Pressemitteilung
Fünf Jahre gebrochenes Pariser Klimaschutzabkommen: Deutsche Umwelthilfe setzt auf Klageerfolg vor dem Bundesverfassungsgericht
Berlin, 10.12.2020: Zum fünften Jahrestag des Pariser Klimaschutzabkommens an diesem Samstag (12. Dezember) wirft die Deutsche Umwelthilfe (DUH) der Bundesregierung eine gescheiterte Klimaschutzpolitik vor. Die zugesagten Klimaziele sind mit den bisher beschlossenen Maßnahmen nicht erreichbar. In fast allen Bereichen liegt die Bundesrepublik selbst nach ihren eigenen Gutachten weit zurück. Besonders eindrucksvoll zeigt sich das Versagen der Regierung in den Sektoren Verkehr, Energie und Gebäude. Hier wurden Industrieinteressen über Klimaschutz gestellt, die eigenen Pläne und Gesetze gebrochen und teils deutliche Rückschritte gemacht.
Die DUH setzt deshalb auf das Bundesverfassungsgericht und das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg und den Erfolg ihrer dort anhängigen Klimaklagen, um wirklich wirksamen Klimaschutz auch in Form von Sofortmaßnahmen zu erreichen. Dafür unterstützt sie die Verfassungsbeschwerden von jungen Menschen aus Deutschland und von heute schon unter dem Klimawandel leidenden Klägern aus Bangladesch und Nepal. Und sie führt selbst die Klage gegen die Bundesregierung mit Blick auf Versäumnisse im Verkehrsbereich.
„Anstatt eine wirkliche Verkehrswende einzuleiten und die Klimagasemissionen des Straßenver-kehrs radikal zu senken, fördert diese Bundesregierung besonders klimaschädliche Pkw-Neufahrzeuge mit immer höheren Steuersubventionen. Seit der Unterschrift unter das Pariser Klimaabkommen wurden die zuvor stagnierenden Straßenbaumittel um über 40 Prozent gesteigert und gleichzeitig der Schienenzubau und die Elektrifizierung von Bahnstrecken auf nahe Null heruntergefahren. Besonders klimaschädliche SUV-Stadtpanzer mit durstigen Verbrenner-Motoren werden mit in der Spitze über 100.000 Euro Subvention pro Fahrzeug auch noch aus Steuermitteln finanziert. Die ehemalige Klimakanzlerin Merkel ist heute eine Schutzheilige rückwärtsgewandter Dieselkonzerne und finanziert das Schaufahren gegen den Klimaschutz“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
„Mit ihrem energiepolitischen Kurs gefährdet die Bundesregierung fünf Jahre nach Paris die selbstgesteckten Klimaziele. Der Kohleausstieg kommt zu spät und wird zu teuer. Gleichzeitig befördert die Bundesregierung unsinnige neue Gasprojekte wie die geplanten Fracking-Gas Terminals an der norddeutschen Küste und die Pipeline Nord Stream 2, die allein für 100 Millionen Tonnen zusätzlichen CO2-Ausstoß im Jahr verantwortlich wäre. Gegen all diese aus der Zeit gefallenen fossilen Energieprojekte wird sich die Deutsche Umwelthilfe mit allen verfügbaren politischen und juristischen Instrumenten zur Wehr setzen. Stattdessen fordern wir die Bundesregierung dazu auf, konsequent Kurs auf das Ziel 100 Prozent erneuerbare Energien aufzunehmen. Der in den letzten Jahren zum Erlahmen gekommene Ausbau der Windenergie muss durch ein generalüberholtes Erneuerbare-Energien-Gesetz wieder Fahrt aufnehmen. Zum Ausbau der Sonnenenergie brauchen wir eine Photovoltaikpflicht auf allen Neubauten. Grundsätzlich gilt: Wir brauchen eine Politik, die alle Maßnahmen und Gesetze unter eine Prämisse stellt: sie müssen immer auch dem Klimaschutz nützen und dürfen ihn keinesfalls behindern“, fordert DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner.
„Und als ob all das schon nicht schlimm genug wäre, setzt die Bundesrepublik noch einen drauf: Nicht einmal bei sich selbst treibt der Staat wirksame Klimaschutzmaßnahmen voran. Bei der energetischen Sanierung öffentlicher Gebäude etwa gibt es nicht einmal eine Übersicht der Bauten und ihrer Probleme – und einen Plan für die Sanierung erst recht nicht. Wir haben zusammen mit FragDenStaat in unserem Klima-Gebäude-Check aufzeigen können, dass nur drei Prozent der öffentlichen Gebäude laut den uns vorliegenden Energieausweisen einen vernünftigen und nachhaltigen Energiestandard haben. Wie kann man von privaten Eigentümern überzeugend verlangen zu sanieren, wenn man es selbst nicht bei den eigenen Gebäuden angeht? Hier brauchen wir eine sofortige Kehrtwende“, so Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH.
Hintergrund:
Vor dem Pariser Klimaabkommen stagnierten die Mittel für den Bundesstraßenbau über Jahre bei 10 Milliarden Euro. Von 2016 bis 2019 stiegen sie auf über 14 Milliarden Euro. Gleichzeitig sank der Schienenzubau in den vergangenen beiden Jahren auf praktisch null Kilometer. Der Anteil „dienstlicher Zulassungen“ z.B. als Dienstwagen bei den besonders klimaschädlichen SUV-Stadtpanzern liegt bei nahe 100 Prozent. Der Grund hierfür ist einfach: Der Staat übernimmt bis zu 60 Prozent des Kaufpreises als Subvention. Für einen Porsche Cayenne mit 550 PS Benzinmotor beträgt der Staatsanteil aktuell bis zu 99.800 €.
Die DUH fordert deshalb von der Bundesregierung und auch vor Gericht Sofortmaßnahmen, um den fatalen Kurs in der Klimapolitik zu korrigieren und die Einhaltung der Klimaziele noch zu ermöglichen. Dazu zählt etwa die Einführung eines Tempolimits auf Autobahnen sowie die Absenkung der Höchstgeschwindigkeit außerorts wie innerorts. Allein das würde 100 Millionen Tonnen CO2 bis 2034 einsparen – ohne nennenswerte Kosten zu verursachen. Ebenso verlangt die DUH den sofortigen Stopp fossiler Infrastrukturprojekte als einen Schritt zu einer neuen Energiepolitik.
Auch in weiteren Bereichen kritisiert die DUH verfehltes Handeln und verpasste Chancen zu Lasten des Klimaschutzes. Dies betrifft etwa die weitere Förderung der bestehenden Agrarindustrie anstatt einer nachhaltigen und klimaschonenden Agrarwende, fehlendes Engagement gegen die dramatische Lebensmittelverschwendung oder für ein Lieferkettengesetz mit starken Umweltstandards beispielsweise zum Schutz der tropischen Regenwälder. Sogar bei Themen, die in einem hochentwickelten Industrieland selbstverständlich erscheinen, wie der korrekten Entsorgung von FCKW-haltigen Elektrogeräten schlampt Deutschland – mit der Folge von etwa einer Million Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr. Bei der Bekämpfung von Einweg-, Verpackungs- und Plastikmüll sind sogar Rückschritte zu verzeichnen.
Kontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer
0160 90354509, mueller-kraenner@duh.de
Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin
0170 7686923, metz@duh.de
DUH-Pressestelle:
Matthias Walter, Marlen Bachmann, Thomas Grafe
030 2400867-20, presse@duh.de