Ob Feinstaub, Stickoxide oder Ammoniak – Schadstoffe aus unterschiedlichen Quellen belasten die Atemluft in ganz Europa. Die Europäische Umweltagentur geht von 253.000 vorzeitigen Todesfällen im Jahr 2021 in Europa aus, die auf eine Feinstaubbelastung oberhalb der aktuellen Grenzwertempfehlung der Weltgesundheitsorganisation zurückzuführen sind. Um den Ausstoß der Luftschadstoffe zu mindern, hat die EU in der Richtlinie (EU) 2016/2284 über die Reduktion der nationalen Emissionen bestimmter Luftschadstoffe, auch NEC-Richtlinie (engl. National Emission reduction Commitments Directive) genannt, für jeden Mitgliedstaat konkrete Minderungsziele verbindlich festgelegt. Wie diese erreicht werden können, müssen die Länder in nationalen Luftreinhalteprogrammen darlegen, die alle vier Jahre aktualisiert werden müssen.

Das erste Nationale Luftreinhalteprogramm (NLRP) Deutschlands wurde 2019 verabschiedet. Dessen Aktualisierung hat die Bundesregierung am 15. Mai 2024 beschlossen - mit über einem Jahr Verspätung. Leider ist das neue Programm, wie schon das Programm aus 2019, völlig unzureichend und verstößt gegen die NEC-Richtlinie: Selbst mit allen im Programm aufgenommenen Maßnahmen, können die Reduktionsziele für die Jahre 2025 und 2030 nicht sicher eingehalten werden. Unter anderem, weil die Regierung viele Maßnahmen eingerechnet hat, die gar nicht oder deutlich abgeschwächt umgesetzt werden (beispielsweise das Gebäudeenergiegesetz, die Abgasnorm Euro 7 oder das mittlerweile eingestellte Förderprogramm für Elektrofahrzeuge).

Bereit im Mai 2020 haben wir eine Klage eingereicht, um wirksame Maßnahmen rasch und verbindlich auf den Weg zu bringen – für Saubere Luft in Deutschland. Unterstützt werden wir von der Nichtregierungsorganisation ClientEarth. Da auch das im Mai 2024 beschlossene NLRP nicht ausreicht, um die Vorgaben aus der NEC-Richtlinie einzuhalten, ist diese Klage weiterhin aktuell.

Häufige Fragen zur Klage für ein wirksames nationales Luftreinhalteprogramm

Die NEC-Richtlinie, engl. National Emission reduction Commitments Directive, ist eine europäische Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe und ist ein essenzielles Instrument, um Luftverschmutzung zu bekämpfen. Bereits seine Verpflichtungen seit 2010 aus der Vorgänger-Richtlinie missachtet Deutschland und stößt mehr Ammoniak aus als erlaubt. Im Rahmen der aktuellen NEC-Richtlinie hat die Bundesregierung 2019 ein völlig unzureichendes nationales Luftreinhalteprogramm vorgelegt, dass eine sichere Einhaltung der neuen Reduktionsziele bis 2030 nicht sicherstellt. Als klageberechtigte Umweltorganisation nach Umweltrechtsbehelfsgesetz will die Deutsche Umwelthilfe im Rahmen der am 20. Mai 2020 eingereichten Klage das Recht auf Saubere Luft durchsetzen. Trotz Entwurf eines neuen nationalen Luftreinhalteprogramms aus dem Jahr 2023 und dessen Beschluss im Mai 2024 hat die Klage weiterhin bestand, da auch dieser Planentwurf – sollte er verabschiedet werden – die Anforderungen der NEC-Richtlinie nicht erfüllt.

Mit unserer Klage wollen wir erreichen, dass die Bundesregierung ein tragfähiges Luftreinhalteprogramm aufstellt, welches die Luftschadstoffbelastung mindestens gemäß den gesetzlichen Anforderungen der NEC-Richtlinie (EU) 2016/2284 senkt. Wir fordern, dass die Minderungsmaßnahmen des Luftreinhalteprogramms einen Sicherheitspuffer aufweisen, welcher die Unsicherheiten der Prognosen einbezieht, damit eine Einhaltung der Emissionshöchstmengen garantiert ist. Zudem sind die gesetzlich verbindliche Festlegung der Maßnahmen und ein Zeitplan zur Realisierung zwingend erforderlich. Nur durch konkrete Schritte können wir Menschen und Ökosysteme vor schädlicher Luftverschmutzung schützen.

Die Deutsche Umwelthilfe stützt sich in ihrer Klage auf die Vorgaben der NEC-Richtlinie (EU) 2016/2284 über die Reduktion der nationalen Emissionen bestimmter Luftschadstoffe. Diese sieht für alle EU-Mitgliedstaaten nationale Reduktionsverpflichtungen für die folgenden Luftschadstoffe vor, welche innerhalb eines streng vorgegebenen Zeitrahmens zu erfüllen sind:

•    Schwefeldioxid (SO2)
•    Stickstoffoxide (NOX)
•    flüchtige organische Verbindungen außer Methan (NMVOC)
•    Ammoniak (NH3)
•    primärer Feinstaub (PM2,5)

Deutschland wird durch die NEC-Richtlinie dazu verpflichtet, seine jährlichen anthropogenen Emissionen gegenüber dem Referenzjahr 2005 wie folgt zu begrenzen:

•    bei Ammoniak ab dem Jahr 2020 um 5 % und ab dem Jahr 2030 um 29 %
•    bei Feinstaub ab dem Jahr 2020 um 26 % und ab dem Jahr 2030 um 43 %
•    bei Schwefeldioxid ab dem Jahr 2020 um 21 % und ab dem Jahr 2030 um 58 %
•    bei Stickstoffoxid ab dem Jahr 2020 um 39 % und ab dem Jahr 2030 um 65 %

Zur Verwirklichung dieser Reduktionsvorgaben müssen die Mitgliedstaaten bis zum 1. April 2019 ein geeignetes nationales Luftreinhalteprogramm erstellen und anschließend durchführen. Darin sind die geeigneten Maßnahmen zur Emissionsminderung und ihre zeitliche Umsetzung zu konkretisieren, mithilfe derer die Minderungsziele erreicht werden.

