Wir klagen für ein Verbot von gefährlichen Pestiziden, um den Schutz vor den schädlichen Auswirkungen dieser Chemikalien auf Menschen und Biodiversität zu gewährleisten. Wir setzen uns für eine umweltfreundliche Landwirtschaft ein, die wertvolle Lebensmittel produziert.
Pestizide – in der Landwirtschaft meist Pflanzenschutzmittel genannt – wirken auf verschiedenste Weisen, aber immer mit einem Ziel: Sie sollen verhindern, dass Unkräuter, Pilze, Insekten oder Milben überhandnehmen und die Ernte schädigen. Auf der einen Seite sorgen sie so für optisch makellose Lebensmittel, auf der anderen Seite dezimieren sie aber nachweislich die Artenvielfalt in der Kulturlandschaft und verteilen sich über Luft und Wasser in viele Lebensräume. Spuren von Pestiziden sind mittlerweile fast überall zu finden: In der Landschaft, in unserem Essen und in unseren Körpern.
Obwohl Pestizide ähnliche Zwecke erfüllen, gibt es dennoch Unterschiede zwischen ihnen:
- Pestizide: Der Begriff "Pestizide" ist ein Oberbegriff, der alle chemisch-synthetischen Substanzen umfasst, die verwendet werden, um unerwünschte Organismen abzutöten. Pestizide können Herbizide, Insektizide, Fungizide oder andere Substanzen sein. Sie werden in der Landwirtschaft und im Gartenbau eingesetzt.
- Herbizide: Herbizide sind spezifische Pestizide, die entwickelt wurden, um unerwünschte Pflanzen, auch „Unkräuter“ genannt, zu kontrollieren oder zu töten. Sie zielen auf Pflanzen ab, die mit Nutzpflanzen konkurrieren und ihr Wachstum beeinträchtigen können. Herbizide werden häufig in der Landwirtschaft, im Gartenbau und in der Landschaftspflege eingesetzt, um das Wachstum von Unkräutern zu reduzieren und die Ernteerträge zu steigern.
- Insektizide: Insektizide sind Pestizide, die speziell zur Bekämpfung von Insekten entwickelt wurden. Sie werden verwendet als Maßnahme gegen Insekten wie Käfer, Fliegen, Mücken, Motten und Schaben, die Pflanzen, Nutztiere oder die menschliche Gesundheit beeinträchtigen können. Insektizide werden in der Landwirtschaft, im Gartenbau und im Haushalt eingesetzt, um unerwünschte Insektenvorkommen zu vernichten.
- Fungizide: Fungizide sind chemische Substanzen, die zur Eindämmung pilzlicher Erreger in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Sie wirken gegen verschiedene Pilzarten, die Ernteerträge mindern oder Pflanzen schädigen können. Fungizide werden auf Pflanzen oder den Boden aufgebracht, um das Wachstum und die Vermehrung von Pilzen zu hemmen oder zu stoppen.

Übersicht Aktivitäten
Mit unseren Klagen gegen die Zulassung verschiedener Pflanzenschutzmittel und die Genehmigungen der enthaltenen Wirkstoffe weisen wir unter anderem auf Defizite im aktuellen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren hin.
Wir führen auf nationaler Ebene mehrere Gerichtsverfahren gegen zahlreiche Zulassungen von Pestizid-Produkten, mit Wirkstoffen, die aus Umweltsicht sehr bedenklich sind. Diese richten sich gegen das für die Zulassung der Mittel zuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und werden vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig geführt. Wir klagen auch vor dem Verwaltungsgericht Koblenz gegen das Land Rheinland-Pfalz zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der erteilten Genehmigungen zu den Anwendungen von Pestizidmittel mit Hubschraubern und Drohnen.
Im Dezember 2023 haben wir zudem vor dem Oberverwaltungsgericht Niedersachsen das Recht erstritten, die Interessen der Umwelt auch durch Beiladungen zu Klagen gegen wichtige Anwendungsbestimmungen von Pestizidherstellern zu vertreten.
Neben den Verfahren auf nationaler Ebene klagen wir ebenfalls vor dem Europäischen Gericht (EuG) gegen die EU-Kommission auf Aufhebung der Genehmigungen hochgefährlicher Wirkstoffe, die in Pestiziden enthalten sind. Dies stärkt unsere nationalen Klagen und vergrößert unseren Wirkungsbereich, da eine Genehmigungsaufhebung eines Wirkstoffes Einfluss auf nationale Zulassungen aller Pestizide hat, die diesen enthalten.
