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Pressemitteilung

Mit Vollgas in die Klimakatastrophe?

Berlin, Montag, 22.01.2007 Dateien: 2

Deutsche Umwelthilfe legt „Sofortprogramm zur Minderung der Klimagas-Emissionen von Pkw“ vor – EU-weit verbindliche Verbrauchsobergrenzen für Pkw ab 2008 notwendig – Dienstwagen-Privileg mit Subventionen von bis zu 67.000 Euro für Klima belastende Pkw von BMW, VW, DaimlerChrysler und Porsche mit hohem Benzinverbrauch soll fallen

Zwei Tage vor der geplanten Verabschiedung einer Kommissionsmitteilung an den Rat und das Europäische Parlament über die alarmierende Entwicklung der Klimagas-Emissionen im Straßenverkehr droht die erneute Vertagung. Die europäische Automobilindustrie und hier vor allem die deutschen Autobauer laufen gegen eine von EU-Umweltkommissar Stavros Dimas verantwortete Vorlage Sturm, die der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) vorliegt. Die DUH veröffentlicht deshalb die Entwurfsfassung mit dem Titel „Ergebnisse der Überprüfung der Strategie der Gemeinschaft zur Minderung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen“ vorab.  Aus dem Dokument geht hervor, dass und wie die bisherige Politik zur Klimagas-Eindämmung im Straßenverkehr gescheitert ist (siehe Download am Ende dieser Seite: "EU-Entwurf_CO2-Minderung").

Während französische und italienische Autobauer den CO2-Ausstoß ihrer Fahrzeuge in den vergangenen Jahren deutlich senken konnten und voraussichtlich im Jahr 2008 den von der EU-Kommission für diesen Zeitpunkt vorgegebenen Zielwert von 140 g CO2/km einhalten, sind die deutschen Automobilbauer hiervon weit entfernt. Statt den Versuch zu unternehmen, den Vorsprung vor allem japanischer Unternehmen beim Bau verbrauchsarmer und zuverlässiger Fahrzeuge zu verringern, bringen deutsche Hersteller nach wie vor spritdurstige PS-Boliden auf den Markt.

"Insbesondere DaimlerChrysler mit der Marke Mercedes Benz und Volkswagen mit seiner Premium-Marke Audi haben offensichtlich die Zeichen der Zeit nicht erkannt und erklären dem Weltklima mit ihrer Modellpolitik den Krieg“, sagte Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH). Anlässlich der Weltklimakonferenz in Nairobi im vergangenen Herbst hatte die DUH die parallel erschienene Autowerbung in den Nachrichtenmagazinen Spiegel und Focus (Ausgabe 6. November 2006) ausgewertet. Ergebnis: Während japanische Autobauer für Pkw mit einem moderaten Spritverbrauch warben (Toyota Avensis Diesel - 158 g CO2/km, Mitsubishi Colt CZC - 163 g CO2/km, Mazda 3 - 165 g CO2/km, Lexus RX400h/ GS450h - 189 g CO2/km), präsentierten DaimlerChrysler und Audi ausgerechnet ihre Spitzenprodukte mit Klimakiller-Spitzenwerten. So warb DaimlerChrysler für seine Mercedes GL-Klasse, die einen durchschnittlichen CO2-Ausstoß von 306 g/km aufweist; und Audi für den R 8, dessen CO2-Werte mit 337 g/km noch höher liegen. Beide Pkw emittieren damit mehr als das Doppelte des EU-Zielwerts für 2008.

Seither haben sich die Anzeichen für einen sich beschleunigenden globalen Klimawandel weiter verstärkt. „Die Politik muss jetzt handeln, statt weiter zu versuchen, mit folgenlosen Absichtserklärungen Zeit zu gewinnen, bis sich die Sorgen der Bürger verflüchtigen“, sagte Jürgen Resch. Die DUH hat zwei Jahre lang ordnungs- und steuerrechtliche Instrumente zur CO2-Minderung im Straßenverkehr in verschiedenen europäischen Ländern, in Kalifornien, Japan und China analysiert und auf Basis der dort gesammelten Erfahrungen ein Eckpunktekonzept erarbeitet. Der Vorschlag enthält konkrete und im Fall seiner Umsetzung kurzfristig – das heißt noch im Jahr 2007 – greifende Maßnahmen. Weil Klimapolitik nach Überzeugung der DUH in allen großen Industriestaaten und der EU Chefsache werden muss, richtet sich das „Sofortprogramm zur Minderung der Klimagas-Emissionen von Pkw“ der DUH direkt an die deutsche Bundeskanzlerin und derzeitige EU-Ratsvorsitzende Angela Merkel.

