Die Tideelbe von Hamburg bis zur Mündung
Die Untere Elbe beginnt an der Staustufe Geesthacht. Hier, an der einzigen Wehranlage der Elbe auf deutschem Gebiet, wird der Fluss 4 m über NN angestaut und damit dem Einfluss der Tide (Ebbe und Flut in der Nordsee) eine künstliche Grenze gesetzt.
Die restliche Fliessstrecke bis zur Nordsee bei Cuxhaven/Kugelbake, die auch als Tideelbe bezeichnet wird, beträgt 142 km. Auf dem Weg dorthin teilt sich der Fluss in Hamburg in Norder- und Süderelbe. Diese beiden Elbearme umschließen den größten Teil des Hafengebietes sowie die auf Inseln entstandenen Stadtteile Wilhelmsburg und Veddel und vereinigen sich wieder nach etwa 15 km beim Köhlbrand.
Die Elbe hat ihr Ziel erreicht
Unterhalb der Stromspaltung wird das Flusstal etwa 1.500 m breit. Ursache ist dafür das fehlende Gefälle. So entsteht ein Mündungsschlauch (Ästuar), der rund 100 km landeinwärts bis nach Hamburg reicht. Das hafentechnisch ausgebaute Stromspaltungsgebiet ist ein sogenanntes Binnendelta. Hier teilte sich der Fluss früher im Gezeitenstau zwischen unzähligen Inseln und Sänden vielarmig auf, um sich dann aber im breiten Mündungsschlauch wieder zu sammeln und der Nordsee zu zufließen. Bis auf wenige Abschnitte in Hamburg, wo der Geesthang das nördliche Flussufer bildet, wird die Elbe auf beiden Seiten von weiten, fruchtbaren Marschen begleitet, die das Landschaftsbild prägen.
Der ungewöhnliche weit ins Binnenland reichende Einfluss der Tide hat im Tal der Unteren Elbe ganz besondere Lebensbedingungen entstehen lassen. Etwa alle 6 Stunden kehrt sich die Wasserströmung um. Das rhythmische Auf- und Abfließen führt dazu, dass derselbe Wasserkörper auf seinem Weg zur See mehrmals denselben Flussabschnitt passiert und daher wesentlich langsamer vorankommt als oberhalb der Tidegrenze. Für die 110 km lange Strecke von Schnackenburg bis Geesthacht braucht er - je nach Wasserführung in der Elbe - etwa 1 bis 2,5 Tage. Für die gleiche Strecke von Geesthacht bis zur Nordsee dagegen 4 bis 70 Tage. Entsprechend lange verbleiben Gewässerverschmutzungen im Fluß mit negativen Einwirkungen auf die Lebewelt im Wasser.
Durch den Einfluss von Ebbe und Flut der Nordsee auf den Abfluss des Wassers der Elbe haben sich spezielle Lebensräume herausgebildet. Im Mündungsbereich der Elbe, etwa von Glückstadt bis Cuxhaven, mischen sich Salz- und Süßwasser; dadurch entsteht die Brackwasserzone. Während im direkten Mündungsbereich der Elbe Salzwasserwatten sind, befinden sich oberhalb von Glückstadt Süßwasserwatten, die weltweit sehr selten sind. Das größte Süsswasserwatt Europas, das Fährmannsander Watt, befindet sich unterhalb von Wedel.
Bei Ebbe fallen regelmäßig große Uferpartien trocken, sie sind dann als Wattflächen ungeschützt den Einwirkungen von Sonne, Wind und Regen ausgesetzt. Alle dort im und auf dem Grund lebenden Organismen (Benthos) müssen sich also mit den Unbilden des Wetters, das heißt mit Sonnenhitze und prasselndem Regen im Sommer oder mit Frost, Eisgang und Schneefall im Winter arrangieren. Hinzu kommen gewaltige Sedimentumlagerungen bei Sturmfluten und starkem Wellengang. Die extrem dichte Besiedlung solcher weltweit sehr seltenen Süßwasserwatten zeigt aber, dass die Natur die dort lebenden Arten mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet hat. Sie hat Spezialisten und Überlebenskünstler hervorgebracht, die allerdings vollständig auf diesen Lebensraum angewiesen sind. Jede Zerstörung dieser Süßwasserwatten ist deshalb gleichbedeutend mit der Vernichtung ihrer Bewohner.