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Pressemitteilung

Der DUH-Artenschutz-Fall des Tages (Teil 6): Airbus: Hamburg setzte Grundrechte außer Kraft, um Flugzeugwerft im Vogelschutzgebiet zu bauen

<em>Berlin, Freitag, 30.05.2008

Letzte Folge der DUH-Serie zum Stand des Naturschutzes in Deutschland anlässlich der UN-Biodiversitätskonferenz: Hamburg erklärte die Flugzeugwerft von Airbus für „gemeinnützig“, um Anwohner enteignen und einen Erweiterungsbau im Vogelschutzgebiet Mühlenberger Loch absegnen zu können – Zerstörung des einmaligen Süßwasserwatts sollte Arbeitsplätze sichern, die inzwischen wegen Managementfehlern und der Dollarschwäche auf der Kippe stehen – DUH-Bundesgeschäftsführer Baake fordert von Kanzlerin Merkel, ihren in Bonn gezeigten Einsatz für den Artenschutz künftig auch zu Hause umzusetzen: „Sonst verkommt Politik zur Schauveranstaltung“

 Freie Fahrt für große Pötte ist seit jeher das Motto der Hamburger Politik, unabhängig davon, ob SPD oder CDU die Mehrheit in Bürgerschaft und Senat stellen. Volle Kraft voraus haben die Hamburger Volksparteien deswegen auch frühzeitig dem Airbus-Konsortium signalisiert, als das europäische Flugzeugbauunternehmen einen Standort für den Bau des Riesenfliegers A380 suchte. Wie in der Hansestadt seit Jahrzehnten üblich, störte es weder die SPD-Bürgermeister Henning Voscherau und Ortwin Runde noch ihren CDU-Nachfolger im Amt des ersten Bürgermeisters  Ole von Beust, dass die Airbus-Werft mitten in einem nach EU-Vogelschutzrichtlinie geschützten Gebiet bauen wollte, das zudem noch unter deutsches Naturschutzrecht fiel. Kurzfristige wirtschaftliche Versprechen von Airbus und wenige garantierte Arbeitsplätze waren dem Hamburger Senat genug, um mehr als 670 Millionen Euro für eine Industrieansiedlung im Vogelschutzgebiet an der Elbe zu investieren. Mit dem Geld und Millionen Kubikmetern Sand schüttete Hamburg Teile des Mühlenberger Loches zu, das vormals das größte Süßwasserwatt Europas war.

170 Hektar Land gewann der Flugzeugbauer Airbus so mithilfe der Steuerzahler für Montagehallen und eine um 589 Meter verlängerte Landebahn. Das einzigartige Süßwasserwatt Mühlenberger Loch, eine Art Bucht in der dort knapp drei Kilometer breiten Elbe,  ist seitdem um ein Drittel verkleinert. Die vormals im EU-Vogelschutzgebiet rastenden Löffel- und Krickenten mussten sich einen anderen Rückzugsraum suchen, ebenso wie die in der Elbe selten gewordenen Zander, Aale, Stinte und der Butt. Fische leiden in der Elbe zwischen Hamburg und Nordsee besonders im Sommer unter dem Sauerstoffmangel im künstlich vertieften Hauptstrom und finden daher nur in den ruhigeren und ökologisch noch halbwegs intakten Seitenarmen einen Lebensraum. „Natur und Ökologie wurden in Hamburg kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen geopfert, obwohl die Stadt nichts in der Hand hatte, mit dem Airbus den Standort garantiert oder eine nennenswerte Anzahl von Arbeitsplätzen zugesichert hätte,“ sagt  Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH). Dass die Verrechnung von Ökologie und Ökonomie keine gesicherte Rendite bringt, habe sich dann im Herbst 2006 gezeigt, als Airbus die prestigeträchtige Auslieferung des A380 aus Wirtschaftlichkeitsmotiven nach Toulouse verlegen wollte. Aus dem vormals einzigartigen Süßwasserwatt drohte eine Industriebrache zu werden. Die andauernden technischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Airbuskonsortium, den A380 marktgerecht zu bauen, zeigen, dass Standortsicherung vom Management abhängt und nicht von der brachialen Zerstörung von Naturräumen.

