Gesetze allein reichen nicht aus: Sie müssen auch durchgesetzt werden!
Denn der gemeinsame Binnenmarkt hat ein Problem: Die Menge nicht-konformer Produkte nimmt stetig zu. Dieses Problem möchte die EU-Kommission mit einer Novellierung der EU-Marktüberwachungsverordnung (EG) Nr. 765/2008 angehen. Gleichzeitig möchte sie Anreize für eine bessere Einhaltung der Vorschriften bieten, die sowohl für Unternehmen als auch für Verbraucher*innen Vorteile bringen.
Illegale und nichtkonforme Produkte auf dem europäischen Markt verzerren den Wettbewerb und stellen eine Gefahr für Verbraucher*innen dar. Bestehende, auf Europarecht basierende Informationspflichten seitens des Handels bei der Bewerbung von Produkten werden häufig ignoriert. Viele Wirtschaftsakteure missachten die Regeln aus Unkenntnis oder Vorsatz, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
Doch die zuständigen Behörden tun zu wenig: Seit vielen Jahren stellen wir bei unseren jährlichen Abfragen fehlende bzw. unzureichende Vollzugsaktivitäten fest. Es mangele an Personal oder Geld, an klaren Vorgaben durch die übergeordneten Behörden oder die Zuständigkeiten seien unklar. Hinzu kommt, dass die Behörden durch föderale und nationale Grenzen in ihrer Handlungsfähigkeit zum Teil erheblich eingeschränkt sind. Unternehmen sind oft bundesweit, EU- oder gar weltweit tätig und passen laufend ihre Lieferketten an. Besonders im Online-Handel haben die Marktüberwachungsbehörden große Schwierigkeiten, nicht-konforme Produkte, die in die Union eingeführt werden, zurückzuverfolgen und den zuständigen Akteur in ihrem Zuständigkeitsbereich zu finden.
Weitere Maßnahmen sind daher dringend vonnöten. Wir fordern von der EU-Kommission und den für den Vollzug der Verbraucherschutzvorschriften in Deutschland verantwortlichen Akteur*innen in Politik und Verwaltung:
- Klare und situationsgerechte Zuständigkeiten der Marktüberwachungsbehörden
Marktüberwachung in Deutschland muss in der Verantwortung der Bundesländer liegen. Nur auf diese Weise ist eine bundesweite Abdeckung in der Fläche zu erreichen. Fallen Firmensitz und Ort der Zuwiderhandlung auseinander, muss das Erstentdeckerprinzip, die Zuständigkeit der zuerst mit der Angelegenheit befassten Behörde, ausdrücklich verankert werden. Die Amtshilfe, das heißt der Vollzug über nationale Grenzen hinweg, muss verbessert werden (Cross-Border-Prinzip). Nur dann ist die Ergreifung frühzeitiger und wirksamer Maßnahmen gesichert.
- Sicherstellung einer Mindestanzahl an regelmäßigen Kontrollen
Die DUH fordert zum Schutz der Verbraucher*innen eine Mindestanzahl regelmäßiger behördlicher Kontrollen. Die Stichproben sollten dabei einen statistisch signifikanten Prozentanteil aller in einem Kalenderjahr neu auf den Markt gebrachten Produkte umfassen.
Dies schafft auch Anreize für den Handel und die Hersteller, die gesetzlichen Vorgaben tatsächlich einzuhalten und die Entwicklung effizienter Produkte voranzutreiben.
- Einführung effektiver Sanktionsmechanismen für jede Form einer Zuwiderhandlung gegen Verbraucherschutzvorschriften
Neben der konsequenten Anwendung der bußgeldbewehrten Ordnungswidrigkeitenkataloge bedarf es „Soll-Vorschriften“ für Marktüberwachungsbehörden, die es ihnen ermöglichen, bei Verstößen gegen die Produktvorgaben den Verkauf eines Produkts zu stoppen oder andere geeignete Sanktionsmaßnahmen zu ergreifen.
- Verankerung von Dokumentations- und Informationspflichten an übergeordnete Behörden und an die EU-Kommission
Im Rahmen von UIG-Anfragen (Anfragen nach dem Umweltinformationsgesetz) mussten wir vielfach feststellen, dass übergeordnete Behörden über die Tätigkeit nachgeordneter Behörden nicht oder nicht ausreichend informiert werden. Ohne entsprechende Datengrundlage können weder behördliche Marktüberwachungsmaßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin evaluiert noch geeignete Verbesserungsmaßnahmen angestrengt werden.
- Intensivere Nutzung der europäischen Produkt- und Informationsdatenbanken RAPEX und ICSMS und deren Zugänglichmachung einer breiten Öffentlichkeit
Das europäische Schnellwarnsystem RAPEX für den schnellen Informationsaustausch über unsichere Verbraucherprodukte muss von den Behörden intensiver genutzt und der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Gleiches gilt für die Produktdatenbank ICSMS. Mithilfe dieser Produktdatenbank sollen Marktüberwachungsbehörden Produktinformationen austauschen können. Verbraucher*innen, Hersteller*innen technischer Produkte und Händler*innen sollen mit diesem Instrument fehlerhafte Produkte melden können. Beide Datenbanken müssen den europäischen Verbraucher*innen frei zugänglich sein.