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„Die Politik muss Leitplanken setzen“

Donnerstag, 22.08.2019 Dateien: 1

Deutschland ist weit davon entfernt, eine grüne Verkehrswende durchzusetzen und die Klimaschutzziele in den nächsten Jahren einzuhalten. Die jüngsten Ergebnisse der „Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität“ scheinen dies zu bestätigen. Christian Hochfeld, Mitglied des Gremiums und Direktor der Agora Verkehrswende, fordert ein schnelles Umdenken von Politik und Wirtschaft.

© Detlef Eden/Agora Verkehrswende

Das gesamte Interview finden Sie als PDF am Ende der Seite.

Herr Hochfeld, Sie waren an der Erarbeitung von Maßnahmen des Verkehrssektors für ein Klimaschutzgesetz beteiligt. Als eine Liste mit Vorschlägen an die Öffentlichkeit gelangte, betitelte Verkehrsminister Scheuer den Vorschlag eines generellen Tempolimits auf deutschen Autobahnen als „gegen jeden Menschenverstand“. Wie schätzen Sie die Maßnahmen ein, auf die sich die Kommission in ihrem Zwischenbericht schließlich geeinigt hat? Wie geht es nun weiter?


Nach unserer Erkenntnis reduziert ein Limit von 120 km/h die CO2-Emissionen in einer Größenordnung von 3 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Es sollte also nicht einfach für Tabu erklärt werden, zumal eine Mehrheit der Bevölkerung dafür ist. Die Intervention des Bundesverkehrsministers war in der Sache nicht gerechtfertigt, ganz zu schweigen von ihrer Wirkung auf die Arbeitsatmosphäre in dem von ihm selbst berufenen Gremium.

In der AG 1 der „Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität“ sind vom Fahrradverband ADFC bis zum Mineralölwirtschaftsverband ohnehin Vertreter*innen extrem widerstreitender Interessen vertreten. Es ist eben keine unabhängige Expertenkommission, die wahrscheinlich in der Lage gewesen wäre, sich auf zentrale politische Gestaltungsoptionen für die Verkehrswende zu einigen. Stattdessen hat die Arbeitsgruppe ein Bündel von Instrumenten vorgeschlagen, die vor allem die Steuerzahler*innen belasten und nicht einmal die Klimaschutzlücke schließen.

Um das Klimaschutzziel der Bundesregierung zu erreichen, müssen die Emissionen bis 2030 um 55 Millionen Tonnen sinken. Die Vorschläge der AG 1 reichen für maximal 39 Millionen Tonnen. Unser Arbeitsauftrag lautete aber, „geeignete Maßnahmenbündel zur Erreichung des Sektorziels 2030“ zu identifizieren. Wir haben zwar auch zwei Szenarien gerechnet, die das Ziel erreichen können. Diese wurden im Zwischenbericht jedoch nicht dargestellt, weil darüber kein Konsens hergestellt werden konnte. Insofern hat die AG 1 ihren Auftrag nicht erfüllt, auch wenn sie sich am Ende noch zu der Empfehlung an die Regierung durchgerungen hat, „das Instrument einer CO2-Bepreisung näher zu prüfen“. Um ehrlich zu sein: Dass die Kommission in Zukunft zu weitergehenden Empfehlungen in der Lage ist, halte ich für eher unwahrscheinlich. Jetzt ist aber sowieso erst einmal das Klimakabinett am Zug.

Die Agora - Verkehrswende und Agora - Energiewende haben vor Kurzem ein Eckpunkte-Papier für das Klimaschutzgesetz veröffentlicht. Welche Maßnahmen müssen Ihrer Meinung nach kurz-, mittel- und langfristig umgesetzt werden, damit wir die Klimaziele erreichen?

Dringend benötigt wird erstens ein Klimaschutzgesetz mit rechtlich verbindlichen Klimaschutzzielen für 2030, 2040 und 2050. Zweitens sollte es auch für alle Emittenten, die nicht dem europäischen Emissionshandel unterliegen, einen CO2-Preis geben. Konkret plädieren wir für einen CO2-Aufschlag in Höhe von 50 Euro pro Tonne CO2 auf Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas. Die Einnahmen sollten komplett rückverteilt werden. Und drittens sollten Finanzmarktakteure dazu verpflichtet werden, klimarelevante Risiken ihrer Investments offenzulegen, damit naturzerstörerische Geschäftsmodelle schnell als nicht zukunftsfähig erkannt werden.

Unsere Eckpunkte beinhalten darüber hinaus maßgeschneiderte Forderungen für die wichtigsten Emissionssektoren – auch für den Verkehr, also für den Sektor, dessen CO2-Ausstoß per Saldo immer noch so hoch ist wie 1990. Um diesen nicht akzeptablen Stillstand zu beenden, sollte die Kfz-Steuer so reformiert werden, dass Pkw bei ihrer Erstzulassung einem Bonus-Malus-System unterliegen. Fahrzeuge mit spezifischen CO2-Emissionen unterhalb eines Schwellenwertes von anfänglich 95 Gramm pro Kilometer erhalten dann einen Zuschuss, während emissionsintensive Fahrzeuge mehr zahlen. Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern zeigen, dass die Nachfrage nach emissionsarmen Pkw durch beim Kauf ansetzende finanzielle Anreize besonders wirksam stimuliert wird. Darüber hinaus machen wir uns für eine CO2-Komponente bei der Lkw-Maut stark. Schließlich sind Maßnahmen zu ergreifen, die endlich die Mobilitätswende in den Städten voranbringen. Dazu gehört beispielsweise ein wirkungsvolles Parkraummanagement. Der Bund muss hierfür die Voraussetzungen schaffen.

Welche Veränderungen hat die Verkehrswende für den motorisierten Individualverkehr zur Folge?

Den wird es auch in Zukunft noch geben, aber weniger als heute. Wir wissen, dass und wie Mobilität in Städten auch mit deutlich weniger Pkw organisiert werden kann – umwelt- und klimaschonender, billiger, sozial gerechter und vor allem platzsparender. Ein moderner ÖPNV ergänzt um Car- und Ride-sharing ist hier das Mittel der Wahl. Auf diese Weise würde der öffentliche Raum, der heute durch parkende Pkw in Beschlag genommen wird, wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

„Das Interview wurde im Rahmen der Kampagne Get Real – Für ehrliche Spritangaben durchgeführt. Get Real (LIFE15 GIC/DE/029, Close the gap) wird im Rahmen des LIFE-Programms von der EU-Kommission gefördert.“

Fordern Sie mit uns: Schluss mit Klimakillern und Verbrauchertäuschung!

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