Pflanzenbetonte Ernährung – darum ist sie so wichtig!
Der Fleischkonsum in Europa ist doppelt so hoch wie der weltweite Durchschnitt, und der Milchkonsum sogar dreimal so hoch. Das ist in vielerlei Hinsicht ein Problem!
78 Prozent der weltweiten landwirtschaftlichen Nutzfläche wird von der Tierhaltung beansprucht, wie das statistische Bundesamt angibt. Die fortschreitende Ausdehnung der Acker- und Weideflächen zerstört natürliche Lebensräume – mit fatalen Folgen: 70 Prozent des Verlustes an biologischer Vielfalt und 80 Prozent der Entwaldung werden auf die Landwirtschaft zurückgeführt (Xu 2021).
Die intensive Tierhaltung heizt massiv die Klimakrise an: 35 Prozent der menschengemachten Treibhausgas-Emissionen entstehen bei der Produktion von Lebensmitteln. Über die Hälfte der Emissionen aus der Lebensmittelproduktion weltweit werden durch tierische Lebensmittel verursacht, während der Anteil von pflanzlichen Lebensmittel gerade einmal bei 29 Prozent liegt (Xu 2021).
In Deutschland sieht es nicht viel besser aus: Im Jahr 2021 war die Landwirtschaft laut dem Umweltbundesamt für 7 Prozent der Treibhausgas-Emissionen des Landes verantwortlich. Dabei lassen sich rund 36 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente allein auf die direkte Tierhaltung zurückführen. Das entspricht 66 Prozent der landwirtschaftlichen Emissionen und knapp 5 Prozent der Gesamtemissionen Deutschlands!
Der naheliegende Schluss des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) bestätigt: Die Einhaltung der Pariser Klimaziele ist nur möglich, wenn die Tierzahlen in der Landwirtschaft sich halbieren!
Die negativen Auswirkungen der industriellen Tierhaltung und eines hohen Konsums tierischer Lebensmittel auf unsere Gesundheit sind vielfach nachgewiesen. Industrielle Massentierhaltung und hoher Fleischkonsum können laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung beispielsweise zu mehr Antibiotikaresistenzen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen sowie und das Risiko für Zoonosen und Pandemien steigen lassen. Verarbeitetes Fleisch wurde von der International Agency for Research on Cancer als „krebserregend“ eingestuft, Rotes Fleisch als „wahrscheinlich krebserregend“. Nicht nur dem Klima und der Umwelt, auch uns selbst tun wir mit einer ausgewogeneren und pflanzenbasierten Ernährung also etwas Gutes.
Nicht einmal ein Prozent aller Schweine, und nur sieben Prozent aller Rinder sowie 5 Prozent der Hühner in der EU leben in Bio-Haltung. Ein Großteil unserer Tierhaltung ist also industrielle Massentierhaltung auf engstem Raum. Ein Umbau der Tierhaltung, also weniger Tiere auf mehr Raum – vornehmlich auf Wiesen und Weiden –, setzt eine Reduktion unseres Konsums tierischer Produkte voraus (Schön/Böhringer 2023).
Die gute Nachricht: Über 80 Prozent der Menschen in Deutschland halten es bereits für sinnvoll, weniger Fleisch zu essen und sich pflanzenbetonter zu ernähren (BMEL Ernährungsreport 2022). Trotzdem werden jedoch immer noch deutlich zu viele Fleisch- und Milchprodukte konsumiert: Maximal 300 Gramm Fleisch pro Woche empfiehlt die Planetary-Health-Diet, um die Gesundheit der Menschen und der Erde gleichermaßen zu schützen. Der durchschnittliche Konsum in Deutschland liegt bei 1,2 Kilogramm pro Person in der Woche – also vier Mal so hoch. Woher kommt diese Diskrepanz?
Das persönliche Einkaufs- und Essverhalten wird maßgeblich von äußeren Faktoren geprägt. Geschickt platzierte Angebote und Werbung für Billigfleisch ebenso wie Speisepläne, auf denen prominent zahlreiche Fleischgerichte angepriesen werden, können zum Fleischkonsum verleiten – auch wenn man es sich vielleicht anders vorgenommen hat.
Wie Kantinen pflanzenbetonte Ernährung vereinfachen können
Rund 16 Millionen Mahlzeiten werden in Deutschland täglich in Küchen der Gemeinschaftsverpflegung serviert. Hier liegt also ein großer Hebel, gesündere und umweltfreundlichere Ernährungsumgebungen zu gestalten. Das geht beispielsweise, indem pflanzenbasierte Speisen prominent und gut erreichbar in der Auslage platziert, im Menüplan an die erste Stelle gesetzt oder durch gezielte Hinweise sowie Preisanreize unterstützt werden. Positive Erfahrungen mit diesen Gerichten beispielsweise in der Betriebskantine können auch ein Anstoß sein, das eigene Ess- und Kochverhalten im Alltag zu ändern.
