Pressemitteilung
Deutsche Umwelthilfe fordert verpflichtende Hardware-Nachrüstung für alle Euro 5 und 6 Betrugs-Diesel auf Kosten der Hersteller
Berlin, 27.9.2018: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bewertet das von Verkehrsminister Andreas Scheuer vorgestellte Konzept als völlig ungeeignet und als verzweifelten Versuch, die Autokonzerne abermals mit einem Sonderkonjunkturprogramm für erneut schmutzige Diesel-Pkw zu belohnen. Der Umwelt- und Verbraucherschutzverband fordert Kanzlerin Angela Merkel auf, sich bei ihrer für Montag angekündigten Entscheidung endlich für die vielen Millionen von den Autokonzernen betrogenen Diesel-Käufer einzusetzen. Die Hersteller müssen zu einer wirksamen Hardware-Nachrüstung für alle Betrugs-Diesel der Euronorm 5 und 6 auf deren Kosten verpflichtet werden.
Seit drei Jahren verweigern die von den Autokonzernen ferngesteuerten CSU-Verkehrsminister Millionen unter dem Dieselabgasgift Stickstoffdioxid (NO2) leidenden Menschen die „Saubere Luft“. Anstatt wie in den USA die über 20 Jahre in Form eines kriminellen Kartells agierenden Dieselhersteller zur Reparatur der unwirksamen Katalysatoren zu verpflichten, spielte auch die Neuauflage der Großen Koalition weiterhin auf Zeit und bescherte den Herstellern im vergangenen Jahr mit 35 Milliarden Euro (EBIT) den höchsten Gewinn aller Zeiten.
Erst seitdem die DUH gerichtliche Entscheidungen zu Diesel-Fahrverboten in Düsseldorf, Stuttgart, München, Aachen und zuletzt Frankfurt erwirkte und sich immer mehr Bundesländer der DUH-Forderung von Hardware-Nachrüstungen anschließen, beschäftigt sich die Regierung zumindest rhetorisch mit diesem Thema. Die bisher bekannt gewordenen Details aus dem Hause Scheuer sind nicht geeignet, die Luft in unseren Städten wirksam von giftigen Dieselabgasen zu befreien – im Gegenteil: Nur einem kleinen Teil der von den Herstellern betrogenen Diesel-Besitzer sollen „freiwillige Hilfsangebote“ gemacht werden.
Schmutzige Diesel sollen – so Diesel-Minister Scheuer – durch neuere, ebenfalls schmutzige Dieselneu- oder Gebrauchtfahrzeuge ausgetauscht werden. Hardware-Nachrüstungen sollen durch eine Kombination von Auflagen weitestgehend vermieden werden: eine technisch nicht begründbare Einschränkung auf jeweils ein Modell pro Hersteller sowie die Beschränkung auf wenige Regionen. Und schließlich – der absurdeste Vorschlag des Jahres – sollten die Diesel-Besitzer auch noch eine Betrugs-Rückabwicklungsgebühr an den jeweiligen Hersteller zahlen.
„Die neuerliche Abwrackprämie für wenige Jahre alte, mit Ausnahme der Abgasanlage meist neuwertige Diesel-Pkw ist absurd. Verkehrsminister Scheuer hat seinen Amtseid auf das Wohl der Bürger und nicht der Konzerne geleistet. Tatsächlich agiert er als der ‚offizielle Vertreter der Autokonzerne im Bundeskabinett‘ und fordert immer neue Sonder-Verkaufsprogramme anstatt die Hersteller zu verpflichten, alle auf der Straße nicht funktionierenden Katalysatoren auf eigene Kosten zu ersetzen. Und auf den Sachverstand seiner „Expertengruppe“ pfeift er – soeben wurde nach neunmonatiger Zwangspause erneut die für morgen geplante Sitzung abgesagt“, kritisiert Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen in Hessen und Bayern und dem zunehmenden Unmut der von Fahrverboten betroffenen Diesel-Besitzer haben sich nach einer aktuellen Umfrage zwischenzeitlich 14 von 16 Landesumwelt- und 12 von 16 Landesverkehrsminister für Hardware-Nachrüstungen ausgesprochen. Dennoch verweigert sich Scheuer der Not von vielen hunderttausend jedes Jahr am Dieselgift NO2 erkrankenden Menschen sowie den Besitzern relativ neuer Euro 5 Diesel, die gemäß den Herstellerangaben darauf vertrauten, ein sauberes und von Fahrverboten befreites Fahrzeug gekauft zu haben.
„Seit dem Bekanntwerden des Diesel-Abgasbetrugs hat die Bundesregierung drei Jahre verstreichen lassen. In dieser Zeit sind viele tausend Menschen vorzeitig an NO2 verstorben, hunderttausende erkrankt und mehrere Millionen Besitzer von Euro 5 Diesel erleiden deutliche Wertverluste“, kritisiert Resch.
