Pressemitteilung
Deutsche Umwelthilfe: Neue Verbrauchsmessgeräte für Pkw können amtliche Realmessungen auf der Straße im Zulassungsverfahren nicht ersetzen
Berlin, 2.5.2018: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hält den Vorschlag der EU-Kommission zum verpflichtenden Einbau von Verbrauchsmessgeräten in Pkw als Maßnahme für ehrliche Spritverbrauchsangaben für unzureichend. Die im Vorschlag vorgesehene Erhebung von Verbrauchsdaten wird aus Sicht des Umwelt- und Verbraucherschutzverbandes nicht dazu führen, die wachsende Lücke zwischen realem Kraftstoffverbrauch und den geschönten Herstellerangaben zu schließen. Neben einer Nachschärfung der geplanten Prüfverfahrens, fordert sie daher die Kommission auf, gegenüber den Mitgliedsstaaten durchzusetzen, dass im Rahmen der Typzulassung der Spritverbrauch und damit die CO2-Emissionen im realen Fahrbetrieb durch behördliche Nachmessungen kontrolliert werden. Der Technische Ausschuss „Kraftfahrzeuge“ (TCVM) in der EU, in dem alle Mitgliedstaaten vertreten sind, wird am 3. Mai 2018 über den Vorschlag abstimmen. Die DUH fordert den TCVM auf, konkrete Vorgaben zur Datensammlung, deren weiteren Nutzung sowie zur Transparenz aufzuerlegen.
Die Kommission hat den Entwurf einer Verordnung zum verpflichtenden Einbau von Verbrauchsmessgeräten in Pkw am 8. März 2018 mit dem Ziel vorgelegt, eine bessere Datengrundlage über den Realverbrauch von Fahrzeugen zu schaffen, um damit die Lücke zwischen den amtlichen Herstellerangaben und den realen CO2-Emissionen von Pkw zu reduzieren. Diese liegt mittlerweile bei durchschnittlich 42 Prozent.
Die DUH begrüßt, dass über die Einführung der Verbrauchsmessgeräte zumindest eine bessere Datengrundlage über den Realverbrauch von Fahrzeugen geschaffen wird. Insgesamt wertet die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation die geplante Ausgestaltung als unzureichend. So ist bislang nur vorgesehen, die erhobenen Daten zu Monitoringzwecken zu sammeln. Dabei bleibt offen, wer Zugang zu den Daten erhält und welche Konsequenzen bei festgestellten Verstößen erfolgen. Die ermittelten Daten sollen laut Vorschlag bislang nur zur Dokumentation des Status quo verwendet werden. Verbraucher, deren Pkw einen überhöhten Mehrverbrauch aufweisen, haben bislang unzureichende Rechte gegenüber den Herstellern. Aus Sicht der DUH ist es zwingend erforderlich, dass die Fahrzeughalter Zugang zu den erhobenen Daten erhalten. Die DUH fordert die EU-Kommission und den TCVM daher auf, die Verordnung entsprechend zu konkretisieren.
„Der Vorschlag der EU-Kommissarin Elżbieta Bieńkowska aus der Generaldirektion Growth wird den Betrug an Umwelt und Kunden mit falschen Spritverbrauchsangaben nicht beenden“, kritisiert Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH. „Es bleibt ungeregelt, was passiert, wenn die Verbrauchsmessgeräte relevante Abweichungen zu den Herstellerangaben zeigen. Und vor allem fehlen Vorgaben für die Zulassungsbehörde und Verpflichtungen für die Automobilhersteller. Zudem muss sichergestellt sein, dass die erhobenen Verbrauchsdaten ebenso wie die Ergebnisse der behördlichen Nachmessungen offengelegt und festgestellte Verstöße sanktioniert werden. Nur so kann die die systematische Verbrauchertäuschung durch falsche Spritverbrauchsangaben endlich beendet werden.“
Die DUH fordert die EU-Kommissarin auf, die in den einschlägigen EU-Verordnungen zur Typgenehmigung vorgesehenen amtlichen Kontrollen der Zulassungsbehörden einzufordern und notfalls durch die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren durchzusetzen. Nur so kann die Verwendung von Abschalteinrichtungen auch zur Generierung niedriger CO2- und damit Spritverbrauchsangaben verhindert und ehrliche Verbrauchsangaben durchgesetzt werden. Um CO2-Emissionen aus dem Sektor faktisch zu mindern, muss die Nachprüfung der Verbrauchsangaben und zukünftig zusätzlich die Ermittlung des Kraftstoffverbrauchs und der CO2-Emissionen unter realen Fahrbedingungen verpflichtende Voraussetzung zur Typzulassung werden.
