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Soja frisst Jaguar - Billigfleisch hat einen hohen Preis

Dienstag, 13.10.2020

Kühe auf grünen Weiden, idyllische Fachwerkhäuser, glücklich lächelnde Schweine – in den Fleisch- und Milchregalen deutscher Supermärkte dominieren Werbebotschaften, die Naturnähe und Regionalität suggerieren. Unsichtbar bleibt aber, dass diese Produkte in hohem Maße von Sojafuttermittelimporten abhängig sind und damit mit der massiven Zerstörung der südamerikanischen Tropenwälder in Verbindung stehen.

© anankkml/ Adobe Stock

Der Artikel erschien in der DUHwelt 3/20.

In nur wenigen Jahrzehnten wurde die Sojapflanze von einem wichtigen Lebensmittel zur Grundlage der industrialisierten Tierhaltung mit Hochleistungsvieh. Nur rund zwei Prozent des Sojas werden vom Menschen direkt verzehrt. Die Pflanze enthält sehr viel pflanzliches Eiweiß und stammt ursprünglich aus dem Osten Asiens. Durch den Abbau internationaler Handelszölle und die Entwicklung immer ertragreicherer Sojasorten spielen heimische Futterpflanzen in der konventionellen Landwirtschaft praktisch keine Rolle mehr. Heute versorgen Südamerika und der Süden der USA die ganze Welt mit Soja.

Wer heute im Akkord Fleisch, Milch oder Eier produziert, kommt an Sojafutter nicht vorbei. Ohne Soja könnte kein Masthähnchen binnen 30 Tagen auf Schlachtniveau gemästet werden und kein Schwein täglich 800 Gramm zunehmen. Nur so lässt sich mit dem Prinzip Massentierhaltung überhaupt noch Geld machen. Denn der Preiskampf bei der Produktion von Schweineschnitzeln oder Hähnchenbrust ist sowohl für die Tiere als auch die Bäuerinnen und Bauern brutal. Pro Schwein bekommen die Landwirte nur wenige Euro. Das lohnt sich nur, wenn man auf Masse setzt. Und sparen lohnt sich vor allem beim Futter, das einen Großteil der Produktionskosten ausmacht.

Soja: kleine Bohne mit großem Flächenfußabdruck

Weil der Konsum tierischer Lebensmittel so immens ist, ist auch der Bedarf an Soja enorm. In Deutschland wurden 2019 etwa 3,2 Millionen Tonnen Soja verfüttert. Hierfür wird Sojaschrot genutzt, also entfettete und gemahlene Sojabohnen. Diese kaum vorstellbare Menge wird greifbarer, wenn man sie auf die einzelnen Nahrungsmittel herunterrechnet. Für ein 150-Gramm-Stück Hähnchenbrust braucht man 163 Gramm Sojafutter, für ein Schweineschnitzel derselben Größe 54 Gramm. Umgerechnet auf den Flächenverbrauch bedeutet das: Während ein Mastschwein hierzulande sein Dasein auf nur 0,75 Quadratmeter fristen muss, verbraucht es zum Beispiel in Brasilien rund 144 Quadratmeter nur für seinen Sojabedarf.

Die riesigen Mengen Soja sind in Deutschland für die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher unsichtbar – ebenso die negativen Auswirkungen des Sojaanbaus. Denn welches Futter das Tier, dessen Fleisch ich esse oder dessen Milch ich trinke, bekommen hat, wird fast nie transparent gemacht. Der Sojaanbau frisst sich immer tiefer hinein in die artenreichsten Ökosysteme der Welt wie den Amazonas-Regenwald. Nach der Weidehaltung für die Produktion von Rindfleisch ist der Sojaanbau der größte Waldvernichter in Südamerika. Das hat verheerende Auswirkungen auf die einst legendäre Artenvielfalt des Kontinents. Eine der bekanntesten Arten ist der Jaguar.

