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Fast wie ein Drache

Freitag, 02.07.2021

Trotz seiner farbenprächtigen Rückenflosse erfreut sich der Gestreifte Leierfisch, auch Goldgrundel genannt, keines hohen Bekanntheitsgrades. Nach der Paarung ereilt ihn das gleiche Schicksal wie das einer Drohne.

© Hans Hillewaert / Wikimedia Commons CC0 BY-SA 4.0

Vierzig Meter unter dem Meer in der Deutschen Bucht beträgt die Sicht nur wenige Zentimeter. Das Wasser ist gesättigt mit feinsten Schwebstoffen, die die großen Ströme wie Elbe und Weser seit Jahrtausenden in die Nordsee spülen. Der Grund des Meeres ist daher ebenmäßig mit schlickigem Sediment bedeckt. Auf den ersten Blick ein karger Lebensraum. Dennoch würde es auch hier vor Leben wimmeln, wenn man es ließe.

Ein metallisches, rhythmisches Brummen ist erst leise, wird dann immer lauter. Es nähert sich ein Fischkutter mit Grundschleppnetzen, der es auf Plattfische abgesehen hat. Eine Flunder, dann eine Seezunge, dann ein unförmiges, merkwürdig buntes Lebewesen werden aus ihrem sandigen Versteck im Boden aufgescheucht und gehen ins Netz. An Bord wird deutlich, dass neben ein paar Schollen, Seezungen und Flundern überwiegend Krebse, Krabben und unbekannte Fische gefangen wurden, die als Beifang meist halb- oder schon tot gleich wieder über Bord gehen.

Unbekannt und doch nicht selten

Zum Beifang zählt auch dieses bunte Wesen: Knapp so lang wie ein Unterarm, dabei schlank, aber mit übermäßig großem, dreieckigem Kopf, Glupschaugen und in der Hauptfarbe schlickbraun wie der Untergrund der Nordsee. Insgesamt hat das Tier etwas Reptilartiges, fast wie ein Drache − nur die Schuppen fehlen. Schaut man genauer hin, erkennt man feine türkise Linien an dem merkwürdigen Fisch. Und was ist das? Eine Rückenflosse ist plötzlich lang und spitz ausgezogen, wie eine Signalfahne. Dahinter stellt sich eine zweite, breitere Rückenflosse auf, die so bunt ist, dass sein Träger nun in jedem tropischen Korallenriff eine gute Figur machen würde: Es ist der Gestreifte Leierfisch. Dieses Exemplar hat Glück gehabt und den Besuch an der frischen Luft überlebt. Gestreifte Leierfische sind völlig unbekannt und doch nicht selten. Sie sind wirtschaftlich unbedeutend, allerdings nicht, weil man sie nicht essen könnte, sondern weil sie zu klein sind, als dass sich der Fang lohnen würde.

Tödliche Paarung

Der Gestreifte Leierfisch lebt nahe der Küsten in der Nordsee bis hinunter ins Mittelmeer. Dabei bevorzugt er Wassertiefen bis 40 Meter wie die flache Deutsche Bucht. In tieferen Regionen wird der Gestreifte vom Gefleckten Leierfisch, Callionymus maculatus, abgelöst, der tieferliegende Meeresregionen bewohnt als sein naher Verwandter. Der Leierfisch nutzt seine ausgeprägten Brustflossen zum Abstützen auf dem Meeresboden und lebt als strikter Einzelgänger − Rivalen werden vertrieben. Die Männchen versuchen durch ihr buntes Äußeres und durch ein ausgeprägtes, aber noch nicht genauer erforschtes Balzverhalten, die Damen der Art von sich zu überzeugen. Wie eine Turteltaube umgarnt das Männchen das Weibchen, schwimmt blitzschnell mal hierhin und mal dorthin und zeigt seine bunten Flossen und Seiten. Im Moment der Paarung schwimmen beide Bauch an Bauch nach oben und die Eier werden befruchtet. Der Leierfischnachwuchs wird nach der Befruchtung seinem Schicksal überlassen, was etwas verwundert, da die meisten anderen territorialen Bodenfische ihre Brut bewachen − Fischeier sind bekanntermaßen ein ozeanischer Leckerbissen. Für das Männchen war es das: Es stirbt nach der Paarung. Sein erstes ist also auch immer sein letztes Mal.

Dornen gegen Fressfeinde

Die Gestreiften Leierfische ernähren sich von kleinen Krebstieren wie der Nordseegarnele, von Borstenwürmern und Jungfischen. Doch der Leierfisch selbst ist auch beliebte Beute bei größeren Fischen wie dem Katzenhai oder dem Kabeljau. Um seinen Fressfeinden das Mahl zu verderben, lässt er sich vier spitze Flossenstrahlen am Bauch wachsen. Ist diese Taktik erfolgreich und kommt vorher kein Fischkutter in die Quere, können Leierfische durchaus sieben Jahre alt werden.

Steckbrief: Gestreifter Leierfisch (Callionymus lyra)

Verwandtschaft:
Gehört zur großen Familie der Leierfische
mit 20 Gattungen und über 190 Arten.

Lebensraum und Verbreitung:
Bodenbewohnende, kleine Meeresfische, die meisten Arten leben in tropischen und subtropischen Gewässern.

Nahrung:
Vorwiegend Kleinstlebewesen, die sie vom Sandboden aufsammeln.

Aussehen:
Die Männchen sind bis zu 30, die Weibchen bis zu 25 Zentimeter lang. Der Körper ist schlank und sandfarben, mit großem, dreieckigem Kopf, großen Augen und vorstehendem Unterkiefer. Die erwachsenen Männchen sind sehr farbenfroh.

Gefährdung:
Der Gestreifte Leierfisch ist nicht gefährdet und nimmt in seiner Verbreitung aktuell eher zu. In der Nordsee leidet er wie alle bodengebundenen Fische unter der starken Befischung mit Grundschleppnetzen, die die Bodenstrukturen regelmäßig stören oder zerstören. Häufig unerwünschter Beifang der Plattfisch-Fischerei.

Dieser Artikel erschien in DUHwelt 2/2021

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