Pressemitteilung
Dienstwagen-Check der Deutschen Umwelthilfe: Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitiker setzen erneut auf CO2-Schleudern
Berlin, 8.7.2024: Im 18. Dienstwagen-Check der Deutschen Umwelthilfe (DUH) fallen knapp drei Viertel der befragten Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitiker durch: 186 von 252 Politikerinnen und Politiker auf Bundes- und Landesebene überschreiten mit ihren Dienstwagen im Realbetrieb teils deutlich den EU-Flottengrenzwert. Davon erhalten 162 Politikerinnen und Politiker eine Rote Karte, weil der CO2-Ausstoß ihrer Dienstwagen 20 Prozent über dem europäischen Flottengrenzwert liegt. Vergangenes Jahr musste die DUH noch 190 Rote Karten verteilen. Insgesamt hat sich der durchschnittliche CO2-Verbrauch der reinen Verbrenner-Dienstwagen auf der Straße im Vergleich zum Vorjahr erhöht (von 199 g CO2/km auf 209 g CO2/km).
Doch vor allem die selbsternannte Klimaregierung fährt wie im Vorjahr ungebremst gegen die Wand: 7 von 9 Bundesministerinnen und -ministern liegen mit ihren Dienstwagen teils deutlich über den erlaubten 95 g CO2/km. Schlusslicht neben Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger ist erneut Justizminister Marco Buschmann. Deren Dienstwagen stoßen auf der Straße mehr als doppelt so viel CO2 aus wie der EU-Flottengrenzwert erlaubt. Lediglich die Familienministerin Lisa Paus und Entwicklungsministerin Svenja Schulze halten mit ihren Elektroautos den Grenzwert ein. Besonders kritisch sieht die DUH, dass immer noch 96 Politikerinnen und Politiker auf Plug-in-Hybride und somit auf besonders klimaschädliche Fahrzeuge setzen; im Vorjahr lag die Zahl der Plug-in-Hybride mit 112 noch deutlich höher.
Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH: „Das Ergebnis unserer diesjährigen Umfrage ist entlarvend: Die Bundesregierung ist kein Vorbild. Zu viele Regierungsmitglieder, einschließlich der Staatssekretärinnen und -sekretäre, setzen auf klimaschädliche Autos mit Plug-in-Hybridantrieb. Diese erscheinen auf dem Papier umweltfreundlich, sind tatsächlich aber wahre Klimakiller. Dieser Stillstand bei den Dienstwagen ist sinnbildlich für den gesamten Verkehrssektor, der beim Klimaschutz ebenfalls stagniert. Wenn die Bundesregierung ihre Glaubwürdigkeit nicht vollständig verlieren will, muss sie dringend umsteuern. Dasselbe gilt auf Landesebene: So fahren der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen Hendrik Wüst und der Regierende Berliner Bürgermeister Kai Wegener Symbole der klimafeindlichen Verkehrspolitik ihrer Verbrenner-Lobby-Partei CDU: Deren Dienstautos, beides Audi A8, haben einen realen CO2-Ausstoß, der viermal so hoch ist wie der Flottengrenzwert. Angesichts der hochmotorisierten Spritschlucker, die viele Politikerinnen und Politiker fahren, wundert es nicht, dass auch die deutsche Automobilindustrie nach wie vor auf große und teure Verbrenner setzt, anstatt endlich sparsame und kleine Elektrofahrzeuge anzubieten. Wir fordern alle Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitiker auf, jetzt mit gutem Beispiel voranzugehen und – wenn ein Dienstwagen unverzichtbar ist – auf emissionsarme Fahrzeuge zu setzen. Besonders absurd ist der PS-Wahn von Kai Wegner und Iris Spranger, die im Stadtstaat Berlin trotz verhältnismäßig kurzer Wege die schmutzigsten Spritschlucker überhaupt fahren.“
Positiv hervorzuheben ist der gestiegene Anteil batterieelektrisch betriebener Dienstfahrzeuge auf 34 Prozent.
Jens Hürdler, Senior Expert Verkehr und Luftreinhaltung bei der DUH: „Es gibt zwar Lichtblicke in unserem Dienstwagen-Check, sie reichen aber noch lange nicht für eine konsequente Kehrtwende in Richtung Klimaschutz. Einige Politikerinnen und Politiker setzen zwar auf elektrisch betriebene Dienstwagen, diese sind dann aber teils völlig überdimensioniert und verbrauchen so viel Strom, dass wir diesen auch eine rote Karte geben müssen. Dies betrifft zum Beispiel den Dienstwagen des Berliner Senators für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen Christian Gaebler, einen Audi SQ8 Sportback e-tron. Das zeigt: Batterieelektrische Antriebe sind nicht per se emissionsfrei, sondern ihre Klimawirkung hängt auch vom Anteil fossiler Energien im Strommix ab. Effizienzstandards für E-Fahrzeuge sind daher überfällig, ebenso wie eine transparente und ehrliche Verbrauchskennzeichnung.“
Weitere Ergebnisse:
- An der Spitze des Gesamtrankings stehen erneut die sächsische Staatsministerin Katja Meier mit einem sparsamen VW ID.3 Pro (realer CO2-Ausstoß von 68 g/km) sowie neu die Staatssekretärin Margit Gottstein aus dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit einem sparsamen BMW i3 (realer CO2-Ausstoß ebenfalls bei 68 g/km).
