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Pressemitteilung

Deutsche Umwelthilfe erwirkt erstes Autobahn-Diesel-Fahrverbot auf der A40 im Ruhrgebiet sowie Diesel-Fahrverbote für Essen und Gelsenkirchen

Donnerstag, 15.11.2018

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gibt Klagen für „Saubere Luft“ der Deutschen Umwelthilfe statt – Bisher stärkstes Urteil für den Gesundheitsschutz – DUH erwirkt elftes und zwölftes Urteil in Folge zu Diesel-Fahrverboten in Deutschland – Luftreinhaltepläne der beiden Ruhrgebietsstädte müssen bis zum 1. Juli 2019 um eine 18 Stadtteile umfassende Diesel-Fahrverbotszone für Essen und streckenbezogene Diesel-Fahrverbote für Gelsenkirchen erweitert werden – Zum ersten Mal soll in Essen mit der Sperrung der A40 für Dieselfahrzeuge bis einschließlich Euro 5/V auch eine Autobahn in die Fahrverbotszone einbezogen werden – Heutige Kabinettsentscheidung zur Heraufsetzung von NO2- und NOx-Grenzwerten: Diesel-Fahrverbote kommen trotz Änderung des BImSchG auch für Städte unter 50 µg NO2/m3 – Bundesland Nordrhein-Westfalen mit den meisten Klagen für Diesel-Fahrverbote

© Kara - Fotolia

Essen/Gelsenkirchen, 15.11.2018: Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat heute über die Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) für „Saubere Luft“ in den Städten Essen und Gelsenkirchen entschieden (Essen: 8K 5068/15, Gelsenkirchen: 8K 5254/15) und beiden Klagen in vollem Umfang stattgegeben: Der Luftgrenzwert für das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid (NO2), der seit dem Jahr 2010 verbindlich gilt, ist schnellstmöglich einzuhalten, spätestens im Jahr 2019. Dabei geht es um eine Grenzwerteinhaltung jeweils im gesamten Stadtgebiet. Die internationale Umweltrechtsorganisation ClientEarth unterstützt Klagen für „Saubere Luft“ der DUH.

Für die Stadt Essen hat das Gericht (höchster NO2-Belastungswert in Essen:49 µg/m3) entschieden, dass die Landesregierung ein Diesel-Fahrverbot für 18 Stadtteile inkl. der Stadtmitte als „Blaue Umweltzone“ in den Luftreinhalteplan aufzunehmen hat. Dieses gilt ab dem 1. Juli 2019 für alle Diesel unterhalb der Abgasnorm Euro 5 und Benziner unterhalb der Norm Euro 3. Zum 1. September 2019 ist das Verbot auf Diesel-Pkw, Busse und Nutzfahrzeuge der Abgasnorm Euro 5 zu erweitern.

Zum ersten Mal in Deutschland wurde von einem Gericht auch ein Diesel-Fahrverbot für eine Bundesautobahn verfügt. Ab dem 1. Juli 2019 gilt dies auf der Autobahn A40 für Diesel-Pkw, Busse und Nutzfahrzeuge bis einschließlich der Abgasstufe Euro 4/IV, ab dem 1. September 2019 wird dieses  für Euro 5/V Diesel ausgedehnt. Grund ist die hohe Belastung einer Wohnsiedlung in Essen-Frohnhausen, hier führt die Bundesautobahn unmittelbar vorbei. Das Gericht hat zusätzlich dem Land die Prüfung weiterer Fahrverbote für neun weitere Verdachtsfälle außerhalb der „Blauen Umweltzone“ mit Frist bis zum 1. April 2019 auferlegt. Damit stellt das Gericht mit seinem Urteil das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Gesundheit der Menschen in Essen und Gelsenkirchen über die Profitinteressen der Automobilindustrie.  

Für die Stadt Gelsenkirchen, welche mit 46 µg NO2/m3 geringere Grenzwertüberschreitungen beim Dieselabgasgift NO2 als Essen aufweist, muss das beklagte Land Nordrhein-Westfalen ein streckenbezogenes Diesel-Fahrverbot auf der besonders belasteten Kurt-Schumacher-Straße festlegen. Dieses muss zum 1. Juli 2019 für alle Dieselfahrzeuge unterhalb der Abgasnorm Euro 6 und alle Benziner unterhalb der Abgasnorm Euro 3 in Kraft treten.

Das Gericht betonte, dass ein Großteil der vom Land NRW bisher in den Luftreinhalteplänen angeführten Maßnahmen „keine schnelle Wirkung“ verspricht. Die schnellstmögliche Grenzwerteinhaltung noch vor 2020, wie es das Bundesverwaltungsgericht gefordert hat, ist somit nicht möglich. Daher kann auf Diesel-Fahrverbote nicht mehr verzichtet werden. Der lange Zeitraum, in dem der Grenzwert überschritten wird, zwingt zu einer besonders effizienten Maßnahmenplanung.

