Wie umweltfreundlich verpacken Aldi, Edeka und Co.?

In welchem Supermarkt sind Obst und Gemüse am häufigsten verpackt? Wer lässt grünen Werbeslogans echte Lösungen zur Abfallvermeidung folgen? Und welcher Discounter ist der größte Verpackungssünder? Wir haben bei zwölf großen Ketten den Verpackungscheck gemacht.
Die Verpackungsmüllmengen erreichen in Deutschland von Jahr zu Jahr neue Rekordwerte. Mit knapp 228 Kilogramm pro Kopf und Jahr sind wir europaweit Spitzenreiter. Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten, dass auch der Lebensmitteleinzelhandel gegen diese Verpackungsmüllkrise aktiv wird. Und tatsächlich sind Werbeslogans und Versprechungen zu ‚grünen‘ Verpackungen aus der Außenkommunikation der meisten Supermärkte kaum mehr wegzudenken. Wir haben die Versprechungen einem Realitätsabgleich unterzogen und festgestellt: bei den meisten Märkten gibt es viel heiße Luft und ein weiter ungelöstes Abfallproblem.
Müllflut bei Supermärkten und Discountern – Biosupermärkte zeigen, wie Abfallvermeidung geht
Bei stichprobenartigen Testbesuchen haben wir Verpackungen im Sortiment von Aldi Süd und Aldi Nord, Lidl, Penny, Netto Marken-Discount und Netto Nord, Rewe, Edeka, Kaufland, Alnatura, Denn’s Biomarkt und Bio Company unter die Lupe genommen. Dabei konnte kein klassischer Supermarkt oder Discounter bei Abfallvermeidung und Ressourcenschonung überzeugen – sie alle erhalten von der DUH eine rote Karte. Nur die Biosupermärkte schaffen im Gesamtergebnis eine grüne Karte und zeigen, dass weniger Verpackungen möglich und praktikabel sind.
Um zu dieser Einschätzung zu kommen, wurde in 48 Testbesuchen (je 4 Märkte pro Kette) in Nord-, Ost- und Süddeutschland, von Juni bis Oktober 2021 das Angebot und die Verpackungen überprüft, welche Märkte Maßnahmen zur Verpackungsvermeidung umsetzen, etwa durch den Verkauf unverpackten Gemüses oder den Einsatz von Mehrwegverpackungen. Details zur Erhebung der Daten finden sich im PDF im Downloadbereich.
Wir haben 5 Kategorien getestet:
In Deutschland fielen allein im Jahr 2019 mehr als 103.000 Tonnen Verpackungsmüll für Obst und Gemüse an. Schenkt man den zahlreichen Versprechungen der Supermarktketten Glauben, dann müssten unverpackte Produkte längst Standard sein. Deshalb haben wir vor Ort geprüft, ob die beliebten wie robusten Sorten Tomaten, Gurken, Karotten, Paprika, Bananen und Äpfel verpackt angeboten werden.
Das Ergebnis des DUH-Verpackungschecks für Obst und Gemüse ist, abgesehen von den Biosupermärkten, eine herbe Enttäuschung. Insgesamt schnitten Discounter besonders schlecht ab. Supermärkte sowie Vollsortimenter landeten überwiegend im Mittelfeld. Einzig Biosupermärkte überzeugten mit größtenteils unverpacktem Obst und Gemüse.

Aneinander gereiht würden die 17,4 Milliarden jährlich in Deutschland verbrauchten Einweg-Plastikflaschen 143 Mal um die Erde reichen. Dieser und weiterer Einweg-Müll, etwa von fast 4 Mrd. Dosen und ca. 5 Mrd. Getränkekartons jährlich, ließe sich mit Mehrwegflaschen größtenteils vermeiden. Die DUH-Tester haben deshalb die Verpackungsarten der Segmente Wasser, Saft, Softdrinks und Bier abgeschätzt. Das im Bericht dargestellte Ergebnis ist der Durchschnitt dieser vier Kategorien.
Das Ergebnis des DUH-Verpackungschecks für Getränke ist ernüchternd. Nur im Biohandel wird ganz überwiegend Mehrweg angeboten. Wieder liegen die klassischen Supermärkte im Mittelfeld. Bei den Discountern gibt es Unterschiede – allerdings auf niedrigem Niveau: einige haben ein kleines Mehrwegangebot – und andere setzen zu 100 Prozent auf Einweg.