Das am 22. Mai 2019 mit Verspätung beschlossene Nationale Luftreinhalteprogramm für Deutschland wird diesen Vorgaben nicht gerecht, weil es lediglich völlig unverbindliche Maßnahmenoptionen aufgeführt, deren tatsächliche Umsetzung vielfach offenbleibt. Zudem werden die angenommenen Minderungseffekte nicht nachvollziehbar begründet. Die sichere Einhaltung der Reduktionsverpflichtungen kann auf der Grundlage dieses Programms nicht gewährleistet werden.

Die Deutsche Umwelthilfe ist beim Umweltbundesamt als klageberechtigte Umweltorganisation nach Umweltrechtsbehelfsgesetz anerkannt. Daher kann die Deutsche Umwelthilfe vor den Verwaltungsgerichten klagen, wenn sie der Auffassung ist, dass der Bund, die Länder oder Kommunen gegen Recht und Gesetz verstoßen.

Luftverschmutzung ist die größte umweltbedingte Gefahr für die Gesundheit in Deutschland und in der Europäischen Union. Laut Europäischer Umweltagentur (EEA) starben 2021 allein in Deutschland rund 68.000 Menschen frühzeitig an der Belastung durch Feinstaub (PM2,5). Die NEC-Richtlinie ist das wichtigste Rechtsinstrument der EU, um den Gesamtausstoß der Luftverschmutzung zu mindern und daraus resultierende vorzeitige Todesfälle bis 2030 um die Hälfte zu reduzieren. Dazu sind starke nationale Luftreinhalteprogramme nötig, in welchem Maßnahmen zur Minderung von Stickoxiden (NOx), Schwefeldioxid (SO2), Ammoniak (NH3), Feinstaub (PM2,5) und flüchtiger organische Verbindungen außer Methan (NMVOC) festgelegt werden. Sie legen fest, wie die immer noch massive Hintergrundbelastung mit Luftschadstoffen in einem grenzüberschreitenden Bemühen gesenkt werden sollen.

Die im nationalen Luftreinhalteprogramm aus dem Jahr 2019 aufgeführten Strategie- und Maßnahmenoptionen werden aus Sicht der Deutsche Umwelthilfe und unserer Partnerorganisation Client Earth nicht ausreichen, um die Reduktionsverpflichtungen für Luftschadstoffe einzuhalten.

Zum einen basieren die Projektionen der Bundesregierung auf geschönten Annahmen. Beispielsweise werden zahlreiche Ausnahmeregelungen im Bereich der Düngung (NH3) oder bei mittelgroßen Feuerungsanlagen (SO2, NOx, PM2,5) nicht mit einkalkuliert. Da das berechnete Minderungspotential der Maßnahmen keinen hinreichenden Puffer aufweist, ist somit anzuzweifeln, dass das Minderungsziel erreicht werden kann.

Zum anderen basiert das Programm eher auf einer unverbindlichen Ideensammlung anstatt auf gesetzlich verbindlichen Maßnahmen. Die Realisierung der Maßnahmen erscheint häufig sehr fragwürdig, da nicht definiert wird, ob die Maßnahmen freiwillig oder bindend sind. Außerdem mangelt es dem Programm entgegen den Verpflichtungen aus der NEC-Richtlinie an einem nachvollziehbaren Zeitplan für die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen sowie an der Nennung zuständiger Stellen.

Zwar konnten die Reduktionsverpflichtungen der NEC-Richtlinie 2020 für alle Schadstoffe eingehalten werden. Allerdings ist dies primär den Sondereffekten der Corona-Pandemie im Jahr 2020 zu verdanken. Im Jahr 2020 sind besonders hohe Emissionsreduktionen bei Stickoxiden (NOx) und Ammoniak (NH3) im Vergleich zu den Vorjahren zu registrieren. Berechnungen, basierend auf den Emissionsdaten aus dem Jahr 2023, zeigen jedoch, dass die Einhaltung des Zwischenziels 2025 für Stickoxide und die Reduktionsvorgaben für Stickoxide und Feinstaub PM2,5 für 2030 ohne zusätzliche Maßnahmen nicht zu erfüllen sind.

Um einen signifikanten Rückgang der Luftschadstoffemissionen zu erzielen und damit eine Einhaltung aller Reduktionsvorgaben sicherzustellen, müssen wirksame Maßnahmen in allen relevanten Sektoren, die zum Eintrag von Luftschadstoffen in die Außenluft beitragen, rechtlich bindend umgesetzt werden. Dazu zählen Maßnahmen in den Bereichen Landwirtschaft zur Reduktion von Ammoniak und Feinstaub, Verkehr zur Reduktion von Stickoxiden und Feinstaub, Holzfeuerung zur Reduktion von Feinstaub und Ruß und Industrie.

Genaue Forderungen haben wir in unserer Stellungnahme zum aktuellen Entwurf der Bundesregierung für ein neue Nationales Luftreinhalteprogramm zusammengetragen. 

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Dorothee Saar
Bereichsleiterin Verkehr und Luftreinhaltung
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