Das Maßnahmepaket der DUH ist in einem zentralen Punkt auch für die Finanzpolitik attraktiv. Es enthält weit reichende Vorschläge für die Streichung klimaschädlicher Steuerprivilegien für Pkw-Neufahrzeuge mit hohen CO2-Emissionen und entlastet so als Nebeneffekt den Staatshaushalt um mehrere hundert Millionen Euro jährlich. „Die Subventionen für ausgesprochene Klimakiller auf unseren Straßen waren und sind möglicherweise auch EU-rechtlich fragwürdig. Wir sind deshalb zuversichtlich, dass es uns gelingt, diese Privilegien trotz des zu erwartenden Widerstands der Autobauer kurzfristig abzuschaffen“, betonte Resch und erinnerte daran, dass die DUH bereits vor zwei Jahren mit ihrer Initiative zur Beendigung umweltschädlicher Subventionen für schwere Gelände- und Wohnwagen erfolgreich war. Derartige Gefälligkeits-Subventionen seien angesichts der Signale, die das Klima in diesen Tagen aussendet ökologisch nicht mehr zu verantworten. Resch: „Sozial waren sie es nie: Es ist einer Sekretärin in einem Vorstandsbüro nicht zu erklären, dass sie mit ihrer Lohnsteuer dem Chef den Kauf eines Luxus-Pkw zur Hälfte bezuschussen soll. Wenn dieses Auto darüber hinaus doppelt oder dreimal so hohe Klimagas-Emissionen verursacht wie der eigene Wagen, wird das Steuer-Privileg zum Skandal.

Konkret geht es bei diesem Punkt des DUH-Konzepts um die Aufhebung des Steuerprivilegs für Klima belastende Dienstwagen über 140 g CO2/km. Derzeit erstattet der Fiskus Unternehmen bei der Anschaffung eines dienstlich genutzten Pkw bis zu 49% des Kaufpreises. „Je höher der Spritverbrauch, umso höher die Subvention – auf diesen einfachen Nenner kann man die absurde deutsche Förderpraxis bringen“, erklärte Resch.

Anhand von Vergleichsrechnungen hat die DUH „in Euro und Cent“ ermittelt, mit welchen Summen sich die Finanzminister von Bund und Ländern an den Anschaffungskosten klimaschädlicher Spritschlucker der Marken Porsche, Mercedes, Audi, VW und BMW beteiligen, die den EU-Zielwert für das Jahr 2008 (140 g CO2/km) um mehr als 100% überschreiten (s. Tabelle im Download "Beispielrechnung_Steuervorteile" am Ende dieser Seite).

In Großbritannien ist der DUH-Vorschlag zur Abschaffung der Steuerprivilegien für Spritschlucker bereits umgesetzt und hat sich insgesamt segensreich auf den CO2-Ausstoß der Dienstwagenflotte ausgewirkt. In Großbritannien sind dienstlich genutzte Pkw seit einigen Jahren nur noch steuerlich absetzbar, wenn ihr CO2-Ausstoß 160g/km nicht übersteigt. Als erfreuliche Folge liegt der durchschnittliche Spritverbrauch von Dienstwagen inzwischen auf den britischen Inseln niedriger als der der privaten Fahrzeugflotte.