Im Schnitt konsumieren Deutsche rund 49 Liter frische Milch und 15 Kilogramm Joghurt im Jahr. Zum ganz überwiegenden Teil werden diese Produkte jedoch in Einwegverpackungen abgefüllt. Der Mehrweganteil im Milchsegment lag 2019 nur bei 1,3 Prozent. So entstehen jährlich riesige Verpackungsmüllberge. Und das, obwohl abfallarme Mehrwegflaschen und -gläser in Deutschland Tradition haben.
Die Testergebnisse des Verpackungschecks für Milch und Joghurt sind erschreckend: Ein vollständiges oder auch nur überwiegendes Mehrwegangebot erreichte keine der untersuchten Handelsketten in den von uns getesteten Filialen. Selbst bei den vorne liegenden Biomärkten wurde deutlich weniger als die Hälfte der Produkte in Mehrweg angeboten. Mit etwas Abstand folgen die klassischen Supermärkte und mit nahezu keinem Mehrwegangebot schneiden die Discounter besonders schlecht ab.

Ob Käse, Brot, Nudeln oder Kaffee: an Selbstbedienungs- und Frischetheken können mit Mehrweglösungen wie Kaffeebechern, Brotbeuteln oder wiederverwendbaren Dosen viele Verpackungen eingespart werden. Also haben wir an den Käse- und Wursttheken, bei Backwaren, Heißgetränken und für trockenes ‚Schüttgut‘ (zum Beispiel Nudeln, Nüsse oder Müsli) geprüft, ob man sich die Waren in eigene Behältnisse abfüllen (lassen) oder nur vorverpackt kaufen kann. Gab es in Filialen keine entsprechenden Theken oder durfte man dort keine Behälter mitbringen, gab es im Test auch keine Punkte.
Das Ergebnis: außer im Biohandel ist das Mitbringen eigener Mehrwegbehältnisse oft nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. Abseits der Biomärkte konnten in vielen Testfilialen lediglich Backwaren ohne Vorverpackung bzw. nur vereinzelt Kaffee oder Fleischwaren und Käse an der Theke im eigenen Behältnis erworben werden.

Auch flüssige Handseife und Geschirrspülmittel, die es in fast jedem Haushalt gibt, lassen sich unverpackt verkaufen: mit Mehrwegbehältnissen zum Abzapfen an Abfüllstationen oder in Mehrwegflaschen, die im Markt zurückgegeben werden können. Wenn kein Mehrweg angeboten wird, dann sollten Nachfüllbeutel der Standard sein, um dickwandige Plastikspender zu vermeiden. Und: nach ihrem Lebensende sollten Seifen- oder Spülmittelverpackungen möglichst leicht zu recyceln sein. Ein häufiges Problem sind jedoch großflächig aufgebrachte Etiketten, die wie eine Art Schrumpfschlauch um die Flaschen gelegt werden (Full-Sleeves). Nach diesen vier Kriterien wurde bewertet.
Das Ergebnis: die Handelsketten schneiden im Test alle ähnlich schlecht ab. Es konnten weder für Handseife noch für Geschirrspülmittel Abfüllstationen oder Mehrwegprodukte vorgefunden werden. Lediglich bei der Anzahl an Nachfüllpackungen bzw. den für das Recycling hinderlichen Full-Sleeve-Etiketten gab es minimale Unterschiede.

