Mobilität: In Zukunft anders
Den vollständigen Artikel, erschienen in der DUHwelt 1/19, finden Sie am Ende der Seite.
Grün soll sie sein und ruhig. Der Verkehr morgens, mittags, abends geschmeidig dahin fließen, ohne Abgase. Am besten auch noch leise, in Bussen und Bahnen auf und an Schienen, in wenigen Autos mit mehr als nur einer Person. Breite Radwege neben noch breiteren Fußwegen. So könnte sie aussehen – die Stadt, in der wir in Zukunft leben. Doch wie lässt sie sich realisieren?
Feststeht, dass die Mobilität der Zukunft in der Gegenwart entschieden wird. Und dass diese Entscheidungen schon heute Auswirkungen auf uns alle haben.
Weniger Autos, mehr Raum
Nicht nur in Stuttgart, München oder Düsseldorf herrscht schlechte Luft. Auch dort, wo keine Messstellen die mangelnde Luftqualität bestätigen, spüren Menschen, dass Autoabgase und Verkehrslärm ihnen nicht guttun. Die aktuelle Debatte um Verkehrsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge zeugt davon, dass trotz längst bekannter Probleme zu lange weggeschaut wurde. Auch die vor Jahren beschlossenen Klimaschutzziele erfordern ein Umdenken in Sachen Verkehr. Und die Zeit drängt: Was wir uns für das Jahr 2020 an CO2-Einsparung vorgenommen haben, droht zu scheitern. Und die Verpflichtungen für 2030? Kaum ist das Klimaschutzgesetz im Entwurf vorgestellt, wird Widerstand laut von denen, die die verbindlichen Programme und Abkommen unterzeichnet und sich dafür einst haben feiern lassen.
Hierzulande wehen die Abgase der Vergangenheit durch die Straßen
Seit fast zehn Jahren verspricht uns die Automobilindustrie eine Wende hin zu sparsamen, sauberen und vor allem elektrischen Antrieben. Was nun jedoch an elektrischen Antrieben kommt, ist eher von der Angst geprägt, endgültig den Anschluss zu verlieren, denn Hersteller auf anderen Kontinenten sind längst weiter. In China und den USA etwa setzt die dortige Politik klare Vorgaben. Statt nachzuziehen, werden hierzulande Spritschlucker und SUVs fleißig subventioniert und schmutzige Diesel belasten unsere Innenstädte mit giftigen Abgasen. Auf Reparaturleistungen manipulierter Diesel auf Kosten der Hersteller warten Millionen Menschen bis heute vergeblich.
Auch klafft zwischen dem, was Autos im realen Betrieb verbrauchen und dem, was die Hersteller offiziell angeben, eine Lücke von inzwischen knapp 40 Prozent. All das dank einer Regierung, die ihre schützende Hand behutsam über eine so einflussreiche Industrie legt und effektive Kontrollen sowie die Veröffentlichung von Ergebnissen verweigert.
Elektrifizierung der Schiene bleibt auf der Strecke
Doch nicht einmal dort, wo Elektromobilität schon seit Jahren existiert, gehen wir entschlossen voran: Während in der Schweiz 99,7 Prozent der Schienenstrecken elektrifiziert sind und damit der komplette bahngebundene Personen- und Güterverkehr zukunftsgerecht erfolgt, sind es in Deutschland gerade einmal 59 Prozent. Die Folge: Diesellokomotiven und Triebwagen ohne wirksame Abgasreinigung verpesten die Luft in den Bahnhöfen von Städten wie Köln, Frankfurt sowie in den angrenzenden Stadtbezirken. Deutschland liegt – was den Grad der Streckenelektrifizierung angeht – sogar noch hinter Polen und Spanien.
Wurden 1995 noch 410 Kilometer pro Jahr elektrifiziert, waren es 2018 nur noch 64 Kilometer. Bei dieser Geschwindigkeit wird es bis zum Jahr 2300 dauern, bis wir auf der Schiene die Verkehrswende hin zur Elektromobilität geschafft haben. Die derzeit in Pilotvorhaben getesteten Wasserstoffantriebe auf der Schiene sind da keine Alternative: Nach dem Auslaufen von Fördermaßnahmen wird sich die teure Technologie kaum weiter behaupten können, angesichts der knapp bemessenen Budgets für Nahverkehrsleistungen – und ein Zuwachs der Mittel wäre sicher besser in den Ausbau der Infrastruktur und die Ausweitung des Angebots investiert. Für alle Fahrzeuge und Antriebe gilt: Die Effizienz muss deutlich gesteigert werden, damit wir CO2-Emissionen und Energiebedarf verlässlich und deutlich senken können. Wenn der Umstieg von fossilen Kraftstoffen auf erneuerbare Energien gelingen soll, muss sichergestellt werden, dass diese so effizient wie möglich zum Einsatz kommen, denn sie stehen nur in begrenztem Maße zur Verfügung.
