozess die Einführung einer Umweltzone als wirksamste Einzelmaßnahme zur Einhaltung des Grenzwertes.
Klagerecht für Umweltverbände gestärkt
Das Bundesverwaltungsgericht entschied am 5. September 2013 in Leipzig über die Klage der DUH gegen das Land Hessen wegen andauernder Überschreitung der Luftschadstoffgrenzwerte in Darmstadt und weitete das Klagerecht von Umweltverbänden erheblich aus. Mit diesem Grundsatzurteil können nun Umweltverbände alle Verstöße gegen das Luftreinhalterecht der Europäischen Union gerichtlich einklagen. Darauf folgten Klagen in Reutlingen, Mainz, München, Limburg und Offenbach. In allen Fällen entschieden die Richter für die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger und verlangten die Fortschreibung der geltenden Luftreinhaltepläne. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden ging in seinen Urteilen zur anhaltenden NO2-Belastung in Limburg und Offenbach sogar noch einen Schritt weiter. Der Richter machte deutlich, dass finanzielle oder wirtschaftliche Aspekte nicht dazu führen können, von Maßnahmen zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte abzusehen. Das Hessische Umweltministerium muss nun ein umfangreiches Konzept mit allen denkbaren Maßnahmen und einem detaillierten Zeitplan vorlegen. Als Grundlage dafür kann eine Untersuchung des Umweltbundesamtes hinzugezogen werden, welche 110 Maßnahmen aufführt, die geeignet sind die NO2-Konzentration zu senken.
Neue Klagewelle für saubere Luft
Im November 2015 hat die DUH mit Unterstützung der britischen NGO ClientEarth aufgrund der anhaltenden Überschreitung der Grenzwerte für NO2 Klage gegen mehrere Bundesländer eingereicht. Betroffen sind die Städte Köln, Bonn, Aachen, Düsseldorf, Essen, Gelsenkirchen, Frankfurt am Main und Stuttgart. Zusätzlich beantragte die DUH Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen das bayrische und das hessische Umweltministerium, sowie das Regierungspräsidium Tübingen wegen anhaltender Grenzwertüberschreitung in München, Darmstadt, Wiesbaden und Reutlingen.
Anfang Januar hatte das Verwaltungsgericht Wiesbaden den Anträgen der DUH auf Androhung eines Zwangsgeldes gegen das Land Hessen stattgegeben. Dabei geht es um die Luftqualität in Darmstadt und Wiesbaden. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof lehnte in zweiter Instanz mit Beschluss vom 11. Mai 2016 den Antrag auf Androhung eines Zwangsgeldes ab.
Wegen Überschreitung der NO2-Grenzwerte an allen verkehrsnahen Messstationen in Berlin hat die DUH im Juni 2016 auch hier rechtliche Schritte eingeleitet. Im August 2016 hat die DUH weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahme gegen das Land Hessen beantragt, da das rechtskräftige Urteil des VG Wiesbaden zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans für Limburg vom Juni 2015 bislang nicht umgesetzt wurde.
Vertragsverletzungsverfahren der EU Kommission
Parallel zu Klagen auf Luftreinhaltung vor nationalen Gerichten, hat die EU-Kommission zwei Vertragsverletzungsverfahren wegen anhaltender Überschreitung der PM10 und der NO2-Grenzwerte gegen Deutschland eingeleitet. Der Bundesregierung drohen hohe Strafzahlungen, wenn sie nicht umgehend effektive Maßnahmen zur Reduktion der Luftschadstoffbelastung umsetzt.
Kontakt
Dorothee Saar
Bereichsleiterin Verkehr und Luftreinhaltung
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