Greenwashing-Taktiken: Häufige Strategien, um das eigene Engagement zu überhöhen
Supermärkte, Discounter und Bioläden stellen Vermeidung und umweltfreundliche Verpackungen zunehmend in den Fokus ihrer Kommunikationsaktivitäten. Neben einem inflationären Einsatz von Siegeln werden vielversprechende Aussagen getätigt: „Verantwortlicher Verpackt“ (LIDL), „Natürlich unverpackt“ (REWE), weniger Verpackungen, weniger CO2“ (Bio Company). Wir haben Unternehmensaussagen zu Verpackungen ausgewertet und den Unternehmen selbst die Möglichkeit gegeben, sich im Rahmen einer Umfrage zu äußern. Aus der Gesamtheit der Aussagen konnten wir wiederkehrende (Argumentations-)Muster herausarbeiten, die vermeintlich umweltfreundliches Verpacken belegen sollen, nach unserer Einschätzung jedoch von echter Ressourcenschonung und Abfallvermeidung weit entfernt sind.
Das sind die häufigsten Greenwashing-Taktiken:
Recycling statt Abfallvermeidung und Mehrweg
Der beste Abfall ist der, der gar nicht erst entsteht – deshalb sollte die Vermeidung von Verpackungen oberstes Ziel sein. Dies kann durch das Weglassen unnötiger Verpackungen oder durch das Angebot von Mehrwegalternativen erreicht werden. Leider blenden viele Anbieter den Bereich Mehrweg ganz oder großteils aus. Stattdessen werden umso mehr Aussagen zur Recyclingfähigkeit von Verpackungen und zum Rezyklateinsatz getätigt. Besonders stark wird auf die Recyclingfähigkeit fokussiert. Diese ist zwar wichtig, damit das Material alter Verpackungen Neumaterial ersetzen kann, reicht jedoch nicht aus, um Abfallberge kleiner werden zu lassen. Auch recyclingfähige Verpackungen können überdimensioniert, ressourcenvergeudend und verzichtbar sein.
Umweltschutz - aber nur in kleinen Dosen
Wir müssen kurzfristig und spürbar die Verpackungsmengen reduzieren und eingesetzte Materialien im Recyclingkreislauf fahren. Viele der von uns untersuchten Verpackungsversprechen werden diesen Notwendigkeiten nicht gerecht, sind ambitionslos oder werden in eine ferne Zukunft hinein versprochen. Vor allem, wenn Aktivitäten in einem Zeithorizont von drei, fünf oder gar mehr Jahren erreicht werden sollen, wird eine zeitnahe Zielüberprüfung ausgehebelt. Mit Verweis auf diese langfristigen Ziele behaupten einige Unternehmen, sich auf dem richtigen Weg zu befinden und Verpackungsprobleme anzupacken, was mangels gesetzter Zwischenziele zumeist nicht nachprüfbar ist.
Kunststoff im Fokus
Supermärkte und Discounter stellen Plastik oft in den Mittelpunkt ihrer Kommunikationsmaßnahmen. Plastik zu vermeiden, insbesondere, indem man es einfach durch anderes Material ersetzt, ist allerdings auch keine umweltfreundliche Lösung.
Anders als ihr guter Ruf sind Pappverpackungen oder biobasierte Kunststoffe gesamtökologisch betrachtet nicht grundsätzlich ökologischer als herkömmlicher Kunststoff. Ob Papier, Glas oder Bio-Plastik aus Zuckerrohr oder Mais – alle brauchen in der Herstellung Rohstoffe und Energie. Papier und Pappe werden für Lebensmittel meist aus Frischfasern hergestellt. Da sie nicht wasser- oder fettabweisend sind, wird oft mit Kunststoffbeschichtungen oder Verbundmaterialien gearbeitet – was das Recycling erschweren kann. Besser sind mehrfach nutzbare Verpackungen oder gänzlich unverpackte Produkte.
Maximal bedeutungslos
An vielen Stellen versuchen Unternehmen, ihre Verpackungsstrategien durch uneindeutige Beschreibungen besser klingen zu lassen, als sie tatsächlich sind. Oft wird mit einer nicht weiter spezifizierten Verbesserung argumentiert oder Begrifflichkeiten, die nachhaltig oder umweltfreundlich klingen, eingesetzt. Das Problem – oft handelt es sich um unbestimmte Begriffe, die unterschiedlich ausgelegt werden können.
Umweltfreundliche Verpackungen nur für Teile des Sortiments
Oft beschränken sich Verpackungsziele auf bestimmte Produktgruppen oder Materialien. Mit der beschriebenen Taktik werden nach unserer Einschätzung Unternehmensziele künstlich aufgeblasen und Verbraucherinnen und Verbrauchern ein größeres Engagement vorgegaukelt, als es tatsächlich gegeben ist.
