Die Landwirtschaft in Deutschland steckt in der Krise. Die zu intensive Bewirtschaftung mit hohen Nutztierdichten, der Einsatz von chemischen Hilfsmitteln sowie eine beispiellosen Überdüngung führen zu erheblichen ökologischen Schäden bei der Produktion unserer Nahrungsmittel und anbaubasierter Rohstoffe wie Mais oder Raps. Auch das Höfesterben in Deutschland verdeutlicht einen radikalen Strukturwandel, durch den Landwirtinnen und Landwirte nach und nach ihre Perspektive verlieren. Fest steht: Die Politik muss jetzt handeln – für eine nachhaltige Landwirtschaft mit ökologischer Verantwortung.
Doch die EU-Agrarpolitik setzt mit ihren Subventionen viele Fehlanreize. Höher, schneller, weiter – darauf kommt es an. Das Prinzip lautet: Wer viel Fläche bewirtschaftet, bekommt pauschal viele Steuergelder ausgezahlt. Dabei ist die Größe eines Betriebes kein Indikator für den Nutzen für Gesellschaft, Umwelt und Ernährungssicherheit. Im Gegenteil: Die pauschalen Flächensubventionen fördern einen Intensivierungsdruck in der Landwirtschaft und sind somit auch Ursache dafür, dass viele Landwirtinnen und Landwirte aufgeben.
Auch die Lebensmittelindustrie, der Handel und die vor- und nachgelagerten Bereiche wie die Agrarchemie und die Finanzwirtschaft befeuern den Strukturwandel in der Landwirtschaft. Die Preise für Lebensmittel an der Ladenkasse sind meist viele zu niedrig. Dabei spiegeln sie nicht die wahren Kosten wider, die für deren Produktion entstehen. Die Agrarindustrie, aber auch die Konsumentinnen und Konsumenten, profitieren somit von einer nicht nachhaltigen Landnutzung, die Tiere, Böden, Gewässer und die Luft übermäßig belastet. Ein Großteil der hier produzierten Lebensmittel wird dabei gar nicht in Deutschland konsumiert, sondern exportiert.
Ökologische Verantwortung für Mensch und Natur
Die Landwirtschaft in Deutschland muss aufhören sich an einer globalisierten Massenproduktion zu orientieren und sich wieder ihrer eigentlichen Aufgaben bewusste werden: Gesunde Lebensmittel in einer gesunden Umwelt für die Menschen in der Region herzustellen. Landwirtinnen und Landwirte müssen endlich finanziell dafür belohnt werden, gute Lebensmittel umweltschonend zu produzieren. Das Rennen um die kosteneffizienteste Produktion von Lebensmitteln muss zugunsten einer Ökologisierung der Landwirtschaft beendet werden.
5 Herausforderungen des Agrarstrukturwandels
Das Motto „Wachsen oder Weichen“ führte zu einem dramatischen Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe. Was bleibt oder durch Zusammenlegung entsteht sind große Betriebe mit großen Feldschlägen und ohne artenreiche Randbiotope. Auch die Dimensionen der Tierbestände nehmen zu, wodurch oftmals die Nährstoffkreisläufe gesprengt werden, beginnend bei Import-Futtermitteln bis hin zu „Gülle-Fluten“.
Durch die Spezialisierung auf Marktfrüchte wie Weizen werden die Fruchtfolgen stark verengt, was die Artenvielfalt negativ beeinflusst. Zudem führt es zur erhöhten Anfälligkeit für natürliche klima- und wetterbedingte Schocks sowie ertragsschädigende Insekten und Wildkräuter, was wiederum den Einsatz von Pestiziden erhöht.
Den stärksten negativen Einfluss auf unsere Umwelt hat die Intensivierung, also die Steigerung des Einsatzes von Betriebsmitteln wie Dünger und Pestizide je Hektar. Auch in der Tierhaltung führen steigende Viehbestände und der Einsatz externer Futtermittel zu weitreichenden negativen Umweltfolgen: Böden, Grund- und Oberflächengewässer, Luft und Klima werden zunehmend belastet. Durch Nährstoffanreicherung (Eutrophierung) werden Ökosysteme und ihre Artenvielfalt dauerhaft geschädigt.
Die Landwirtschaft ist zunehmend Teil der Wertschöpfungsketten des globalen Ernährungssystems geworden. Die Folge ist ein dramatischer Verlust an Souveränität: Preise, Abnahmekonditionen und Qualitätsstandards werden zunehmend von der Ernährungsindustrie, also Groß- und Einzelhandelsunternehmen mit enormer Marktmacht bestimmt. Der Kontakt zu Endverbraucherinnen und Endverbrauchern ist hingegen weitgehend abgerissen. Hinzukommt die Abhängigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe von Anbietern von Agrarchemie, Landmaschinen und Futtermitteln.
In einigen Regionen, meist solchen mit leichtem Zugang zu importierten Futtermitteln, sind extrem hohe Tierbestände zu verzeichnen. Dem entgegen gesetzt bietet sich in vielen Mittelgebirgsregionen ein ganz anderes Bild: Hier wird die extensive Beweidung wertvoller Grünlandflächen ganz aufgegeben. Beides hat negative Folgen für Umwelt, Klima und Biodiversität.
Der Weg zu einer ökologischen Landwirtschaft mit Perspektive
Die EU-Agrarpolitik ist mit Abstand der größte Hebel zur Gestaltung der Landwirtschaft, denn mit der Förderung der Einkommen von Landwirtinnen und Landwirten setzt sie die finanziellen Anreize für das aktuelle landwirtschaftliche System. Auf dem Weg hin zu einer Ökologisierung der Landwirtschaft müssen die Akteure jedoch aktiv begleitet werden. Der Schutz der Biodiversität, des Klimas und der Luftqualität sind Leistungen der Landwirtinnen und Landwirte, die von der Gesellschaft mitfinanziert werden müssen.
Die notwendigen Mittel dafür stehen durch die Steuergelder der europäischen Bürgerinnen und Bürger im EU-Haushalt bereit. Neben der Honorierung von ökologischen Leistungen in der Landwirtschaft braucht es ein strengeres Ordnungsrecht, das auch wirklich kontrolliert und eingehalten wird. So darf Tierhaltung nicht weiter entkoppelt von der bewirtschafteten Fläche betrieben werden. Anders als es in der momentan verbreiteten Intensivtierhaltung der Fall ist, brauchen wir eine im Ordnungsrecht verankerte, flächengebundene Tierhaltung. Auch beim Einsatz von Agrochemikalien wie synthetischen Düngemitteln und Pestiziden bedarf es einem stärkeren und vor allem verbindlichen Ordnungsrecht zum Schutz unserer Biodiversität und um nationale Klimaziele zu erreichen.
Das Ziel unserer Agrarpolitik muss also sein, den Erhalt von gesunden Böden, sauberer Luft, intakten Gewässern, artenreichen Lebensräumen und kleinteiligen Kulturlandschaften genauso in die Logik der Landwirtschaft zu integrieren wie die Produktion von hochwertigen Lebensmitteln. Dafür fordern wir einen neuen Gesellschaftsvertrag und möchten diesen durch unsere Arbeit aktiv mitgestalten.
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Ansprechpartner
Reinhild Benning
Senior Beraterin für Agrarpolitik
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