Neben der Beschränkung der Steuerprivilegien für große Dienstwagen fordert die DUH in ihrem Sofortprogramm:

  • die Einführung verbindlicher CO2-Grenzwerte für alle in Europa ab 2008 neu zugelassenen Pkw sowie für Nutzfahrzeuge,
  • eine elektronische Abregelung der Höchstgeschwindigkeit über die Motorsoftware mindestens auf den in Japan eingeführten Wert von 190 km/h, 
  • verbindliche Vorgaben im öffentlichen Beschaffungswesen zur Einhaltung der CO2-Zielwerte, 
  • eine CO2- statt Hubraum-abhängige Kfz-Steuer, die effiziente und besonders abgasarme Pkw privilegiert, 
  • die Verbesserung der derzeit unbefriedigenden Verbrauchskennzeichnung in Anlehnung an die Kennzeichnung von Elektrogeräten (Kühlschränke etc.) und ihre Ausweitung auf Energieverbraucher in Pkw wie Klimaanlagen, Radios etc. 
  • die Einführung einer Höchstgeschwindigkeit auf deutschen Autobahnen entsprechend dem EU-Durchschnitt, 
  • eine strenge Überwachung und Verfolgung von Manipulationen der Abgas/Motorsteuerung außerhalb des „EU-Prüfzyklus“ durch die Hersteller.

Resch betonte, dass viele der im DUH-Sofortprogramm erhobenen Forderungen „keineswegs revolutionär“ seien, sondern größtenteils ganz ähnlich in dem von der DUH vorab veröffentlichten Papier der EU-Kommission auftauchen.

Einem von Industriekommissar Günter Verheugen ins Gespräch gebrachten „Emissionshandel“ mit CO2-Emissionszertifikaten erteilte Resch eine klare Absage. Er verwies auf Erfolge, die Staaten wie Japan, China sowie der Bundesstaat Kalifornien vorweisen können, die bereits verbindliche Begrenzungen des Spritverbrauchs von Neuwagen eingeführt oder beschlossen haben. Offensichtlich teilten auch EU-Umweltkommissar Stavros Dimas sowie Bundesumweltminister Sigmar Gabriel diese Einschätzung der DUH. Dies gelte auch für die von der deutschen Automobilindustrie und der schwarz-roten Bundesregierung immer wieder ins Spiel gebrachte Anrechnung von Biosprit-Anteilen an den Kraftstoffen auf die CO2-Zielwerte für 2008 und/oder 2012. Hierzu heißt es in dem Dimas-Papier unmissverständlich: „Das Ziel muss durch die Verbesserung bei der Fahrzeugtechnik erreicht werden“. Für die DUH, die gegen eine mögliche Verrechnung wachsender Biospritanteile mit den EU-Effizienzzielen seit Jahren protestiert, bedeutet diese Festlegung der Kommission eine Bestätigung ihrer Position und „eine schallende Ohrfeige für alle in Regierung und Industrie, die den deutschen Autobauern weiter ein Sonderrecht auf Klimabelastung einräumen wollen“, so Resch.

Für Rückfragen:

Jürgen Resch
Deutsche Umwelthilfe e. V., Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin, Mobil.: 0171/3649170, Fax: 030/258986-19, E-Mail: resch@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz
Deutsche Umwelthilfe e. V., Leiter Politik, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin, Tel.: 030/258986-0, Fax: 030/258986-19, Mobil: 0171 5660577,
E-Mail: rosenkranz@duh.de
 


Anlage 1

Sofortprogramm zur Minderung der Klimagas-Emissionen von Pkw


Eckpunktepapier der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) zur raschen Eindämmung wachsender Klimabelastungen im Straßenverkehr

Der derzeit mit zunehmender Dynamik spürbare Klimawandel fordert eine Entwicklung hin zu sauberen und gleichzeitig sparsameren Pkw. Leider hat die deutsche Autolobby immer noch nicht den Ernst der Lage erkannt und kämpft verbissen gegen jegliche Begrenzung des Klimagases CO2. Dabei handelt sie gegen ihre eigenen Zukunftschancen: Denn langfristig werden die deutschen Autobauer ihre Position auf den internationalen Märkten nur halten können, wenn sie saubere, sparsame und zuverlässige Autos produzieren, die die Welt unter den Bedingungen des Klimawandels braucht.

