Wie bringen wir die Energiewende auch in den Wärme- und den Verkehrssektor?
Was bedeutet denn „Sektorenkopplung“ überhaupt?
Um die Klimaschutzziele erreichen zu können, müssen wir in Sektoren Gebäude / Wärme und Verkehr auf fossile Energieträger verzichten und stattdessen auf Strom aus erneuerbaren Quellen setzen. Dann werden diese Sektoren mit dem Sektor Strom „gekoppelt“. Insbesondere im Verkehr wird außerdem die Möglichkeit diskutiert, inwieweit Batterien oder auch strombasierte Kraftstoffe als Speicher im volatilen Stromsystem genutzt werden können.
Wie lässt sich die Klimaneutralität 2050 im Wärmesektor erreichen und welche Rolle kann dabei die Sektorenkopplung spielen?
Wenn die Bundesregierung bis zum Jahr 2050 einen CO2-neutralen Gebäudebestand anstrebt, dann kann das nur durch die Kombination von drei Strategien gelingen: Erstens müssen wir den Primärenergiebedarf im Gebäudebereich massiv senken, zum Beispiel durch Maßnahmen der energetischen Gebäudesanierung. Dafür muss aber die Sanierungsrate, besonders beim Altbau und bei den besonders schlecht gedämmten Bauten der Nachkriegszeit, erheblich steigen. Vor allem muss die öffentliche Hand ihre Vorbildfunktion wahrnehmen, gerade auch mit Blick auf die bevorstehende Verabschiedung des Gebäude Energie Gesetzes (GEG).
Zweitens brauchen wir eine stärkere direkte Nutzung von Erneuerbaren Energien sowohl im Objekt selbst als auch in Wärmenetzen. Dazu gehören der Ausbau der Tiefengeothermie, Solarthermie, industrieller Abwärme und erneuerbarer Kraft-Wärme-Kopplung sowie im begrenzten Masse der Einsatz von Biomasse zur Wärmeerzeugung.
Drittens plädieren wir für die direkte Nutzung erneuerbaren Stromes bei der Wärmeerzeugung im Gebäude, also den Einstieg in die Sektorenkopplung (Lesen Sie mehr über Sektorenkopplung in unserem Hintergrundpapier). Wir sind fest davon überzeugt, dass der Einsatz elektrischer Wärmepumpen schon in den kommenden Jahren massive Fortschritte auch für die CO2-Reduktion im Wärmebereich bringen kann. Das wichtigste Hemmnis dafür ist die ungleiche steuerliche Belastung von Strom mit Steuern und Abgaben gegenüber der Konkurrenz – Öl und Gas.
Wie lässt sich Klimaneutralität bis 2050 im Verkehrssektor erreichen und welche Rolle kann Sektorenkopplung dabei spielen?
Im Verkehrssektor wurden unter dem Strich seit Ende der Neunziger Jahre keine Fortschritte erzielt: Effizienzgewinne werden durch steigendes Verkehrsaufkommen wieder kassiert. Um den Ausstieg aus den fossilen Energien bewältigen zu können, müssen wir den Endenergiebedarf in diesem Sektor drastisch reduzieren. Grundlage muss eine Mobilitätswende sein, die aus Vermeidung, Verlagerung, Verbessern und letztendlich aus Verhaltensänderungen bei jedem einzelnen besteht. Nur dann können wir den verbleibenden Energiebedarf mit Strom aus erneuerbaren Quellen abdecken, denn auch diese Ressource ist begrenzt und kostbar.
Vermeidung im Personenverkehr fängt bei einer Umsetzung der Stadt der kurzen Wege an, verbunden mit der Stärkung des Rad- und Fußverkehrs und des öffentlichen Verkehrs. Effizienz muss mit einem konkreten Minderungsziel verknüpft werden, und zwar für alle Antriebe. Konsequent strengere Flottengrenzwerte – orientiert an den Klimaschutzzielen und nicht an den Lobbyanstrengungen der Automobilindustrie – werden wichtiger Treiber der technologischen Entwicklung sein. Bereits heute sehen wir mit Blick auf den Straßenverkehr eine Mischung alternativer Antriebstechnologien, inklusive Erdgas-, Hybrid- und Elektrofahrzeugen.