Eine häufig zu beobachtende Einschränkung: Ziele und Vorgaben beziehen sich lediglich auf die ‚Eigenmarken‘ der Anbieter. Je nach Sortiment werden so von vorneherein viele Artikel ausgenommen. Einzelhändler argumentieren, keinen ausreichenden Einfluss auf Markenartikler zu haben, obwohl im Rahmen von Preisverhandlungen mitunter ganze Produktserien von Markenartiklern ausgelistet werden.
Symbolpolitik
Eine von uns häufig beobachtete Strategie im Verpackungsbereich ist die Aufzählung von Einzelbeispielen, bei denen Verpackungen verbessert oder vermieden wurden. Zwar können Einzelbeispiele bei der Illustration komplexer Zusammenhänge hilfreich sein. Wenn sich ein sinnvoller Umgang mit Verpackungen aber auf Einzelmaßnahmen beschränkt, die in der Öffentlichkeitsarbeit groß aufgeblasen werden, dient das unserer Meinung nach eher dazu, über fehlende Aktivitäten in der Breite hinwegzutäuschen. Häufig wird etwa das Weglassen der Folie bei Salatgurken intensiv beworben, während andere Obst und- Gemüsesorten größtenteils weiter verpackt verkauft werden.
Zu Verpackungen formulierte Ziele und Maßnahmen erscheinen uns wenig bis gar nicht überzeugend. Häufig sind diese unkonkret, werden ohne Zwischenziele in eine weit entfernte Zukunft hineinversprochen, es werden falsche Prioritäten gesetzt, das Handeln auf Eigenmarken beschränkt oder Einzelmaßnahmen groß aufgebauscht. Versprechen allein werden die jährlich immer neuen Rekordwerte an Verpackungsmüll aber weder stoppen, noch umkehren.
Gesetzliche Regelungen statt freiwilliger Handelsversprechen
Es darf nicht sein, dass ressourcensparend und klimafreundlich verpackte Produkte sich auf wenige Biosupermärkte beschränken. Klima- und Ressourcenschutz müssen in der Breite umgesetzt werden. Unter der letzten Bundesregierung setzte die ehemalige Umweltministerin Svenja Schulze mit dem ‚Runden Tisch Verpackungsmüll‘ auf freiwillige Maßnahmen des Handels. Außer seiner Einberufung im Jahr 2019 hatte der Runde Tisch jedoch keine substanziellen Erfolgsmeldungen zu verkünden.
Die neue Umweltministerin Steffi Lemke darf diese Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Es müssen konkrete Maßnahmen ergriffen und gesetzliche Regelungen geschaffen werden, die endlich die dringend nötige Verpackungswende einleiten. Wir können uns aus Ressourcen- und Klimaschutzgründen weiter ansteigende Verpackungsmengen nicht länger leisten. Damit wir von unseren Verpackungsbergen herunterkommen, müssen die folgenden Maßnahmen schnellstmöglich umgesetzt werden:
- Festlegung eines Ziels zur Halbierung des Verpackungsmülls bis 2025
- Verbot dünner Plastiktüten
- Umsetzung der Mehrwegquote für Getränkeverpackungen von 70% und Einführung einer Einweg-Abgabe
- So wie in Österreich sollte eine Mehrwegquote für Milch und Joghurtverpackungen verbindlich festgelegt werden.
- Die Möglichkeit, mitgebrachte Behältnisse im Selbstbedienungsbereich oder an Frischetheken befüllen zu können, sollte verbindlich festgelegt werden
- Umlage der Plastiksteuer auf verursachende Unternehmen
- Einführung einer Primärressourcensteuer, die für alle Verpackungsmaterialien gleichermaßen gilt. Denn eine alleinige Steuer auf Kunststoffverpackungen kann zu Ausweicheffekten auf Verpackungen aus anderen Materialien, wie zum Beispiel Papier oder Metall, führen
- Ökologische Ausgestaltung der Lizenzentgelte
Petition

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Weiterführende Links
Kontakt

Thomas Fischer
Leiter Kreislaufwirtschaft
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Laura Geßner
Referentin Kreislaufwirtschaft
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Mit allerlei Tricks versuchen viele Lebensmitteleinzelhändler, sich als Umwelt- und Klimaschützer zu inszenieren. Die Wahrheit am Verkaufsregal ist jedoch zumeist eine andere. Abfallvermeidung und Mehrweg müssen deshalb gesetzlich verpflichtend gemacht werden.Barbara Metz, stellvertretende DUH-Bundesgeschäftsführerin