- Schlusslichter im Gesamtranking sind wie im Vorjahr NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, NRW-Innenminister Herbert Reul, der Baden-Württembergische Innenminister Thomas Strobl und die Berliner Innensenatorin Iris Spranger: Alle haben jeweils einen Audi A8 als Dienstwagen gewählt, der schockierende 380 g/km realen CO2-Ausstoß auf die Straße bringt. Kai Wegner, Regierender Bürgermeister von Berlin, ist mit einem realen CO2-Ausstoß von 375 g/km (ebenfalls ein Audi A8) nur unwesentlich besser.
- Als einzige Landesregierungschefs erhalten eine Grüne Karte Hamburgs Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher (Mercedes-Benz EQE 500) und Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg (Mercedes-Benz EQS 580 4MATIC).
- 13 von 17 Umweltministerinnen und -ministern aus Bund und Ländern setzen auf einen vollelektrischen Antrieb, aber nur neun davon bekommen ein Grüne Karte. Die anderen nutzen überdimensionierte und damit ebenfalls klimaschädliche Elektrofahrzeuge.
- Insgesamt wechselten 25 Politikerinnen und Politiker auf einen rein elektrischen Antrieb. Beachtliche Reduktionen konnten Ministerin Katrin Eder (Mercedes Benz EQE 350; Rheinland-Pfalz) mit satten 133 g/km CO2-Einsparung und Ministerin Petra Berg (BMW i7 xDrive60; Saarland) mit 105 g/km CO2-Einsparung erzielen. Negativ hervorzuheben sind jedoch die Parlamentarische Staatssekretärin Siemtje Möller (Bundesministerium der Verteidigung) und Ministerin Wiebke Osigus (Niedersächsisches Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung), die statt eines rein elektrischen Dienstwagens wieder ein Auto mit Verbrennungsmotor nutzen.
- Nur einzelne Spitzenpolitikerinnen und -politiker verzichten komplett auf einen persönlichen Dienstwagen und nutzen stattdessen beispielsweise Dienstfahrräder oder Fuhrparkfahrzeuge. Dazu zählen die Staatsekretäre Udo Philipp und Sven Giegold aus dem Bundeswirtschaftsministerium, die Bremer Umweltsenatorin Kathrin Moosdorf sowie Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks.
Hintergrund:
Der 18. Dienstwagen-Check der DUH beruht auf einer Abfrage im Zeitraum von Januar bis Mai 2024. Die besonders geschützten Fahrzeuge des Bundeskanzlers, des Vizekanzlers, des Verteidigungsministers sowie der Außen- und Innenministerin und der Minister für Gesundheit und Finanzen fließen wie in den Vorjahren nicht in die Wertung ein. Amtsträgerinnen und Amtsträger, die nach Abschluss der Befragung das Amt gewechselt haben oder ausgeschieden sind, wurden nicht berücksichtigt. Dasselbe gilt für Neubesetzungen außerhalb des Befragungszeitraums.
Die Auswertung basiert auf der Emissionsangabe auf Basis des Worldwide Harmonised Light-Duty Vehicles Test Procedure (WLTP). Dieser Wert ist maßgeblich für die Einhaltung des EU-weit bindenden Flottengrenzwertes bei Pkw-Neuzulassungen, der zurzeit bei 95g CO2/km liegt. Dem Ranking liegt der CO2-Ausstoß im realen Fahrbetrieb zugrunde. Bei Elektro-, Wasserstoff- sowie reinen Verbrennerfahrzeugen (Diesel und Benzin) basiert dieser auf offiziellen Angaben eines jeden Fahrzeugs, da die WLTP-Werte mit den Messergebnissen von Fahrzeugtests unterschiedlicher Medien meist übereinstimmen. Bei Plug-In-Hybrid-Fahrzeugen wird mithilfe eines reichweitenspezifischen Utility Faktors (ICCT Studie 2017) der CO2-Ausstoß im reinen Verbrennermodus ermittelt, da diese Fahrzeuge vorwiegend mit leerer Batterie (ICCT Studie 2022) gefahren werden. Bei Fahrzeugen mit teilelektrischem oder vollelektrischem Antrieb wurde der CO2-Gehalt des deutschen Strommixes nach aktuellen Angaben des Umweltbundesamtes für das Jahre 2022 herangezogen. Unterschiedliche CO2-Angaben für das gleiche Fahrzeugmodell ergeben sich zum Beispiel durch verschiedene Erstzulassungszeitpunkte und Ausstattungsvarianten.
Links:
- Die Tabellen des Dienstwagen-Checks finden Sie am Ende dieser Seite.
- Zu den vorherigen Dienstwagen-Checks: http://www.duh.de/dienstwagencheck/
Kontakt:
Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin
0170 7686923, metz@duh.de
Jens Hürdler, Senior Expert Verkehr und Luftreinhaltung
030 2400867-738, huerdler@duh.de
DUH-Newsroom:
030 2400867-20, presse@duh.de