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"Der alltägliche Spießrutenlauf der Radfahrenden muss ein Ende haben."

Freitag, 20.07.2018

Seit Jahren ist es politischer und gesellschaftlicher Konsens, dass eine Verkehrswende in Deutschland dringend erforderlich ist. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Es muss schnell gehandelt werden, um die Klimaschutzziele, zu denen Deutschland sich verpflichtet hat, noch zu erreichen. Die implizite Verpflichtung aus dem Pariser Klimavertrag – ein emissionsfreier Verkehr bis 2050 – ist ohne eine radikale Transformation schwer zu erfüllen. Außerdem lebt die momentane Mobilität ressourcenmäßig auf Pump.

Die urbane Mobilität der Zukunft muss auf einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs setzen, auf kollaborative Mobilitätsangebote und auf ein solides Streckennetz für Fahrradfahrende mit sicheren Radwegen und Schnellrouten. Mit dem Fahrrad als emissionsfreie, bezahlbare und kompakte Alternative, kann im täglichen Straßenverkehr kaum ein anderes Fortbewegungsmittel mithalten.

© privat

Ein Gespräch mit Herrn Albert Herresthal, Geschäftsführer des Verbunds Service und Fahrrad e.V. (VSF)

Herr Herresthal, welche Rolle wird das Fahrrad im Verkehr der Zukunft spielen?

Der Radverkehr wird (neben dem Zufußgehen) das Rückgrat der Nahmobilität sein – besonders in den Ballungsräumen.

Als Branchenverband möchten Sie das Fahrradfahren unter anderem durch verbesserte Rahmenbedingungen attraktiver gestalten. Welche konkreten politischen Maßnahmen sind jetzt nötig, um mehr Leute für einen Umstieg auf das Fahrrad zu motivieren?


Menschen nutzen häufig und gern das Fahrrad, wenn es für sie schnell, bequem und sicher ist. Wir brauchen also eine Infrastruktur, die genau dies gewährleistet. Das ist aber nicht mit kosmetischen Maßnahmen oder Marketingaktionen zu erreichen, sondern es braucht nicht weniger als eine Umgestaltung des öffentlichen Raums. Bildlich gesprochen: Es muss den Radfahrenden ein „Roter Teppich“ ausgerollt werden: Mehr Platz, breitere und komfortable Radwege, eine Bevorzugung an Kreuzungen oder alternativ eine kreuzungsfreie Verkehrsführung. Ein verbesserter Rechtsrahmen muss her und eine radverkehrsfreundliche StVO. Außerdem brauchen wir endlich wirkungsvolle Maßnahmen gegen das Zuparken von Radwegen. Kurzum: Der alltägliche Spießrutenlauf der Radfahrenden muss ein Ende haben.

Die Maßnahmen müssen Teil eines politischen Gesamtkonzepts sein. Die öffentliche Hand muss dafür künftig deutlich mehr Geld in die Hand nehmen. Wir brauchen eine substanzielle Neuausrichtung der Verkehrspolitik, weg von einer Bewahrung des Status Quo, hin zu einem nachhaltigen Konzept, das Mensch, Natur und Lebensqualität in den Mittelpunkt stellt. Vor allem muss die gegenwärtige Subventionierung des motorisierten Individualverkehrs (MIV) beendet werden.

In Berlin wurde jetzt das Mobilitätsgesetz auf Drängen der Bevölkerung beschlossen. Welche Rolle kommt der Zivilgesellschaft zu, wenn die Politik nicht vorankommt?

Nicht nur die Politik ist nicht vorangekommen, auch die Strategien der etablierten Fahrrad- und Verkehrsverbände waren ja nicht in ausreichendem Maß erfolgreich. Das aktuelle Mobilitätsgesetz in Berlin ist ein hervorragendes Beispiel für die politische Kraft der Zivilgesellschaft, wenn sie sich auf ein klares Ziel fokussiert, gut organisiert ist und wirkungsvoll agiert. Das macht Mut, und die Initiative Volksentscheid findet andernorts bereits Nachahmer. Wir vom VSF unterstützen diesen Prozess.

Städte wie Amsterdam und Kopenhagen machen vor, wie der Umstieg auf den Radverkehr funktionieren kann. Wieso hängt Deutschland hier so hinterher oder gibt es derartige positive Beispiele auch hierzulande?

Kopenhagen und Amsterdam sind nur die bekanntesten Beispiele für fahrradfreundliche Städte. Solche Leuchttürme sind wichtig, weil sie zeigen, was real möglich ist. Entscheidend ist aber auch, was außerhalb dieser Vorzeigestädte geschieht. Und hier sind die Niederlande nach wie vor das Maß der Dinge. Fahrradfreundlichkeit ist hier eine Grundhaltung, die über Jahrzehnte entwickelt wurde und inzwischen Teil der nationalen DNA geworden ist. Das Ergebnis sind lebendige Städte und Regionen mit hoher Lebensqualität und wirtschaftlich prosperierenden Zentren.

Dieses Niveau erreichen deutsche Städte noch nicht. Auch wenn es hier und da positive Ansätze geben mag: Einen Durchbruch werden wir erst erleben, wenn sich die Mentalität hierzulande ändert.

Wie sieht es mit dem städtischen Wirtschaftsverkehr aus? Sehen Sie auch hier Möglichkeiten für das Fahrrad, z.B. durch e-Lastenräder?

Keine Frage: Das ist ein absolut boomendes Segment. Der ständig wachsende Lieferverkehr per PKW/LKW ist schon lange an seine Grenzen gestoßen und blockiert unsere Innenstädte. Die Spediteure selbst haben ein großes Interesse an besser funktionierenden Alternativen. Hier werden gerade mit Volldampf innovative Logistik-Lösungen mit Cargo-Bikes entwickelt.

Statistisch kommt in Deutschland alle 22 Stunden ein Radfahrer oder eine Radfahrerin ums Leben. Welche Rolle spielt die Sicherheit in der Diskussion um das Fahrrad?

Sicherheit ist der Schlüssel für mehr Radverkehr. Eine bessere Infrastruktur, die dem Radverkehr mehr Platz einräumt und den MIV zurückdrängt, führt dazu, dass sich mehr Menschen trauen, das Fahrrad als Verkehrsmittel zu nutzen. Hier reichen aber keine kosmetischen Korrekturen und Einzelmaßnahmen. Stattdessen braucht es ein flächendeckendes Gesamtkonzept für die Nahmobilität, in dem der Radverkehr Priorität vor dem MIV erhält. Das geht nur mit mutigen politischen Entscheidungen. Die Bevölkerung ist hier jedoch schon deutlich weiter als viele Politiker denken. Jeder möchte mehr Lebensqualität – und die gibt es in den Städten nur mit mehr Fahrrad!

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