Dazu Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Mit der erstmaligen Sperrung einer Bundesautobahn für Diesel-Pkw, Busse und Lkw muss auch eine Kanzlerin Merkel erkennen, dass sie mit ihrer Politik gegen den Gesundheitsschutz und für die Profitsicherung einer betrügerischen Industrie gescheitert ist. Das letzte Beispiel für eine Fernsteuerung dieser Bundesregierung aus den Konzernzentralen von BMW, Daimler und VW ist die heute im Bundeskabinett beschlossene, europarechtswidrige Heraufsetzung von Dieselabgasgift-Grenzwerten. Was Gerichte von dieser industriefreundlichen Gesetzesnovelle halten, zeigte sich wenige Stunden nach der Regierungs-Pressekonferenz im Gelsenkirchener Richterspruch: Die erstmalige Einführung eines ersten Diesel-Fahrverbots auf der Autobahn A40 sowie in Essen und Gelsenkirchen. Diesel-Fahrverbote kommen trotz Änderung des BImSchG auch für Städte auch unter 50 µg NO2/m3.“

Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in den Verfahren vertritt, sagt: „Die Politik muss endlich in der Realität ankommen. Diesel-Fahrverbote werden kommen. Man muss den Menschen rechtzeitig reinen Wein einschenken und die dafür nötigen Hilfestellungen geben. Insbesondere sozial schwache Familien, die häufig an stark belasteten Straßen wohnen, dürfen nicht dafür zahlen müssen, dass sie saubere Luft atmen können. Saubere Luft ist ein Menschenrecht, das der Staat zu gewährleisten hat.“ 

Rechtsanwalt für saubere Luft Ugo Taddei von ClientEarth sagt: „Der Trend ist unverkennbar. So sehr es die deutsche Regierung auch versuchen mag, sie kann schmutzige Dieselautos nicht freisprechen: Diesel-Fahrverbote werden immer wieder ausgesprochen. Was jetzt kommen muss, sind bundesweite Maßnahmen gegen illegal hohe, die Gesundheit der Menschen gefährdende Schadstoffwerte in Deutschland. Die Hardware-Nachrüstung muss zur Norm werden. Verschrottungsprogramme, die neue Verkäufe von umweltschädlichen Dieselfahrzeugen sicherstellen sind ein Segen für die Industrie und nicht die Lösung einer nationalen Gesundheitskrise. Deutschland kann nicht isoliert betrachtet werden. Neben den nationalen Maßnahmen brauchen wir ein EU-weites, von Automobilherstellern finanziertes Nachrüstprogramm, das Städten in ganz Europa hilft, die Luft zu reinigen. Schmutzige Diesel-Pkw dürfen nicht einfach in andere Länder exportiert werden - alle europäischen Bürger haben das gleiche Recht, saubere Luft zu atmen."

Hintergrund:

Die DUH hatte beide Klagen im November 2015 gegen das Land Nordrhein-Westfalen eingereicht. Ziel ist die Einhaltung des seit 2010 verbindlich geltenden EU-Grenzwerts von 40 µg NO2/m³ im Jahresmittel.

2017 ermittelten in Essen fünf offizielle Messstationen NO2-Werte oberhalb des erlaubten Jahresmittelgrenzwerts von 40 µg/m³. Der höchste Wert mit 49 µg/m³ wurde an der Messstation Frohnhausen an einem dreigeschossigen Wohnhaus nahe der Bundesautobahn A 40 gemessen. Auch in Gelsenkirchen weist eine offizielle Messstation einen Wert oberhalb des NO2-Grenzwerts auf: An der Messstation Kurt-Schumacher-Straße überschreitet der gemessene Wert mit 46 µg NO2/m³ die gesetzlichen Vorgaben deutlich. Dass diese Zahl für Gelsenkirchen kein Einzelfall ist, belegen Messungen der DUH aus diesem Jahr. In der Florastraße wurde mit 44 µg NO2/m³ ebenfalls ein nach europäischem Recht gesetzeswidriger Wert gemessen.

NO2 ist gesundheitsschädigend. Die Europäische Umweltagentur EEA hat im Oktober 2018 die gesundheitlichen Folgen der NO2-Verschmutzung mit jährlich 13.100 vorzeitigen Todesfällen allein in Deutschland beziffert. Diesel-Fahrverbote sind zur kurzfristigen Einhaltung des NO2-Grenzwertes die einzige Option und laut Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 27. Februar 2018 rechtmäßig und notwendig.

Schmutzige Diesel-Pkw tragen wesentlich zu mehr als 800.000 jährlichen Neuerkrankungen an Diabetes und Asthma bei, verursacht durch die anhaltende Belastung der Atemluft mit dem Dieselgift NO2. Das Umweltbundesamt hatte mit einer Studie über die Gesundheitsfolgen des Dieselabgasgiftes NO2 verdeutlicht, dass bereits bei Konzentrationen deutlich unterhalb des Grenzwertes mit 437.000 Neuerkrankungen an Diabetes Mellitus und 439.000 Asthmaerkrankungen zu rechnen ist.

Derzeit führt die DUH Klageverfahren für „Saubere Luft“ in 30 Städten. Klagen in Bielefeld, Hagen, Oberhausen und Wuppertal wird die DUH im November einreichen. Damit klagt die DUH dann in insgesamt 34 Städten. Bis Ende 2018 sind noch für zwei Städte Verhandlungen für „Saubere Luft“ terminiert (VG Wiesbaden zu Darmstadt am 21.11. und VG Wiesbaden zu Wiesbaden am 19.12.2018).

Links:

Kontakt:       

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer DUH
0171 3649170, resch@duh.de 

Prof. Dr. Remo Klinger, Rechtsanwalt Kanzlei Geulen & Klinger, Berlin
0171 2435458, klinger@geulen.com

Ellen Baker, Kommunikationsmanager ClientEarth
0044 203 030 5951, ebaker@clientearth.org  

DUH-Pressestelle:

Andrea Kuper, Ann-Kathrin Marggraf
030 2400867-20, presse@duh.de   

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