Obwohl der Fleischkonsum in Deutschland konstant sinkt, werden in vielen öffentlichen Kantinen, insbesondere im Care-Sektor (Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen), immer noch zu wenig vegane und vegetarische Optionen angeboten. Deshalb ist beispielsweise in Portugal oder Frankreich mittlerweile mindestens eine pflanzliche Option pro Mahlzeit in öffentlichen Kantinen verpflichtend. Diese Regelung auch in Deutschland umzusetzen, würde einen wichtigen Beitrag für eine gesündere, nachhaltigere Ernährung leisten.
Wir haben deshalb eine Petition gestartet und fordern das verpflichtende Angebot einer vegetarischen und veganen Option pro Mahlzeit in allen öffentlichen und staatlich subventionierten Kantinen.
Weitere Forderungen
- Verpflichtende Umsetzung der Planetary Health Diet in den Speiseplänen aller öffentlich geförderten Kantinen
-
Umfassendes Förder- und Beratungsprogramm, um die Umsetzung nachhaltiger Ernährungsumgebungen in der Gemeinschaftsverpflegung zu unterstützen
- Erhöhung des Anteils regionaler und ökologischer Erzeugnisse in der Gemeinschaftsverpflegung bis 2030 auf 30 Prozent
- Abschaffung der Mehrwertsteuer für unverarbeitetes Obst und Gemüse
- Mehrwertsteuerreduktion für konventionelle tierische Produkte (19 statt 7 Prozent) rückgängig machen
- Fleischpreise, die die hohen Umweltkosten durch industrielle Massentierhaltung abbilden
- Verbot preisbasierter Werbung für Fleisch
Die Planetary Health Diet (PHD) ist ein Speiseplan, der es ermöglicht, dass sich die 10 Milliarden Menschen, die 2050 auf der Erde leben werden, gesund ernähren können, ohne dabei die planetaren Belastungsgrenzen zu überschreiten. Das Konzept wurde von einem internationalen Team von Wissenschaftler*innen der EAT-Lancet-Kommission, entwickelt. Der vorgeschlagene Speiseplan besteht zur Hälfte aus Obst und Gemüse, enthält aber auch tierische Produkte und ist somit perfekt für Flexitarier*innen. Im Vergleich zu den aktuellen Ernährungsgewohnheiten müsste der Konsum von Obst und Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen ungefähr verdoppelt, der Verzehr von Fleisch und Zucker dagegen halbiert werden.
Die PHD kann außerdem regionale Lieferketten stärken. Neuen Studien zufolge könnte beispielsweise Hessen sich vollständig selbst ernähren, wenn sich alle Menschen dort nach der PHD ernähren würden. Dafür müsste insbesondere der Konsum tierischer Produkte verringert werden: Momentan könnte die Region nicht einmal den derzeitigen Tierbestand aus sich heraus ernähren, geschweige denn die Menschen dort.
Immer weniger Menschen essen noch jeden Tag Fleisch. Gleichzeitig ist vielen der Schritt zu einer rein vegetarischen oder veganen Ernährung (noch) zu groß. Der Mittelweg liegt in der pflanzenbetonten – oder flexitarischen – Ernährung. Pflanzenbetont bedeutet, den Konsum tierischer Produkte bewusst zu reduzieren. Auch der Ernährungsreport 2023 zeigt: Die Zukunft ist flexitarisch.
Nein. Wir glauben, dass geschlossene Nährstoffkreisläufe in der Landwirtschaft Tierhaltung brauchen. Beweidung ist außerdem ein wichtiges Instrument des Naturschutzes, beispielsweise um artenreiche Magerwiesen vor der Verbuschung zu schützen oder Auen zu erhalten. Was wir aber brauchen, sind weniger Tiere, die auf mehr Platz gehalten werden. Zentral dabei ist die Flächenbindung: Betriebe sollten nur so viele Tiere halten, wie sie einerseits mit ihren eigenen Flächen ernähren können, und auf denen sie andererseits den anfallenden Mist und die Gülle ausbringen können. Dabei ist es wichtig, dass Landwirt*innen bei dem Umbau unterstützt werden und für ihre Produkte Preise bekommen, die ihnen auch mit weniger Tieren eine Existenz sichern.
Kontakt
Reinhild Benning
Senior Beraterin für Agrarpolitik
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Leonie Netter
Fachreferentin Landwirtschaft & Ernährung
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