DUH-Lebensmittel-Test: Multiresistente Keime auf Putenfleisch
Im Auftrag der DUH testete das Fachlabor der Universität Greifswald insgesamt 62 Putenfleischproben aus verschiedenen Regionen in ganz Deutschland, je eine Hälfte der Testkäufe stammte aus Lidl- und aus Aldi-Filialen. Gekauft wurde Fleisch der Haltungsstufe 2, Stallhaltung Plus. Fast jede dritte Putenfleischprobe war mit Antibiotikaresistenzen kontaminiert, Proben von Lidl zu 35 Prozent und von Aldi zu 26 Prozent. Darunter fanden sich auch Krankheitserreger, die Resistenzen gegen die für Menschen wichtigsten Notfall-Antibiotika aufweisen: Diese sogenannten Reserveantibiotika werden genau dann bei Kranken eingesetzt, wenn andere Antibiotika bereits nicht mehr helfen. Der Verkauf von Fleisch, auf dem sich antibiotikaresistente Keime befinden, ist legal. Grenzwerte für diese Keimbelastungen gibt es nicht.
Darüber hinaus fand das Labor der Universität Greifswald auf einer Putenfleischprobe von Lidl die Durchfallerreger Yersinia enterocolitica. Diese Keime sind nach Salmonellen und Campylobacter die dritthäufigsten Erreger von bakteriellen Darminfektionen in Deutschland und Europa. Häufigster Übertragungsweg: Fleisch. Wie vom Gesetz gefordert, hat die DUH diese Ekelfleischprobe direkt dem Gesundheitsamt gemeldet.
33.000 Todesfälle in Europa
Menschen können sich insbesondere bei der Zubereitung des kontaminierten Fleisches oder beim Verzehr infizieren und erkranken. Durch die Übertragung von resistenten Krankheitserregern auf die Hände, auf Haushaltsgeräte und Küchenoberflächen ist es möglich, dass auch andere Lebensmittel kontaminiert werden. Laut einer Studie aus den Niederlanden stammen knapp 19 Prozent der antibiotikaresistenten Erreger, sogenannte ESBL- und AmpC-bildende Erreger, die bei Menschen gefunden werden, von Lebensmitteln und allen voran von Fleisch. In Europa sterben jährlich 33.000 Menschen wegen antibiotikaresistenter Keime. Schon im Jahr 2018 stellten repräsentative Untersuchungen des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) bei Putenfleisch hohe Kontaminationsraten fest. Dabei wiesen Puten aus konventioneller Haltung deutlich häufiger antibiotikaresistente Keime auf als Putenfleisch von Ökobetrieben. Trotzdem hat die alte Bundesregierung keine wirksamen Regeln erlassen für eine Verbesserung der Tierhaltung, der Tiergesundheit oder für eine wirksame Reduktion der Resistenzraten auf dem Fleisch.
Politik und Konzerne müssen handeln
Ändern kann und muss dies die neue Bundesregierung. Für die Putenhaltung gibt es bisher aber keine spezifischen Regelungen für die Besatzdichte in Putenställen. Die großen Vögel dürfen in drangvoller Enge gehalten werden. In den Massentierhaltungen mit Zehntausenden Tieren erhalten neun von zehn Puten Antibiotika. Der Anteil der laut Empfehlungen der WHO eigentlich für Menschen vorzuhaltenden Reserveantibiotika, beziehungsweise der Humanantibiotika, beträgt in der Geflügelmast alarmierende 40 Prozent des Gesamtverbrauchs an Antibiotika. Ein hoher Antibiotikaeinsatz verschafft genau den Keimen bessere Überlebenschancen, die sich Resistenzen zulegen. Laut der staatlichen Antibiotikadatenbank nahm die Häufigkeit der Antibiotikagaben in der Geflügelmast teils noch zu. Unvorstellbares Tierleid, Antibiotikamissbrauch und Einschleppen von Antibiotikaresistenzen in die Lebensmittelkette sind in Deutschland bisher legal im Rahmen der geltenden Gesetze.
Mit Nachdruck fordert die DUH jetzt von der neuen Bundesregierung, die für die Humanmedizin allerwichtigsten Antibiotika als Gruppenbehandlung bei Lebensmittel-Tieren über das Futter oder Wasser zu verbieten und nur noch für Einzeltierbehandlungen zuzulassen. Statt darauf zu warten, dass Discounter wie Aldi vielleicht im fernen Jahr 2030 bei Lieferanten bessere Haltungsformen anstoßen, brauchen wir JETZT wirksame Gesetze für einen viel besseren Tierschutz in der Landwirtschaft, allen voran für Puten. Die DUH setzt viel Arbeit daran, dass sich die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag zu diesen notwendigen Regeln verpflichtet.
Die DUH fordert einen Gesetzesvorschlag, der der Gesundheit von Menschen Vorrang sichert vor den Profitinteressen der Pharma-, Futter- und Fleischindustrie. Auch vom Handel fordert die DUH, Verantwortung zu übernehmen. Aldi und Lidl wollen erst in den kommenden Jahren nach und nach bis 2030 bessere Haltungsformen umsetzen. Das wirft die Frage auf, ob Verbraucherinnen und Verbraucher noch bis zu neun Jahre lang weiterhin Fleisch mit hohen Belastungsraten an resistenten Keimen kaufen sollen. Die DUH fordert: Der Handel muss schnell langfristige Lieferverträge zu fairen Erzeugerpreisen mit bäuerlichen Betrieben für die besten Haltungsstufen 3 und 4 schließen. Denn gesunde Tiere brauchen keine Antibiotika. Verbraucherinnen und Verbrauchern rät die DUH, generell auf Billigfleisch zu verzichten.
Dieser Artikel erschien in der DUHwelt 3/2021.