„Wir fordern die Kommission auf, die vorgeschriebenen amtlichen Kontrollen der CO2-Herstellerangaben durchzuführen und zukünftig auch CO2-Messungen auf der Straße anzuordnen“, so Metz.
Die EU-Kommission hat den Vorschlag für die Verbrauchsmessgeräte im Rahmen von Änderungen zum Prüfverfahren WLTP (Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure) vorgelegt. Die wichtigste Änderung zum Prüfverfahren WLTP ist die Pflicht für Autohersteller, ihre Fahrzeuge mit standardisierten Verbrauchsmessgeräten auszustatten. Diese befinden sich heutzutage bereits in den meisten Fahrzeugen, waren aber bisher nicht Teil der Anforderungen zur Erlangung der Typgenehmigung.
Eine am 10. April 2018 veröffentlichte Studie des Verbands Transport and Environment (T&E) zeigt erneut, dass die CO2-Emissionen von Neufahrzeugen in der EU real nicht sinken, sondern bereits im Durchschnitt um 42 Prozent höher ausfallen als die offiziellen Werte vorgeben. Die Autohersteller werden daher den für 2021 festgelegten EU-Flottengrenzwert für Pkw von durchschnittlich 95 g CO2/km bei weitem nicht erreichen. Im Verkehrssektor insgesamt steigen die CO2-Emissionen seit 1990 an.
„Solange die Behörden die reale Minderung von CO2-Emissionen im Straßenverkehr nicht durchzusetzen, werden die Automobilhersteller weiterhin immer schwerere Fahrzeuge auf den Markt bringen, die gleichbleibende oder steigende Spritverbräuche zeigen. Deshalb treten sie für laxe Flottengrenzwerte ein und unterlaufen diese durch die bisher erfolgreiche Verhinderung amtlicher Kontrollen und Sanktionen, wie diese in den USA bei Abweichungen von mehr als vier Prozent durch die Umweltbehörde EPA angewandt werden“, sagt Metz.
In den vergangenen zehn Jahren gingen die durchschnittlichen CO2-Emissionen von neu zugelassenen Pkw in Europa laut Kraftfahrt-Bundesamt von 170 g/CO2 in 2007 auf 128 g/CO2 im Jahr 2017 um knapp 42 g CO2 zurück. Gemäß des International Council on Clean Transportation (ICCT) sind die realen CO2-Emissionen von 197 g/CO2 in 2007 auf 184 g/CO2 im Jahr 2016 lediglich um 13 g CO2 gesunken.
Das im September 2017 neu eingeführte Prüfverfahren WLTP, das ebenfalls Labormessungen vorsieht, wird den Betrug der Automobilhersteller nicht beenden und auch nicht die Lücke zwischen realem Verbrauch und geschönten Herstellerangaben schließen. Trotz aller Neuerungen kann ein Laborverfahren reale Fahrbedingungen nicht vollständig abbilden und ist weiter anfällig für Manipulationen. Axel Friedrich, Internationaler Verkehrsberater, betont: „Die Hersteller nutzen ‚halblegale und illegale‘ Umgehungsmaßnahmen, um die CO2-Werte im Prüflabor zu ‚schönen‘, im alten wie im neuen System. Um diese Praxis zu beenden, müssen die CO2-Werte, ebenso wie die Schadstoffemissionen, auf der Straße ermittelt werden.“
„Der vorliegende schwache Entwurf zur Einführung der Verbrauchsmessgeräte passt zum mangelhaften Kommissionsvorschlag zur weiteren Absenkung der CO2-Flottengrenzwerte. Manipulationen beim Abgas-Skandal und bei CO2-Emissionen sind Ergebnis der faktisch nicht existenten Marktüberwachung. Sie machen die Klimapolitik in diesem Bereich zu einem Papiertiger“, so Friedrich weiter.
Die DUH setzt sich seit vielen Jahren für ehrliche Spritangaben ein. Die derzeitige Kampagne „Get Real - Für ehrliche Spritangaben!“ wird im Rahmen des LIFE-Programms der EU-Kommission gefördert.
Links:
- Tabelle mit Entwicklung Real- zu Normverbräuchen: http://l.duh.de/p180321b
- Hintergrundpapier: http://l.duh.de/p180321b
- Kampagnenwebseite: http://www.get-real.org
- Informationen zum Thema Spritverbrauch: https://www.duh.de/projekte/die-spritluege/
Kontakt:
Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin DUH
0170 7686923, metz@duh.de
Dr. Axel Friedrich, Internationaler Verkehrsexperte
0157 71592163, axel.friedrich.berlin@gmail.com
DUH-Pressestelle:
Andrea Kuper, Ann-Kathrin Marggraf
030 2400867-20, presse@duh.de