Pressemitteilung
Arktisschutz und Klimawandel: Jetzt die Goldgräber stoppen
Wegen der Erderwärmung schrumpft das arktische Meereis seit Jahren mit ungeahnter Geschwindigkeit. Klimawissenschaftler fürchten Rückkopplungseffekte, die die Veränderungen in der Nordpolregion weiter beschleunigen und das Klimagleichgewicht der Erde insgesamt bedrohen. Gleichzeitig weckt der Rückgang des Polareises Begehrlichkeiten. Weil im hohen Norden gewaltige Öl- und Gasreserven vermutet werden, breitet sich unter den Anrainern Goldgräberstimmung aus. Auch die EU und die Bundesregierung wollen dabei sein, wenn der Klimawandel den Rohstoffreichtum des Nordens zugänglich macht – und setzen dafür unmittelbar vor der entscheidenden Weltklimakonferenz in Kopenhagen im Dezember 2009 ihre klimapolitische Glaubwürdigkeit aufs Spiel.
„Wer die dramatischen Folgen des Klimawandels in der Arktis als Chance betrachtet, ihn weiter anzuheizen, verliert jede klimapolitische Glaubwürdigkeit. Er braucht sich im Grunde an keinen Verhandlungstisch zum Schutz des Weltklimas mehr zu setzen“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch in Berlin. Am Umgang der internationalen Gemeinschaft mit einer der letzten nahezu unberührten Weltregionen, werde sich voraussichtlich erweisen, ob die heute lebende Generation in der Lage ist, den Planeten Erde als lebenswerten Ort für ihre Kindeskinder zu erhalten. „Es geht natürlich auch um die Eisbären und die Fauna und Flora, die es so nur in der Arktis gibt. Aber jenseits des Schutzes der einzigartigen Polarregion, müssen wir angesichts des fortschreitenden Klimawandels die Frage stellen, ob wir noch alle fossilen Brennstoffe ausbeuten dürfen, die wir irgendwo auf der Welt vermuten. Ich meine: Nein, das arktische Öl und das arktische Gas sollten bleiben, wo sie seit Millionen Jahren sind“, erklärte Resch.
Bis zu 25 Prozent der weltweit verbleibenden Erdöl- und Erdgasressourcen werden in der Arktisregion vermutet. Der Wettlauf um die arktischen Ressourcen hat längst begonnen. Die direkten Arktis-Anrainer Russland, Kanada, die USA, Dänemark (Grönland) und Norwegen melden Ansprüche an. Aber auch die EU-Kommission will ausweislich ihrer Mitteilung „Die Europäische Union und die Arktis“ vom November 2008 die Erdöl- und Erdgasvorkommen der Arktis nutzen, um die Energieversorgungssicherheit und die allgemeine Rohstoffversorgungssicherheit in der EU zu verbessern. Sie sucht derzeit nach Möglichkeiten, dieses Ziel auch ohne unmittelbaren Anrainerstatus durchzusetzen. Der Rat der Europäischen Union – und damit die Mitgliedstaaten – hat diese Ausrichtung der europäischen Arktispolitik ausdrücklich begrüßt. Und der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Jochen Homann, ließ sich mit den Worten zitieren, dass es wichtig sei, die Wirtschaftspotenziale der Arktis anzuerkennen. Die gewaltigen Erdöl- und Erdgasvorkommen könnten, so Homann, einen zentralen Beitrag zur Energieversorgungssicherheit Europas liefern.
„Zwar wird die Notwendigkeit des Schutzes der Arktis stets betont, im selben Atemzug geht es dann aber um ihre Ausbeutung. Das ist wahlweise schizophren oder zynisch. Denn die Ausbeutung der arktischen Ressourcen lässt sich offensichtlich umso besser bzw. teilweise überhaupt erst realisieren, je mehr Eis schmilzt“, sagte die neue Leiterin Klimaschutz und Energiewende der Deutschen Umwelthilfe Cornelia Ziehm. Bundeskanzlerin Merkel und Bundesumweltminister Gabriel hätten sich seinerzeit medienwirksam vor grönländischen Gletschern fotografieren lassen, um ein Zeichen für die Bedeutung der Arktis für das Weltklima zu setzen. Daran müssten sie sich nun messen lassen. Statt durch Gewinnung fossiler Energieträger in der Arktis eine Energieversorgung in die Zukunft zu verlängern, die für die globale Erwärmung verantwortlich sei, müsse die Bundesregierung gemeinsam mit der EU umgehend internationale Verhandlungen zum Schutz der Arktis anstrengen.
„Wir stehen an einer Weggabelung“, sagte Ziehm, „entweder wir nehmen den Klimawandel und den Kampf gegen die Erderwärmung ernst oder wir setzen nicht nur die Arktis in ihrer Einzigartigkeit aufs Spiel, sondern auch das Erdklima insgesamt“. Die DUH fordere deshalb EU und Bundesregierung auf, noch vor dem Weltklimagipfel in Kopenhagen, Verhandlungen über die Vereinbarung eines internationalen Abkommens zum Schutz der Arktis zu initiieren. Ziehm erinnerte daran, dass es der Staatengemeinschaft mit dem 1961 in Kraft getretenen und 1991 erweiterten Antarktisvertrag in eindrucksvoller Weise gelungen war, trotz geltend gemachter Gebietsansprüche ein Verbot jeglicher Bergbauaktivitäten in der Antarktis zu vereinbaren. „Was vor fast 20 Jahren ohne die heutigen Erkenntnisse über den Klimawandel für die Antarktis möglich war, muss heute erst recht für die Arktis in Angriff genommen werden“, verlangte Ziehm.
Die Ablehnung eines spezifischen Rechtsrahmens zum Schutz der Arktis durch die Spitzenkandidaten von CDU und CSU für das Europäische Parlament, Hans-Gert Pöttering und Markus Ferber, sei vor diesem Hintergrund enttäuschend und bedenklich. Die Spitzenkandidatin der FDP, Silvana Koch-Mehrin, hatte auf eine entsprechende Umfrage der DUH erst gar nicht geantwortet. Die Spitzenkandidaten der SPD (Martin Schulz), der Partei Die Linke (Lothar Bisky) und von Bündnis 90/Die Grünen (Rebecca Harms, Reinhard Bütikofer) befürworten dagegen den Abschluss eines internationalen Vertrages zum Schutz der Arktis nach dem Vorbild des Antarktisvertrages.
Sämtliche Antworten finden Sie ebenso im Anhang dieser Pressemitteilung wie das ausführliche DUH-Hintergrundpapier „Arktis schützen, nicht ausbeuten“.
Für Rückfragen:
Jürgen Resch
Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin
Mobil: 0171 3649170, Fax: 030 2400867-19, E-Mail: resch@duh.de
Dr. Cornelia Ziehm
Leiterin Klimaschutz und Energiewende, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin
Mobil: 016094182496, Tel.: 0302400867-21, Fax: 0302400867-19, E-Mail: ziehm@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz
Leiter Politik und Presse, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin
Mobil: 01715660577, Tel.: 0302400867-21, Fax: 0302400867-19, E-Mail: rosenkranz@duh.de