Futter mit Nebenwirkungen

Der gigantische Sojaanbau hat sogar Einfluss auf das Klima Südamerikas. Schon heute lässt sich eine deutliche Abnahme der Regenfälle in bestimmten Regionen beobachten. In Teilen Südamerikas könnte demnächst die landwirtschaftliche Nutzung unmöglich werden. Die Zerstörung der Wälder ist bereits so weit fortgeschritten, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor dem baldigen Erreichen eines Klima-Kipppunktes warnen. Ab diesem Punkt reicht die Waldfläche nicht mehr aus, um den Wasserkreislauf der Atmosphäre aufrechtzuerhalten, der für das Überleben der Ökosysteme unverzichtbar ist. Eine weitere Bedrohung kommt hinzu: Immer mehr Schädlinge und Unkräuter werden gegen Pestizide des Sojaanbaus resistent. Um den Ertrag aufrechtzuhalten, bringen die Landwirte immer mehr Chemikalien auf den meist gentechnisch veränderten Sojafeldern aus. Einige sind auf dem europäischen Markt wegen massiver Auswirkungen auf die Umwelt und Gesundheit längst verboten – in Südamerika werden sie dennoch weiter eingesetzt.

Brasiliens Regenwald auf Deutschlands Schnitzel-Tellern

Bis zu den ersten Jahren des Jahrtausends fand die Ausweitung der Sojaanbauflächen vor allem im Amazonas-Regenwald statt. Rund ein Viertel der Vernichtung der Wälder des Amazonas bis 2004 ist auf Soja zurückzuführen. Das 2006 vereinbarte Soja-Moratorium trug dazu bei, hier die direkt durch Soja verursachte Entwaldung zu reduzieren. Es gründet auf einer freiwilligen Vereinbarung zwischen Zivilgesellschaft, Industrie und Regierung: Sie verpflichten sich, keine Sojabohnen zu kaufen, die in Gebieten des Amazonas produziert worden sind, die nach 2008 abgeholzt wurden. Trotz des unbestrittenen Erfolgs des Moratoriums bleiben jedoch Möglichkeiten, es zu umgehen: Soja von
frisch gerodeten Flächen wird zum Beispiel mit Soja gemischt, das von außerhalb des Moratoriumsgebietes stammt. So wird auch heute noch Regenwald für Soja vernichtet. Problematisch ist aber vor allem die Tatsache, dass sich das Moratorium nur auf das brasilianische Amazonasgebiet beschränkt. Nun weichen die Landwirtschaftsunternehmen aus und roden verstärkt im angrenzenden Cerrado. Diese bewaldete Savanne ist das zweitgrößte Ökosystem Südamerikas, ein bedeutender Kohlenstoffspeicher für das globale Klima sowie unverzichtbar für den Wasserhaushalt weiter Teile Brasiliens. Bis heute wurde bereits die Hälfte des Cerrados zerstört.

Amazonas-Brände wüten schlimmer denn je

Die Brandrodungssaison in Brasilien beginnt im Juli. Allein an einem Tag, dem 30. Juli 2020, wurden mehr als 1.000 Feuer gemeldet. Satellitenbilder belegen das katastrophale Ausmaß: Die Anzahl der Brände hat in den vergangenen Jahren stets zugenommen. Zwar hat die brasilianische Regierung ein dreimonatiges Feuer-Moratorium erlassen, Umweltorganisationen und unabhängige Beobachterinnen und Beobachter rechnen jedoch nicht damit, dass dies greifen wird.