Die Deutsche Umwelthilfe e. V. fordert die Bundesregierung deshalb auf, folgende Maßnahmen zu ergreifen:

  • Einführung verbindlicher CO2-Grenzwerte für alle in Europa ab 2008 neu zugelassenen Pkw.
  • Abschaffung der steuerlichen Abzugsfähigkeit beim Kauf dienstlich genutzter Pkw-Neuwagen mit einem CO2-Ausstoß oberhalb der CO2-Zielwerte der EU, d.h. 140g CO2/km (bis 2011) bzw. 120g CO2/km (ab 2012).
  • Verbindliche Vorgaben im öffentlichen Beschaffungswesen zur Einhaltung der CO2-Zielwerte der EU bei Neuanschaffungen von Pkw, wonach Pkw-Neuwagen mit einem CO2-Ausstoß oberhalb der CO2-Zielwerte der EU, d.h. 140g CO2/km (bis 2011) bzw. 120g CO2/km (ab 2012) nicht mehr angeschafft werden dürfen.
  • Einführung einer CO2-abhängigen Kfz-Steuer für Pkw (wie bereits im Koalitionsvertrag angekündigt). Die neue Kfz-Steuer, die die bisherige hubraumabhängige Steuer ablöst, muss gleichzeitig besonders abgasarme, saubere Pkw besser stellen (derzeit Hybridfahrzeuge sowie Diesel-Pkw, die bereits die strengsten japanischen und amerikanischen Abgasstandards bei Partikeln und NOx erfüllen).
  • Umstellung der unzureichenden und verbraucherfeindlichen Energiekennzeichnung beim Neuwagenkauf in Anlehnung an die Regelung bei Elektrogroßgeräten („weiße Ware“), wie dies in Belgien, den Niederlanden oder der Schweiz bereits geschieht. Die künftige Regelung soll dem Verbraucher den unmittelbaren Vergleich der Fahrzeuge ermöglichen. Sie soll darüber hinaus den Kraftstoffmehrverbrauch im Vergleich zum sparsamsten Pkw – ausgedrückt in Euro - und über eine angenommene Gesamtnutzungsdauer darstellen.
  • Schnelle Verabschiedung der EU-Initiative zur korrekten und vollständigen Angabe des CO2-Ausstoßes, die sowohl alle verbauten Energieverbraucher wie Klimaanlage, Radio etc. berücksichtigt als auch den realen Fahrbetrieb abbildet sowie rasche Umsetzung in nationales Recht.
  • Überwachung und gegebenenfalls Strafverfolgung von Manipulationen der Automobilhersteller an der Motoren-/Abgassteuerung, die zu sprunghaft erhöhten Spritverbräuchen und Abgaswerten außerhalb des „EU-Prüfzyklus“ führen. (Derartige Manipulationen, die Angabe falscher Verbrauchswerte und Tricksereien bei der Typenzulassung - z.B. Ausstattung des Prüffahrzeugs mit rollwiderstandsärmeren Reifen als das Serienmodell – sind den Behörden bekannt, werden jedoch bisher nicht verfolgt).
  • Anpassung der Höchstgeschwindigkeit auf deutschen Autobahnen entsprechend dem EU-Durchschnitt. Angestrebt wird eine Geschwindigkeitsbegrenzung wie sie in allen zivilisierten Ländern der Welt seit langem üblich ist.
  • Verbindliche Festlegung einer fahrzeugseitig einheitlichen maximalen Geschwindigkeit über die Motorsoftware mindestens auf den in Japan geltenden Grenzwert von 190 km/h. Dies würde gegenüber den derzeit zulässigen und praktisch möglichen Höchstgeschwindigkeiten von über 400 km/h auf deutschen Straßen mehr als eine Halbierung bedeuten. Selbst Kleinwagen wie der Opel Corsa und VW Polo erreichen heute 225 km/h, der 1er BMW erreicht per Software Tuning 260 km/h, wird aber werksseitig bei 250 km/h „abgeregelt“. VW hat derzeit sechs Serien-Pkw mit einer Höchstgeschwindigkeit von über 300 km/h im Angebot, der max. Verbrauch des 407 km/h schnellen VW-Bugatti Veyron beträgt bei Vollgas 100 l/100km. 
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