Baake erinnerte daran, dass wegen der andauernden Schwierigkeiten bei Airbus und wegen der Pläne, Teile der Produktion in den Dollarraum zu verlegen, nun auch in Hamburg ein zusätzlicher Arbeitsplatzabbau drohe. „Der Automatismus, dass ökologisch unersetzliche Werte einer meist auch noch unsicheren Aussicht auf Arbeitsplätze geopfert werden, muss in Deutschland endlich aufhören. Sonst wird Kanzlerin Merkel mit ihrem gestrigen Einsatz bei der Bonner UN-Artenschutzkonferenz eine ähnliche Bauchlandung erleben, wie gegenwärtig im Klimaschutz. Was auf der internationalen Bühne versprochen wird, muss zu Hause seine Entsprechung finden. Sonst verkommt Politik auf der internationalen Bühne zur Schauveranstaltung“.

Die Erweiterung der Landebahn und der Bau neuer Montagehallen in Hamburg habe außerdem gezeigt, dass die gegenwärtig übliche Schieflage bei der Abwägung ökonomischer und ökologischer Interessen gravierende gesellschaftliche Konflikte auslösen kann. So hatten der Hamburger Senat und die Bürgerschaft in einem eigens für den Airbus-Erweiterungsbau verabschiedeten Gesetz die Flugzeugwerft des Unternehmens als „gemeinnützig“ eingestuft. Mit der Lex Airbus hatte die Hansestadt die juristische Legitimation geschaffen, widerspenstige Anwohner der Landebahn zu enteignen und den Bau gegen den Widerstand der Bevölkerung durchzusetzen.
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Die DUH-Serie zum Schutz der biologischen Vielfalt in Deutschland

In Bonn präsentieren sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) auf der UN-Artenschutzkonferenz als Kämpfer für die weltweite Biodiversität. Die Deutsche Umwelthilfe begrüßt ausdrücklich das Engagement der Bundesregierung für den weltweiten Arten- und Naturschutz, ist aber besorgt über die mangelnde Umsetzung von Zielen zum Schutz der Biodiversität in Deutschland. Bislang schaffen Bund und Länder es nicht, dem Natur- und Artenschutz innerhalb Deutschlands zu seinem Recht zu verhelfen. So liegt Deutschland innerhalb der Europäischen Union im letzten Drittel bei der Ausweisung von Schutzgebieten nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH), die einen Mindeststandard für den Schutz bedrohter Tiere und Pflanzen bildet. Deutschland hat aber nicht nur extrem wenig Gebiete unter den FFH-Schutz gestellt, der Zustand der Gebiete „befindet sich in einem ungünstigen Erhaltungszustand“, wie das Bundesamt für Naturschutz im Januar 2008 festgestellt hat.

Für die Ausweisung und Pflege der FFH-Gebiete sind ebenso wie für den Naturschutz die Bundesländer zuständig. Dort hat die Biodiversität oftmals keinen hohen Stellenwert: Niedersachsens FDP-Umweltminister Sander greift im Biosphärenreservat Elbe eigenhändig zur Kettensäge, Baden-Württemberg genehmigt die Tötung der international geschützten Kormoranbrut am Bodensee, Bayern schießt den einzigen Braunbären im deutschen Alpenraum ab.

Die DUH unterstützt nachdrücklich die nationale Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung. Dieses im  Bundeskabinett verabschiedete Programm für die biologische Vielfalt in Deutschland ist jedoch nichts wert, solange die Strategie nicht praktisch umgesetzt wird. Die DUH ist in großer Sorge um heimische Tiere, Pflanzen und ihre Lebensräume. Um der auch hierzulande bedrohten Natur eine Stimme zu geben, veröffentlicht die DUH während der UN-Biodiversitätskonferenz regelmäßig einen Artenschutz-Fall des Tages aus Deutschland. Quer durch die Republik haben wir zwischen Nordsee und Alpen, Müritz und Bodesee Beispiele für die Zerstörung unserer Natur zusammengetragen.

Zuvor erschienen: Sachsen-Anhalt schrumpft das Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe; Baden-Württemberg genehmigt rechtswidrig Tötung von geschützten Kormoranen im Naturschutzgebiet; Niedersachsens Umweltminister Sander sägt eigenhändig Bäume in der geschützten Elbtalaue und löst EU-Vertragsverletzungsverfahren aus; Hessen verwässert EU-Naturschutzrecht und schafft Landschaftsschutzgebiete ab; Nordrhein-Westfalen beschneidet etablierte Naturschutz-Standards durch Gesetzesnovelle.

Für Rückfragen:

Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 24 00 867-15, Mobil: 0151 55 01 69 43,  baake@duh.de

Ulrike Fokken, Politik & Presse, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 24 00 867-22, Mobil: 0151 55 01 70 09, fokken@duh.de

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