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Pressemitteilung

Feuer frei zur Jagd auf Wildgänse aus der Tundra

<em>Berlin, Montag, 30.06.2008

Deutsche Umwelthilfe protestiert gegen Einführung von Jagdzeiten für arktische Bläss- und Saatgänse in Niedersachsen – Zugvögel aus dem Norden genießen in Deutschland immer weniger Gastrecht und geraten in das Visier der Jäger – Naturschutzexperte Frank Neuschulz: „Biodiversitätskonferenz war gestern, heute heißt es: Zugvögel zum Abschuss frei!“

Mit der Einführung von Jagdzeiten für nordische Wasservögel in Niedersachsen bestätigt die CDU/FDP-Koalition in Hannover erneut, dass sie Weltnaturschutzkonferenzen wie kürzlich in Bonn wenig interessieren, wenn zu Hause die Freunde der Jagd ein Anliegen haben. Am Beispiel der Abschusserlaubnis für Bläss-, Saat- und Graugänse, die hierzulande ihre Winterrastplätze aufsuchen, „dokumentieren die Provinzpolitiker in Hannover erneut ihre Ignoranz gegenüber allen Bekenntnissen zur internationalen Zusammenarbeit beim Schutz der biologischen Vielfalt“, sagte der Bun-desgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) Rainer Baake anlässlich des In-Kraft-Tretens der neuen Regelungen.

In Norddeutschland fänden nordische Wasservögel kaum mehr jagdfreie Rast- und Ruheplätze, vor allem auf die im Winter rastenden Bläss-, Saat- und Graugänse steige der Jagddruck permanent. Niedersachsen folge mit seiner Feuer-Frei-Politik den Ländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt, wo bereits lange Jagdzeiten gelten. Die neue Verordnung  zur Durchführung des Niedersächsischen Jagdgesetzes (DVO-NJagdG) des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung tritt zum 1. Juli unter ausdrücklichem Verweis auf die vor zwei Jahren verabschiedete Föderalismusreform in Kraft, die den Ländern Abweichungen von bundesrechtlichen Regelungen erlaubt.

„Wir brauchen in Deutschland nicht mehr, sondern weniger Jagd auf Zugvögel aus dem Norden“, sagte Baake. Die Tiere brauchten dringend großflächige und jagdfreie Ruhezonen. „Es kann doch nicht sein, dass wir zu Recht die Ballerei auf Singvögel in den Mittelmeerländern anprangern und dann im eigenen Land mit den Wasservögeln dieselbe Barbarei veranstalten.“ Baake forderte zum langfristigen Schutz der Zugvögel international und national einheitliche Regelungen. Dies sei bezüglich der Gänsejagd besonders dringlich. Statt kleinstaatlicher Eingriffe wie jetzt in Niedersachsen sei in Deutschland zumindest für Wasservögel ein bundeseinheitliches Schutzkonzept überfällig, das unter der Regie des zuständigen Bundeslandwirtschaftsministeriums und des Bundesumwelt-ministeriums entwickelt werden müsse.

Von der neuen Jagdfreigabe in Niedersachsen sind acht Vogelschutzgebiete ausgenommen. „Eine völlig unzureichende Einschränkung“, nennt das Frank Neuschulz, der Leiter Naturschutz der DUH. Von insgesamt 71 in Niedersachsen ausgewiesenen Vogel-schutzgebieten seien mindestens 16 als Rastgebiete für die Gänse wichtig, darunter vor allem die Seen Dümmer und Steinhuder Meer westlich von Hannover.

Die offizielle Begründung für die Jagdausweitung, wonach Gänsebestände und landwirtschaftliche Schäden gleichermaßen zunähmen, hält Neuschulz für an den Haaren herbeigezogen. Die Bestandserhöhung bei Bläss- und Saatgänsen seit den 1950er Jahren in Deutschland sei nach Überzeugung von Experten vor allem auf eine Verlagerung der Überwinterungsräume zurückzuführen. Während die zentraleuropäischen Winterbestände in Rumänien und am Kaspischen Meer zurückgingen, stiegen sie bei uns aufgrund milderer Winter und nährstoffreicher Nahrung in den Kulturlandschaften an. Mittlerweile hätten sich die Bestände auf dem erreichten Niveau stabilisiert, aktuelle Zählungen der Jungvögel wiesen sogar auf ständig abnehmende Bruterfolge hin. In der Folge seien in den nächsten Jahren eher schrumpfende Bestände zu erwarten.

Auch für die Eindämmung von Ertragsschäden auf landwirtschaftlichen Flächen durch Zugvögel sei die Jagdfreigabe ein völlig ungeeignetes und kontraproduktives Instrument. Neuschulz: „Bei flächendeckender Jagd werden die Vögel hin- und hergetrieben, sie verbrauchen mehr Energie, benötigen deshalb mehr Nahrung und suchen zur Nahrungsaufnahme statt Grünlandflächen im Nahbereich von Flüssen und Seen lieber großflächige Ackerflächen auf.“ Insgesamt bedeute die Jagd auf Gänse auch eine massive Störung der Überwinterungsräume aller Rastvogelarten (Enten, Schwäne, Wasserläufer etc). In der Regel würden wegen des Gebrauchs von Schrotmunition viel mehr Vögel verletzt als von den Jägern angegeben. Es bestehe zudem akute Verwechslungsgefahr zwischen der Blässgans und der kleineren, aber weltweit vom Aussterben bedrohten Zwerggans. Erste Vögel dieser Art, die in einem „Wiedereinbürgerungsversuch“ markiert freigelassen worden waren, fielen in Mecklenburg-Vorpommern der Jagd zum Opfer.

Neuschulz verwies darauf, dass Gänse und andere Wasservögel, ihre Brutbestände in der arktischen Tundra nur solange erhalten können, wie sie in den Überwinterungsräumen ausreichenden Schutz genießen, dort in Ruhe Nahrung zu sich nehmen und dann kräftig und gesund die Brutgebiete erreichen. „Die Zeiten, zu denen die Jagd auf Wasservögel hierzulande zur Ernährung beitrug, sind unwiederbringlich Geschichte. Heute erfreuen Wildgänse die Menschen als touristische Attraktion und beleben die regionale Wirtschaft – zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, wo die Jagd auf Bläss- und Saatgänse verboten ist“, schloss Neuschulz.  

Für Rückfragen:

Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin;
Mobil: 0151 55016943, Fax: 030 2400867-19, E-Mail:
baake@duh.de

Dr. Frank Neuschulz, Leiter Naturschutz, Gartenstr. 7, 29475 Gorleben, Mobil: 0160 8950556, Tel: 05882-477, Fax: 05882-220, E-Mail: neuschulz@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin;
Mobil: 0171 5660577, Fax: 030 2400867-19, E-Mail:
rosenkranz@duh.de

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