Bereits im vergangenen Jahr hatte die brasilianische Regierung ein Moratorium erlassen, dann jedoch die Gelder für den Brandschutz einfach nicht abgerufen. Brasilien hat weniger das Problem einer schwachen Umweltgesetzgebung als ein Durchsetzungsproblem. Die Regierung des ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro verfolgt Umweltvergehen einfach nicht mehr. Agrarunternehmen, die öffentliches oder indigenes Land widerrechtlich besetzen, roden und dann für die Weidehaltung oder den Sojaanbau nutzen, müssen so gut wie nie mit Konsequenzen rechnen. Behörden wie die brasilianische Umweltbehörde IBAMA, die Verstöße gegen Umweltvergehen verfolgen sollen, wurden seit Bolsonaros Amtsantritt massiv geschwächt. Ebenso werden nun Umwelt-NGOs oder Indigenen-Gruppen nicht nur von jeglicher Beteiligung ausgeschlossen. Bolsonaros Rhetorik hat vielmehr ein Klima geschaffen, das die Einschüchterungspraxis von paramilitärischen Gangs und mafi ösen Gruppen befeuert. Wer für den Schutz der Wälder und die Rechte der Indigenen kämpft, muss um sein Leben fürchten. Landraub und illegale Brandrodungen haben so leichtes Spiel.

Mercosur: Schmutzige Deals auf Kosten des Regenwaldes

Bolsonaro hat bisher keinen Hehldaraus gemacht, dass der Amazonas für ihn ein landwirtschaftliches Entwicklungsgebiet ist, das erschlossen werden sollte. Die Erfahrung der letzten Monate zeigt, dass er nur auf wirtschaftlichen Druck reagiert. Vor allem aufgrund dessen ist Brasilien noch Teil des Pariser Klimaabkommens. Auch das dreimonatige Feuer-Moratorium ist auf Druck von ausländischen Investoren erfolgt. Die Umsetzung des umstrittenen EU-Mercosur-Abkommens wäre hingegen ein Geschenk an Bolsonaro, das ihn in seiner jetzigen Politik bestärkt. Im Gegenzug für den freien Marktzugang für unter anderem deutsche Autos und Chemieprodukte wie Pestizide, könnten noch mehr Fleisch, Zuckerrohr und auch Soja auf den EU -Markt gelangen. Das EU-Mercosur-Abkommen heizt die Zerstörung der Wälder in Südamerika weiter an. Der einzige Weg, Bolsonaro in die Schranken zu weisen, ist ein klares Nein zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten in der aktuellen Form. Wir brauchen eine EU-Handelspolitik, die überprüfbare Mindeststandards für den Umwelt- und Klimaschutz sowie der Menschenrechte festschreibt und deren Einhaltung sicherstellt. Das Abkommen in seiner jetzigen Form Form leistet dies nicht.

Obwohl Soja aus Brasilien als besonders risikobehaftet in Bezug auf legale und illegale Entwaldung angesehen werden muss, verkauft es sich nach wie vor sehr gut auf dem deutschen Markt. Eine im Juli 2020 in der Zeitschrift „Science“ veröffentlichte Studie zeigt, dass 2016/17 bis zu 20 Prozent der Sojaexporte für die Landwirtschaft der EU aus dem Amazonas und dem Cerrado aus illegaler Entwaldung stammen. Seit Bolsonaros Regierungsantritt dürfte sich das Problem noch verschärft haben. Trotzdem gibt es bis heute keine verbindliche Regelung, die die illegale Landnahme in den Lieferketten deutscher Futtermittel- und Fleischproduzenten wirkungsvoll ausschließt und sanktioniert. Für die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher bleibt Soja nach wie vor unsichtbar. Entsprechend gering ist der Druck auf die Wirtschaft, eine transparente und nachhaltige Sojalieferkette sicherzustellen. Entwaldungsfreie Produkte bleiben so ein Nischenprodukt. Im Jahr 2019 waren nur 22 Prozent des nach Deutschland importierten Sojas nachweislich entwaldungsfrei. Rund 53 Prozent des verwendeten Sojas entsprechen noch nicht einmal den Leitlinien der europäischen Futtermittelbranche, die zumindest die legale Herkunft des Sojas vorschreiben. Kurzum: Geht es um Soja als Futtermittel, ist Umweltzerstörung die Regel.

