„Technische Lösungen und Förderinstrumente reichen nicht aus, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen.“
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Im März hat das Umweltbundesamt eine umfassende Bewertung des Klimapakets der Bundesregierung vorgelegt. Was waren aus Ihrer Sicht die zentralen Ergebnisse?
Die Analyse zeigt, dass das Klimaschutzprogramm 2030 und Entscheidungen zum Kohleausstieg sowie zur Anhebung des CO2-Preises Anfang 2020 dazu führen, dass gegenüber dem Business-As-Usual-Szenario zusätzlich Treibhausgase eingespart werden.
Aber es ist deutlich, dass die Anstrengungen in den Sektoren Gebäude und Verkehr auch weiterhin nicht ausreichen, um die deutschen Klimaziele 2030 zu erreichen. Hier müssen die Klimaschutzmaßnahmen verschärft werden.
Das Gutachten im Auftrag des UBA zeigt, dass der Verkehrssektor von allen Sektoren am weitesten davon entfernt ist, das CO2-Minderungsziel für 2030 zu erreichen. Weshalb geht es mit der Treibhausgasreduktion im Verkehrssektor so besonders langsam voran?
Rund 97 Prozent der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor stammen aus der Verbrennung fossiler Kraftstoffe im Straßenverkehr. Auch ist der Energiebedarf infolge des weiter zunehmenden Verkehrs noch immer sehr groß. Klimaschutzmaßnahmen müssen hier ansetzen.
Große Veränderungen im Verkehrssystem wirken allerdings eher langfristig. Die Stadt und Region der kurzen Wege, die Verkehr vermeidet, muss erst umfassend geplant und umgesetzt werden. Der Ausbau der Alternativen zum Straßenverkehr, wie Schienengüterverkehr oder ÖPNV, dauert oft Jahrzehnte, und der Fahrzeugbestand erneuert sich nur langsam: Nur rund sieben Prozent der Pkw-Flotte werden jedes Jahr durch Neuwagen ersetzt.
Seit dem Bundes-Klimaschutzgesetz ist das Minderungsziel von 42 Prozent im Verkehr bis 2030 bindend, aber die Treibhausgasemissionen sind in diesem Sektor bisher nicht gesunken. Mit dem Positionspapier „Kein Grund zur Lücke“ haben wir deutlich gemacht, welche sehr ambitionierten Maßnahmen umgesetzt werden müssten, damit das Minderungsziel für den Verkehrssektor im Jahr 2030 noch erreicht wird. Das Ambitionsniveau des Klimaschutzprogramms der Bundesregierung reicht bei weitem nicht aus.
Auf Basis der UBA-Analyse: Welche Maßnahmen des Klimapakets werden in den nächsten zehn Jahren tatsächlich zu einer maßgeblichen CO2-Reduktion im Verkehr beitragen, welche Maßnahmen sind eher wirkungsschwach oder wirkungslos?
Dazu wird das UBA demnächst noch eine detailliertere Analyse veröffentlichen. Es ist aber bereits bekannt, dass die größte Treibhausgasminderung aus der CO2-Bepreisung resultiert. Außerdem tragen fortschrittliche alternative Kraftstoffe zur CO2-Reduktion bei. Die auf EU-Ebene beschlossenen CO2-Flottenzielwerte sind nicht Teil des Klimaschutzprogramms 2030, zeigen allerdings große Wirkungen. Eher negative Wirkungen hat die zeitweise Anhebung der Pendlerpauschale.
Die Zielverfehlung im Verkehrssektor ist mit rund 33,5 Mio. Tonnen CO2-Äquivalenten im Jahr 2030 so groß, dass eine Reihe zusätzlicher, sehr wirksamer Maßnahmen beschlossen und umgesetzt werden müsste, um diese Lücke zu schließen. Grund dafür ist unter anderem, dass im Klimaschutzprogramm 2030 fast vollständig auf ökonomische und ordnungsrechtliche Maßnahmen verzichtet wurde. Auch der Abbau umweltschädlicher Subventionen ist bisher nicht vorgesehen.
Unser Gutachten macht deutlich, dass technische Lösungen und Förderinstrumente allein nicht ausreichen werden, um die Klimaschutzziele im Verkehrssektor zu erreichen.
Durch die Corona-Pandemie ist die Diskussion um die nötigen Nachbesserungen beim Klimapaket zum Erliegen gekommen. Gleichzeitig hat sich das Mobilitätsverhalten vieler Menschen stark verändert. Wo muss die Verkehrspolitik jetzt ansetzen, um Mobilität langfristig zukunftsfähig zu gestalten und die Klimaziele bis 2030 zu erreichen?
Der Öffentliche Verkehr als Teil des Umweltverbunds ist das Rückgrat der Verkehrswende, leidet allerdings besonders unter der Corona-Pandemie.
Auch mit den Maßnahmen im Konjunkturprogramm reichen die Anstrengungen aus unserer Sicht noch nicht aus, um den Öffentlichen Verkehr entscheidend für das Erreichen der Klimaschutzziele im Verkehr bis 2030 zu stärken. Es sollten mehr staatliche Mittel für den Ausbau, die Elektrifizierung und Digitalisierung der Schiene zur Verfügung gestellt werden.
Abgesehen von der einmaligen Erhöhung der Regionalisierungsmittel um 2,5 Mrd. Euro und der E-Bus-Förderung sind zusätzliche Investitionen in den ÖPNV im Konjunkturprogramm nicht vorgesehen. Damit der ÖPNV gestärkt aus der Krise hervorgeht, sollten flankierende Maßnahmen zur Hygiene und Imagekampagnen gefördert werden. Durch die Aufstockung und Erhöhung von Fördersätzen bei Fahrzeugen und vorzeitige Ziehung von Bestelloptionen für den Kauf von ÖPNV-Fahrzeugen im Rahmen bestehender Lieferverträge sollte das Angebot im ÖPNV kurzfristig verbessert, die Attraktivität erhöht und die Fahrzeugindustrie gestärkt werden.
Es ist noch nicht sicher, ob die pandemiebedingten Verhaltensanpassungen wie mehr Homeoffice und Webkonferenzen oder die stärkere Nutzung des Fahrrads für Alltagwege auch zu langfristigen Verhaltensänderungen führen. Die Politik kann durch den zügigen Ausbau der digitalen Infrastruktur und mehr Platz für den Rad- und Fußverkehr die Voraussetzungen für einen dauerhaften Wandel des Mobilitätsverhaltens schaffen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview wurde im Rahmen der Kampagne „Get Real – Für ehrliche Spritangaben“ durchgeführt. Get Real wird im Rahmen des LIFE-Programms von der EU-Kommission gefördert.
Fordern Sie mit uns: Schluss mit Klimakillern und Verbrauchertäuschung!