Saubere Luft auch fürs Klima
Während gegenwärtig vorrangig der Aspekt der Luftreinhaltung die Diskussion um ein verändertes Mobilitätsverhalten in Städten vorantreibt, ist dies auch vor dem Hintergrund der Klimapolitik entscheidend. Denn wenn wir uns nicht längst schon von unseren Klimaschutzzielen verabschiedet haben, brauchen wir Maßnahmen, die eine Lösung nicht nur in ferner Zukunft verheißen, sondern bereits kurzfristig Klimagase einsparen – in einem Sektor, dessen CO2-Emissionen derzeit wachsen statt zu sinken. Zu solchen Maßnahmen zählt nicht nur das viel diskutierte Tempolimit auf deutschen Autobahnen und Landstraßen, sondern auch der Abbau klimaschädlicher Subventionen – durch eine Änderung der Dienstwagenbesteuerung, eine Anpassung der Energiebesteuerung für Kraftstoffe, eine Änderung der Pendlerpauschale.
Parallel dazu müssen Alternativen her, denn mobil bleiben, das ist eine der zentralen Anforderungen in unserer Gesellschaft. Der Ausbau von Angeboten im öffentlichen Nahverkehr ist daher unabdingbar. Hier muss deutlich investiert werden, um den Umstieg attraktiv zu machen – einsteigen und losfahren statt viel Wartezeit an Bahnhöfen zu vergeuden. Die DUH fordert die Einführung eines Blauen Tickets: Für einen Euro am Tag könnte damit der gesamte bundesweite Nahverkehr genutzt werden. Konzepte zur Umsetzung gibt es etwa in Österreich. In Wien war die Einführung eines solchen Tickets so erfolgreich, dass mittlerweile 39 Prozent der Wege in öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden. Und auch in deutschen Städten ist das Ticket Thema, etwa in Wiesbaden oder Augsburg. Warum also nicht eine Lösung für das ganze Land anstreben? Keine Frage, zur Umsetzung brauchen wir ein verändertes Finanzierungsmodell und dieses muss mit einer entsprechenden Ausweitung des Angebots Hand in Hand gehen.
Sicher mit dem Rad unterwegs
Als klimafreundliche und gesunde Alternative gehört auch der Radverkehr in die Stadt der Zukunft. Nach dem erfolgreichen Berliner Radentscheid, dessen zentrale Forderungen Mitte 2018 Eingang ins Berliner Mobilitätsgesetz fanden, regen sich vielerorts in Deutschland vergleichbare Initiativen. Ihr Ziel: Sichere Fahrradwege in ausreichender Zahl, eine verbesserte Infrastruktur auch für den ruhenden Radverkehr und der Ausbau von Radschnellwegen. All das, um den Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehr deutlich zu erhöhen.
Aktivitäten finden sich in Städten wie Hamburg, Bamberg, Darmstadt oder Frankfurt am Main, aber auch erstmals eine Initiative, die gleich für das gesamte Bundesland Nordrhein-Westfalen den Wechsel aufs Rad anstoßen will. Dies führt nicht nur in einzelnen Städten zu mehr Aufmerksamkeit und vor allem mehr Budget in den Behörden, sondern auch zu verstärkten Diskussionen unter Bewohnerinnen und Bewohnern über die Frage, wie Mobilität in ihren Städten künftig aussehen soll. Doch nach wie vor sind Radentscheide und Volksinitiativen abhängig vom großen Engagement meist ehrenamtlich tätiger Menschen. Es wird höchste Zeit, dass sich dieses Engagement auch auf die Verwaltungsebenen ausbreitet.
Ein fertiges Konzept für eine Verkehrswende gibt es sicher so wenig wie die eine zentrale Maßnahme, die alle Probleme mit einem Schlag lösen wird. Es bedarf eines ganzen Bündels an Maßnahmen, die hier und dort bereits diskutiert werden. Auf diesem Weg sollten wir weitergehen und damit unsere Mobilität selbst gestalten, statt ein so wertvolles Gut – den öffentlichen Raum – großen Automobilkonzernen zu überlassen.