Lieferkettengesetz muss Entwaldung und Landraub ausschließen


Im Rahmen ihrer Arbeit zu Sojafuttermitteln nimmt die DUH die Lieferketten der Fleischindustrie
und des Einzelhandels unter die Lupe, deckt Unternehmenspraktiken auf, die illegale Entwaldung, Landraub und Naturzerstörung billigend in Kauf nehmen, und macht diese öffentlich. Wie lässt sich die
unheilvolle Lieferkette vom Amazonas bis nach Deutschland durchschneiden? Freiwillige Ansätze der
Unternehmen sind klar gescheitert. Wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen, der Transparenz vom Sojafeld bis hin zum Ladenregal sowie verpflichtende Standards und funktionierende Kontrollen sicherstellt. Ein Lieferkettengesetz, für das die Bundesregierung einen Vorschlag erarbeitet, wäre dafür das richtige Instrument. Ein solches Gesetz würde Unternehmen dazu verpfl ichten, ihre Produktionen frei von Umwelt und Menschenrechtsverstößen zu halten. Hierfür setzt sich DUH im Dialog mit der Politik und der Wirtschaft intensiv ein und kämpft insbesondere für eine starke Durchsetzung einer solchen Regelung. Denn ohne Haftung und Verbandsklagerecht, wie es von Teilen der Bundesregierung angestrebt wird, könnte das Lieferkettengesetz zu einem stumpfen Schwert verkommen.

Die Deutsche Umwelthilfe setzt sich ein für eine Agrarwende, weg von globalisierter Umweltzerstörung und schädlichen Subventionen hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft, die Bäuerinnen und Bauern ein existenzsicherndes Wirtschaften ermöglicht. Unser Ziel ist es, den deutschen Flächenfußabdruck
in Südamerika zu reduzieren und somit die Wälder und Wildtiere wie den Jaguar zu schützen. Das kann nur funktionieren, wenn Deutschland eine flächengebundene Nutztierhaltung einführt, die jedem landwirtschaftlichen Betrieb nur so viele Tiere erlaubt, wie er mit seinen verfügbaren Flächen versorgen kann. Für die industrielle Massentierhaltung mit ihren zahlreichen katastrophalen Auswirkungen auf Tiere, Menschen, Böden und Klima wäre dieser Schritt hierzulande das Ende.

Der Jaguar: Bedrohte Großkatze

Nach Tiger und Löwe ist der Jaguar die größte Katze der Welt. Zunächst lauernd und dann kurz spurtend erbeuten Jaguare Säugetiere bis zur Größe eines Tapirs sowie Vögel, Fische und auch kleine Kaimane. Ein Elterntier, meist die Mutter, begleitet das Junge ein bis zwei Jahre lang. Anschließend leben die Tiere als Einzelgänger. Die Großkatze war vom Süden der USA bis in den Norden Argentiniens verbreitet, ist heute aber vor allem im Amazonas-Regenwald, im Trockenwald des Cerrado sowie im Pantanal, einem artenreichen Feuchtgebiet, zu Hause. Ihr Verbreitungsgebiet deckt sich mit den Hauptanbaugebieten der Sojapflanze. Mit deren Ausweitung schrumpftder Lebensraum des Jaguars, denn in Sojafeldern gibt es für ihn nichts zu fressen. Rund 50 Prozent ihrer Verbreitung hat die gefleckte Katze durch die Ausweitung der Landwirtschaft schon verloren. Auch die Zerschneidung der Wälder durch den Straßenbau oder die verstärkte Nutzung der Flüsse als Verkehrswege machen dem Jäger schwer zu schaffen, da er auf große Reviere angewiesen ist und jeglichen Kontakt mit Menschen meidet. Um satt zu werden, braucht jeder Jaguar 20 bis 150 Quadratkilometer intakten Wald, wo er Deckung und Beute vorfindet, in der Regel in Gewässernähe. Seit den 1970er Jahren wird der Jaguar auf der Liste der bedrohten Arten des Washingtoner Artenschutz-Abkommens geführt. Der Handel mit ihm oder seinem sehr begehrten Fell ist daher streng verboten.

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