Die Verlagerung auf die Schiene bietet enormes Potential zur Erreichung der Klimaschutzziele. Dazu brauchen wir aber nicht nur verstärkte Anstrengungen im Ausbau des Streckennetzes, sondern auch eine vollständige Elektrifizierung des Schienennetzes bis 2030, bessere Angebote im Personenverkehr und mehr fairen Wettbewerb zwischen Straße und Schiene im Güterverkehr.
Strombasierte Kraftstoffe sind im Moment noch nicht effizient genug: Ihre CO2-Bilanz ist beim heutigen Strommix weniger günstig als bei anderen Antrieben. Power-to-Gas und Power-to-Liquid bieten womöglich langfristig weitere Flexibilität in einem Stromnetz, das zu 100 Prozent auf Erneuerbaren Energien basiert. Und sie bieten technologische Optionen für die Abkehr von fossilen Kraftstoffen einiger Teilbereiche des Verkehrssektors, die auf hochkonzentrierte Energieträger angewiesen sein werden.
Bei der Wahl der Maßnahmen ist es wichtig nicht auf Konzepte und Technologien zu warten, die vielleicht irgendwann erhältlich und effizient sein werden, sondern sofort die zahlreichen bereits vorhandenen und bekannten Maßnahmen umzusetzen. Dies ist nicht nur ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz sondern verbessert zusätzlich und sofort die Luftqualität und leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Gesundheitsschutz.
Welche Konsequenzen hätte das für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien? Welchen Beitrag kann die Sektorenkopplung als Flexibilitätsoption leisten?
Letztlich geht es bei der Sektorenkopplung darum, den Anteil von Strom im Gesamtenergiesystem weiter zu steigern. Deshalb ist extrem wichtig, wie und wo dieser Strom produziert, transportiert und gespeichert wird.
Der effiziente Umgang mit Energie ist auch deshalb der Ausgangspunkt für unsere Überlegungen, weil wir beim weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien sowohl an technische, ökonomische als auch politische Grenzen stoßen. Letzteres sehen Sie bei jeder Planung einer Windkraftanlage vor Ort. Dasselbe gilt für den politisch stark umkämpften Trassenausbau.
Wir sollten uns deshalb nach der Bundestagswahl den Ausbaukorridor des EEG noch einmal anschauen. Unserer Auffassung nach muss das Ausbauziel auf mindestens 65 Prozent bis 2030 angehoben werden. Sonst wüsste ich nicht, wo der Strom für die Elektrifizierung der anderen Sektoren herkommen sollte. Oder wir landen bei der Braunkohle.
Natürlich muss auch der Netzausbau zügig fortgeführt werden. Als Grundlage brauchen wir sektorale Effizienzziele, die über die unverbindlichen Grundlagen des Klimaschutzplanes und des NAPE hinausgehen.
Mittelfristig, und wahrscheinlich ab einem Erneuerbaren Anteil im Stromnetz deutlich über 60 Prozent, brauchen wir Technologien der Sektorenkopplung auch für mehr Flexibilität im System und als Speicherungsmöglichkeit.
Und zu guter Letzt brauchen wir nicht nur weitere Forschung und Erprobung, sondern vor allem eine breite gesellschaftliche Debatte, die den damit verbundenen technologischen Wandel, Investitionen und neue zusätzliche Infrastruktur auch mitträgt.
Hier wird sich die Deutsche Umwelthilfe weiter intensiv einsetzen.
Lesen Sie mehr über Sektorenkopplung in unserem Hintergrundpapier: Klimaschutz mit Strom für Wärme und Verkehr