„Wir haben die Hoffnung, dass wir über eine Reduzierung der Fahrzeugflotten in Bremens öffentlichen Unternehmen einen kleinen Beitrag zur Reduzierung der CO2-Emissionen erreichen können.“
Frau Schüttrumpf, die Stadt Bremen hat zu Beginn des Jahres beschlossen, dass Führungskräften der ca. 40 städtischen Unternehmen zukünftig statt eines Dienstwagens ein jährliches Mobilitätsbudget zur Verfügung gestellt werden soll. Welche Gründe haben Sie zu dieser Umstellung bewogen?
Genau genommen hat der Senat der Freien Hansestadt Bremen entschieden, dass die Geschäftsführungen der öffentlichen Unternehmen ab dem 1. Mai 2020 keinen vertraglichen Anspruch mehr auf einen Dienstwagen zur privaten Nutzung erhalten sollen. Dies gilt sowohl für alle Neu- als auch die Anschlussverträge. In bestehende Geschäftsführerverträge greifen wir natürlich nicht ein. Anstelle des Dienstwagens erhalten die Geschäftsführer*innen ein Mobilitätsbudget, welches sie nach ihren Wünschen und Vorstellungen nutzen können, um ihre Reisetätigkeit zu gestalten. Bis Ende 2021 ist ein Mobilitätskonzept zu erstellen – passgenau und individuell auf die jeweilige Unternehmung zugeschnitten.
Ausgangspunkt für die Umstellung auf ein Mobilitätsbudget und die weiteren vorgesehenen Schritte war die Fortschreibung des Klimaschutz- und Energieprogramms des Senats der Freien Hansestadt Bremen von Dezember 2018. Darin hat der Senat dazu aufgefordert, weitere Maßnahmen zu prüfen, die einer voraussichtlichen Verfehlung des CO2-Minderungsziels entgegenwirken.
Das Budget soll für klimafreundliche Mobilität zur Verfügung stehen. Was bedeutet das konkret?
Wir erhoffen uns, dass das Mobilitätsbudget für ÖPNV, Bahn, Carsharing, Dienstfahrräder und auch E-Bikes genutzt wird. Sollte das Mobilitätsbudgets gar nicht oder nur anteilig genutzt werden, so wird der nicht in Anspruch genommene Betragswert als Bruttozahlung im Rahmen der Gehaltsabrechnung ausgezahlt.
Wie fallen bisher die Reaktionen auf Ihre Entscheidung aus? Werden Sie versuchen, Führungskräfte mit bereits bestehenden Verträgen vom Mobilitätsbudget zu überzeugen und wenn ja, wie viel Zustimmung erwarten Sie diesbezüglich?
Wir haben seit Senatsbeschluss überwiegend positive, aber auch etwas verhaltene Rückmeldungen erhalten. In Summe konnten wir die Neu- oder Anschlussverträge allerdings bisher an zwei Händen abzählen. Widerstand gab es aber wirklich nur in Einzelfällen. Hierbei ist sicherlich auch die Besonderheit Bremens zu berücksichtigen. Bremen ist im Vergleich zu anderen Großstädten die Stadt der kurzen Wege. Dienstliche Verpflichtungen innerhalb der Stadt können nach unserer Einschätzung sehr gut mit dem ÖPNV, Fahrrad oder sogar zu Fuß wahrgenommen werden. Das ist auch jetzt schon der Fall.
Etwas anders sieht die Situation in Bremerhaven aus. Hier ist man – gerade auf dem Weg in den Hafen – noch auf einen Pkw angewiesen. In diesem Fall erhoffen wir uns sinnvolle Carpool-Lösungen. Sie sehen, wir geben uns noch nicht der Illusion hin, komplett auf Pkw im dienstlichen Kontext verzichten zu können. Sofern die Anzahl der Pkw in den Unternehmen jedoch reduziert werden könnte, wären wir im ersten Schritt zufrieden.
Natürlich erhoffen wir uns, dass dieser Grundgedanke über die Vorbildfunktion der Geschäftsführungen auch an die Führungskräfte in den jeweiligen Unternehmen weitergetragen wird. Bremen ist eine klimafreundliche, fortschrittliche Stadt – da beziehen wir auch unsere öffentlichen Unternehmen ausdrücklich mit ein.
Welche steuerlichen Konditionen gelten für die Arbeitgeberseite und die Arbeitnehmer*innen, wenn sie das Mobilitätsbudget in Anspruch nehmen? Setzt die geltende Besteuerung Ihrer Ansicht nach genügend Anreize für einen Umstieg vom Dienstwagen auf das Mobilitätsbudget?
Seit dem 1. Januar 2019 wurden bereits Begünstigungen durch den Entfall der Steuerpflicht für einen geldwerten Vorteil beim Zuschuss des Arbeitgebers bis hin zur vollständigen Kostenübernahme für ÖPNV für den Arbeitsweg von Beschäftigten geschaffen. Weiterhin wurde die Möglichkeit eines Dienstfahrrads bis hin zur vollständigen privaten Nutzung geschaffen. Wir nehmen auch wahr, dass es immer wieder Überlegungen gibt, die Besteuerung von Dienstwagen zur privaten Nutzung zu erhöhen.
Ob die geltende Besteuerung ausreichend Anreize für einen gesamtgesellschaftlichen Wandel wie bspw. einer Abkehr vom Dienstwagen zur privaten Nutzung setzt, können wir nicht beurteilen. Allerdings haben wir die seit Januar 2019 geltenden Begünstigungen als ersten Schritt in die richtige Richtung wahrgenommen.
Die CO2-Emissionen vieler Pkw sind im Realbetrieb teils deutlich höher als auf dem Prüfstand. Laut der internationalen Forschungsorganisation ICCT betrug die durchschnittliche Abweichung 2018 bis zu 39 Prozent. Spielte der Spritmehrverbrauch hinsichtlich Ihrer Entscheidung für nachhaltigere Mobilität eine Rolle?
Wir haben insgesamt die Hoffnung, dass wir über eine Reduzierung der Fahrzeugflotten in Bremens öffentlichen Unternehmen einen kleinen, möglicherweise zunächst symbolischen Beitrag zur Reduzierung der CO2-Emissionen erreichen können.
Abgesehen vom Mobilitätsbudget: Wo setzen Sie an, um zukunftsorientierte und klimafreundliche Unternehmensmobilität zu fördern?
Der Senat wird hier schrittweise und mit Bedacht vorgehen. Zunächst sind wir gespannt auf interessante Mobilitätskonzepte in den jeweiligen Unternehmen, die ja ggf. bereits weiterführende Ideen und Anreize enthalten werden.
Vielen Dank für das Interview!
Das Interview wurde im Rahmen der Kampagne „Get Real – Für ehrliche Spritangaben“ durchgeführt. Get Real wird im Rahmen des LIFE-Programms von der EU-Kommission gefördert.
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