Die Zeit der Kumpanei der Bundesregierung mit den Autoherstellern muss nun endlich beendet werden. Die gestrige Entscheidung der Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen strengere CO2-Vorgaben für die Automobilindustrie bis 2030 – gegen den Willen von zwei Drittel der EU-Mitgliedsländer – zeigt, dass die Fernsteuerung dieser Autokanzlerin unvermindert weitergeht. Die DUH ist daher ausgesprochen skeptisch, ob Merkel erstens willens und zweitens in der Lage ist, sich gegen die Dieselkonzerne durchzusetzen.
Die DUH warnt vor dem Kauf von neuen Euro 6 Diesel-Pkw. Messungen des Emissions-Kontroll-Instituts (EKI) der DUH an mehr als 80 Diesel-Pkw der Abgasnorm Euro 6 sowie das vom Umweltbundesamt herausgegebene Handbuch für Emissionsfaktoren zeigen, dass auch Euro 6 Diesel den geltenden Stickoxid (NOx)- Grenzwert auf der Straße um ein Vielfaches überschreiten. Bei den Messungen des EKI lagen die Emissionen im Schnitt bei 444 mg NOx/km. Das entspricht einer 5,5-fachen Überschreitung des geltenden NOx-Grenzwerts von 80 mg NOx/km. Nur 8,4 Prozent der im EKI untersuchten Euro 6 Diesel-Pkw hielten den Stickoxid-Grenzwert ein. Das vom Umweltbundesamt herausgegebene Handbuch für Emissionsfaktoren gibt einen noch höheren Durchschnittswert für Euro 6 Diesel Pkw an. Demnach emittieren die Fahrzeuge im Schnitt 509 mg NOx/km. Ohne verpflichtende Hardware-Nachrüstungen und unabhängige Kontrollen ist eine verlässliche und effektive Minderung der Schadstoffemissionen nicht möglich. Auch die allerneuesten Euro 6d Diesel-Pkw sind nicht zu empfehlen. Die hierfür geltenden Zulassungsbedingungen erlauben eine Überschreitung des NOx-Grenzwerts auf der Straße um 110 Prozent auf 168 mg NOx/km. Aktuelle Tests des europäischen Dachverbands Transport & Environment (T&E) zeigen bei einem Euro 6d temp Diesel-Pkw bei geringfügig veränderter Prüfsituation sogar im Mittel über 1.000 mg NOx/km.
Mit dem jetzt vorliegenden Vorschlag, nur wenige Euro 5 Diesel nachzurüsten, erweist die Regierung zudem Verbrauchern, die im guten Glauben einen Euro 6 Diesel kaufen, einen Bärendienst. „Denn auch Euro 6 Diesel sind auf der Straße wahre Giftgasschleudern und werden früher oder später mit Fahrverboten belegt werden. Den Kauf von Euro 6 Diesel können wir solange nicht empfehlen, bis diese Fahrzeuge auf der Straße so sauber sind wie im Prüflabor“, so Resch.
Die von der Bundesregierung angekündigten Maßnahmen werden Diesel-Fahrverbote für die „Saubere Luft“ in immer mehr Städten nicht verhindern.
„Freiwillige Hardware-Nachrüstungen werden Autohalter nur dann durchführen, wenn ein Fahrverbot in der Stadt, in der sie ihr Auto regelmäßig bewegen, kommt. Andernfalls gibt es keinen Grund für einen Autohalter, sich an der Nachrüstung zu beteiligen. Wer sein Fahrzeug nachgerüstet hat, kann jedoch auf eine Ausnahme vom Fahrverbot hoffen, dies hat das Bundesverwaltungsgericht in seinen Dieselfahrverbotsurteilen vom 27. Februar 2018 entschieden. Das Fahrverbot als solches wird daher durch eine freiwillige Nachrüstaktion nicht verhindert, im Gegenteil, das Fahrverbot ist zwingend notwendig, damit die freiwillige Nachrüstung überhaupt wirksam ist. Anders wäre es bei einer für die Hersteller verbindlichen Nachrüstung, wie sie etwa durch Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung verfügt werden könnte. In diesem Fall könnte man, je nach Ausgestaltung der Nebenbestimmung und Höhe der Grenzwertüberschreitungen in einigen Städten wohlmöglich auf Fahrverbote verzichten“, so Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in fast allen Luftreinhalteklagen vertritt.
Für die möglichst rasche Einhaltung der Luftqualitätsgrenzwerte wird sich die DUH auf dem Rechtsweg in den demnächst insgesamt 34 beklagten Städten weiter einsetzen.
Links:
Die Übersicht Länderumfrage Hardware-Nachrüstungen sowie den Bericht T&E „Cars with engine – can they ever be clean?“ finden Sie am Ende dieser Seite.
Kontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de
Prof. Dr. Remo Klinger – Geulen & Klinger Rechtsanwälte
030 8847280 oder 0171 2435458, klinger@geulen.com
DUH-Pressestelle:
Andrea Kuper, Ann-Kathrin Marggraf
030 2400867-20, presse@duh.de