Pressemitteilung
Atomausstieg: Der Lackmustest steht noch aus
: Die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) hat die grundsätzliche Verständigung von Bund und Ländern auf einen möglichst zügigen Atomausstieg begrüßt und gleichzeitig davor gewarnt, die „von interessierter Seite forcierte unseriöse Kostendebatte als Handbremse gegen die Umsetzung einer umfassenden Energiewende einzusetzen“. Der seit der Jahrtausendwende bereits erfolgte dynamische Einstieg in das neue Energiesystem beruhe ganz überwiegend auf der Mobilisierung privater Investitionen vor allem im Mittelstand und nicht auf der Belastung der öffentlichen Etats. So müsse es im Grundsatz bleiben. Die Belastung der Stromverbraucher geschehe dabei bisher mit deren weit überwiegender Zustimmung.
„Die Unterstützung der Bevölkerung für die Energiewende ist auf Rekordwerte gewachsen, seit sich in Fukushima die verheerenden Risiken der Atomenergie erneut auf dramatische Weise realisiert haben. Die Menschen sind bereit, für den Ausstieg aus dem latenten Katastrophenrisiko moderat höhere Kosten zu tragen. Mittel- und langfristig wird ein regeneratives Energiesystem dem bestehenden in jeder Hinsicht überlegen sein“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. Vorrangig komme es darauf an, das bestehende Energiesystem auf allen Ebenen auf die Besonderheiten der Erneuerbaren Energien abzustimmen und bestehende Hemmnisse etwa im Planungsrecht abzubauen, um den Umbau des Energiesystems zu beschleunigen.
Für den Ausstieg aus der Atomenergie müssten vor dem Ende des Moratoriums klare Gesetze verabschiedet werden, die verhindern, dass die derzeit abgeschalteten Altmeiler wieder ans Netz gehen. Die Sicherheit der neueren, ebenfalls schon über 20 Jahre alten Atomkraftwerke müsse auf Basis des aktualisierten kerntechnischen Regelwerks und im Licht der Fukushima-Katastrophe neu bewertet werden. Ziel sei es auch diese Anlagen entlang ihrer relativen Sicherheit so zügig wie es die Versorgungssicherheit zulässt abzuschalten. Dies ist nach Auffassung der DUH bis spätestens 2017 definitiv möglich. „Wir nehmen das Einschwenken der Bundesregierung und der Ministerpräsidenten der Union auf die in der Bevölkerung seit Jahrzehnten mehrheitlich gewünschte Ausstiegslinie zur Kenntnis. Dass dafür eine Großkatastrophe in Japan geschehen musste, halten wir für ein massives Politikversagen. Vor allem aber gilt: Der Lackmustest steht noch aus, wir werden darauf achten, dass aus Absichtserklärungen reale Politik wird“, erklärte Baake.Zum Lackmustest gehöre auch, inwieweit die Bundesregierung die anstehende Novellierung des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) zur Beschleunigung der Energiewende nutze. Das Ausbauziel für 2020 müsse auf einen Anteil der Erneuerbaren an der Stromversorgung von 45 Prozent angehoben und die dafür erforderlichen Maßnahmen im EEG verankert werden. Ein wichtiger Bestandteil der Transformation des Energiesystems müsse die Anpassung des übrigen Kraftwerkparks sein. Benötigt würden zusätzliche flexible Gaskraftwerke, die immer dann einspringen, wenn Wind und Sonne weniger Strom liefern. Auf keinen Fall dürften neue, klimaschädliche Kohlekraftwerke gebaut werden, die technisch und betriebswirtschaftlich auf einen Dauerbetrieb ausgerichtet seien, erklärte der Leiter Erneuerbare Energien der DUH, Peter Ahmels. Auch das angebliche Hemmnis des Trassenbaus könne entschärft werden, wenn beim Windausbau an Land (Onshore), insbesondere in Süddeutschland, bisherige planungsrechtliche Hindernisse beseitigt würden. „Die vom Bundeswirtschaftsminister mantraartig geforderten 3.600 Kilometer neuer Übertragungsleitungen brauchen wir in diesem Umfang nicht, wenn der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Zukunft schwerpunktmäßig nahe den Verbrauchsschwerpunkten in Süddeutschland erfolgt“, sagte Ahmels. Darüber hinaus erinnerte er daran, dass Windenergie an Land nur halb so teuer sei wie auf hoher See.Ahmels rechnet damit, dass lokale Widerstände gegen die verbleibenden, notwendigen neuen Stromtrassen erheblich abflauen, wenn die Betroffenen frühzeitiger als bisher an den Planungen beteiligt würden. Sehr hilfreich wäre es demnach, wenn wie etwa in Dänemark, Hochspannungsleitungen bis 110 kV in aller Regel unter der Erde verlegt und bei Höchstspannungskabeln der 380 kV-Ebene generelle Mindestabstände von der Wohnbebauung eingehalten würden. „Schon vor Fukushima gab es in breiten Teilen der Bevölkerung eine wachsende Bereitschaft, neue Stromtrassen zuzulassen, sofern die Betroffenen frühzeitig an der Ausgestaltung und Optimierung der Planungen beteiligt würden. Diese Bereitschaft ist seit der Katastrophe in Japan weiter gewachsen“. Unter Leitung von Ahmels bemüht sich das DUH-Projekt „Forum Netzintegration Erneuerbare Energien“ (www.forum-netzintegration.de) bereits seit mehr als zwei Jahren um einen Interessenausgleich beim notwendigen Umbau der Strominfrastruktur.
Für Rückfragen:
Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer Deutsche Umwelthilfe, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Mobil: 015155016943, Tel.: 0302400867-0, E-Mail: baake@duh.de
Dr. Peter Ahmels, Leiter Erneuerbare Energien, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil: 015116225863; Tel.: 0302400867-91, E-Mail: ahmels@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik und Presse, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin;
Mobil: 01715660577, Tel.: 0302400867-0, E-Mail: rosenkranz@duh.de