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„Die Pandemie ist kein Zufall – die von Menschen verursachte Zerstörung von Ökosystemen ist eine Hauptursache für COVID-19“

Montag, 06.04.2020

Längst wissen wir, dass Regenwälder wichtig fürs Weltklima sind. Regenwald-Erhalt wird nun auch als Schutz vor neuartigen Krankheitserregern genannt. Dazu befragen wir Ulrich Stöcker, Leiter Naturschutz bei der Deutschen Umwelthilfe.

© Steffen Holzmann
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Welchen Zusammenhang gibt es zwischen dem Corona-Virus und dem Naturschutz?

Die Pandemie ist nur ein Symptom für das eigentliche Problem: die zerbrochene Beziehung zwischen Mensch und Natur. COVID-19 ist aus einem völlig legalen „feuchten“ Wildtiermarkt in China hervorgegangen. So genannt, weil Tiere vor Ort geschlachtet werden. Wenn Sie noch nie auf einem solchen Markt waren – ich kann es nicht empfehlen, denn es ist schrecklich: Tiere aller Art – Affen, Schuppentiere, Fledermäuse, Hühner, Zibetkatzen, Schildkröten, Schlangen, Frösche, was auch immer –, die in übereinander gestapelte Käfige gestopft sind, Angst ausstrahlen und sich entleeren. Sie werden dann zu einem Schlachtplatz auf dem gleichen Markt gebracht; die Böden laufen voller Blut.

Diese feuchten Märkte werden von einer massiven, legalen, schlecht regulierten Industrie der kommerziellen Wildtierzucht in China und Südostasien versorgt, die alles anbietet und verkauft, was läuft, krabbelt, springt, schwimmt oder fliegt. Dazu dringt der Mensch immer weiter in unberührte Natur vor. Dies zerstört die Natur, die unsere Lebensgrundlagen gewährleistet, und schafft ideale Möglichkeiten für von Tieren übertragene Viren: Sie springen von den schwindenden Wildtierpopulationen zu einem sehr reichlich vorhandenen und leicht verfügbaren neuen Wirt – dem Mensch. Die von Menschen verursachte Zerstörung von Ökosystemen ist eine Hauptursache für die COVID-19-Pandemie wie auch für das Aussterben von Arten.

Welche Gefahren beobachten Sie?

Es sind sehr viele! Deshalb muss besser kommuniziert werden, dass sich etwas ändern muss. Ich zähle nur die gravierendsten Risiken auf:

  • Der illegale Handel mit Wildtieren wird durch massive Wilderei angeheizt und versteckt sich häufig hinter legalen „feuchten“ Märkten.
  • Der Verlust von Lebensraum und Wildnis beschleunigt sich. Durch seine Eingriffe zerstört der Mensch immer mehr einst wilde Natur.
  • Die Zahl der Weltbevölkerung liegt nun bei ca. 8 Milliarden und wird noch bis auf 12 Milliarden steigen, was zu massiver Migration und Eingriffen in Gebiete führt, die seit Jahrtausenden Zufluchtsorte für Wildtiere sind.
  • Die Infrastrukturplanung läuft Amok – weltweit werden in den nächsten 20 Jahren 25 Millionen Kilometer neue Straßen geplant. Das wird Naturgebiete fragmentieren und gleichzeitig das Eindringen von Menschen in Wildnis drastisch erhöhen.
  • Eine Verdoppelung der städtischen Infrastrukturfläche ist absehbar.

Was können wir von Europa aus tun, damit tropische Länder ihre Ökosysteme, etwa Regenwälder, bewahren?

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass der angekündigte Green Deal der neuen EU-Kommission – unter anderem mit einem Programm zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme – wirklich kommt und dass die Bundesregierung im 2. Halbjahr den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft nutzt, um auf UN-Ebene die notwendigen Maßnahmen anzustoßen. Es kann aber auch jede und jeder Einzelne durch einen bewussteren Konsum dazu beitragen, dass nicht-nachhaltige Produkte aus solchen Quellen keinen Markt finden.

Wildtiere spielen eine entscheidende Rolle bei der Ausbreitung des Corona-Virus, zuvor auch des Ebola-Virus. Wie kann sich die Menschheit vor neuen, von Tieren übertragenen Krankheiten schützen?

Eine Pandemie ist kein zufälliger Unfall. Menschliche Einflüsse sind die Ursache für diese aktuelle, aber wahrscheinlich nicht letzte Pandemie. Es gibt viele Referenzen, die dies belegen; ich verweise Sie auf die lesbarste und informativste: "Spillover" des bekannten Wissenschaftsjournalisten David Quammen.

Die COVID 19-Pandemie ist nur ein weiterer Datenpunkt auf einem Berg von Beweisen, die die Destabilisierung unseres Planeten offenbaren. Wir befinden uns in einem Naturnotfall, der überall um uns herum in zufälligen, zunehmenden Anfällen von Klima-Chaos auftritt: Erwärmung, Abkühlung, Schmelzen, Stürmen. Dieser Notfall wird durch die Zerstörung von Lebensräumen und Ausrottung von Arten verschärft, die das biologische Fundament unserer Welt auflösen.

All dies hat den Kontakt zwischen Mensch und Natur auf ein in der Geschichte noch nie dagewesenes Ausmaß gebracht. Daran ist nichts Nachhaltiges, Respektvolles oder Kluges. Es ist Wahnsinn, es ist Selbstmord.

Gibt es einen Ausweg? Was schlagen Sie vor?

Für diesen nie zuvor erlebten Naturnotfall brauchen wir eine Art Überlebensrevolution. Betrachten wir für einen Moment einige der anderen Auswirkungen dieser Pandemie. Sie alle haben die Medienberichte gesehen: Die Welt ist viel ruhiger und weniger verschmutzt. Staus sind weg; schädliche Emissionen nehmen ab. Leute singen von ihren Balkonen, Zusammenarbeit wird immer normaler und zum größten Teil und trotz körperlicher Distanz sprechen die Menschen mehr miteinander und erneuern den sozialen Diskurs.
Diese „anderen Effekte“ der COVID-19-Pandemie ähneln viel mehr der Welt, die wir wollen und brauchen. Und das muss das Ziel sein – eine Welt respektvoller Beziehungen, Menschen zu Menschen und Menschen zur Natur. Nennen wir es in wörtlicher Übersetzung von „nature-based solutions“ naturbasierte Lösungen. Die Natur zu respektieren bedeutet, ihr den Raum zu geben, um ihr Ding zu machen, damit wir dabei unterstützt werden, unser Ding zu machen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Jutta Kochendörfer, DUHwelt-Redaktion.

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