Neben unserem rechtlichen Vorgehen gegen Zulassungen gefährlicher Pestizide ist die Durchsetzung bestehender Pestizid-Anwendungsvorschriften ein wichtiger Teil unserer Arbeit für den Umwelt- und Verbraucherschutz. Dafür fragen wir nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG) Informationen zu behördlichen Kontrollen und Sanktionen im Bereich der Pestizidanwendung an und veröffentlichen die von uns analysierten Daten, um auf die unzureichende Kontrolle und die mangelnde Durchsetzung des Pflanzenschutzrechts aufmerksam zu machen. Wir fordern eine strengere Überwachung und Durchsetzung der Pestizidvorschriften durch die zuständigen Behörden. Deshalb sind wir auch davon überzeugt, dass eine Reduktion des Einsatzes von und des Risikos durch chemische Pestizide nur mit einer Stärkung der behördlichen Marktüberwachung stattfinden kann. Politische Instrumente, wie Mindestkontrollquoten, abschreckende Maßnahmen und Verschärfungen von Anwendungsbestimmungen leisten einen wichtigen Beitrag zum Reduktionsziel.
Gemeinsam können wir eine gesündere und sicherere Zukunft für Mensch und Natur schaffen.
Rechtlicher Hintergrund unserer Klagen
In der EU regelt die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, also deren Zulassung, Überprüfung, den Widerruf sowie die Voraussetzungen, unter denen Wirkstoffe genehmigt oder verboten werden. In Deutschland wird sie durch das Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) ergänzt und konkretisiert.
Damit Pestizidmittel national zugelassen werden können, müssen die zugrundeliegenden Wirkstoffe der Pestizide auf EU-Ebene genehmigt werden. Die Kommission benennt dafür eine oder mehrere nationale Zulassungsbehörden als berichterstattenden Mitgliedsstaat (rMS), der die fachliche Prüfung des Wirkstoffs vornimmt. Dazu legt der Wirkstoff-Hersteller dem rMS einen Antrag auf Genehmigung zusammen mit einem Dossier aus den erforderlichen Studien vor. Für jeden Stoff wird zunächst von dem rMS ein vorläufiger Risikobewertungsbericht erstellt. Die Risikobewertung des rMS wird von der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA analysiert, die darauf basierend eine Schlussfolgerung verfasst. Abschließend entscheidet die Europäische Kommission über die Genehmigung oder die Erneuerung einer Genehmigung. Allerdings können abgelaufene Genehmigungen während einer anschließenden Überprüfung unbegrenzt häufig und ohne abgeschlossene Risikobewertung, für kurze Zeiträume verlängert werden.
Die Pestizidprodukte, die die genehmigten Wirkstoffe enthalten, werden durch die Mitgliedstaaten zugelassen. Hierfür gilt das Prinzip der zonalen Zulassung, d.h. die Mitgliedstaaten sind in mehrere Zonen eingeteilt und der Hersteller stellt einen Antrag zur Zulassung seines Produkts in nur einem Land der jeweiligen Zone. Dieser zonale berichterstattende Mitgliedsstaat (zRMS) prüft den Antrag nach dem national festgelegten Verfahren im Rahmen der EU-rechtlichen Vorgaben und entscheidet infolgedessen, ob das Produkt zugelassen wird. Der zRMS stellt seine Bewertung eines PSM den anderen Mitgliedsstaaten der Zone zur Verfügung. Diese gewähren oder verweigern dann die Zulassung, d.h. es gibt keine direkte Wirkung einer Zulassungsentscheidung auf andere Zonenstaaten (Art. 35 lit. f der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009). Trotzdem sollen die Mitgliedstaaten eine Zulassungsentscheidung einer anderen Zulassungsbehörde dergleichen Zone übertragen, ohne eine vollständige eigene Risikoüberprüfung vorzunehmen.
Richtungsweisende Urteile des Europäische Gerichtshofs (EuGH)
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in zwei richtungsweisenden Urteilen (Az. C-308/22, C-309/22, C-310/22) die Notwendigkeit des Umwelt- und Gesundheitsschutzes bei der Pestizidzulassung bestärkt. In seinen Urteilen stellt der EuGH klar, dass in nationalen Zulassungsverfahren von Pestiziden aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt werden müssen und eine umfassende Risikobewertung für das einzelne Produkt erforderlich ist. Dabei können nationale Behörden von der Risikobewertung des federführend prüfenden Mitgliedstaates abweichen.
In Deutschland ist nach dem PflSchG das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die zulassende Behörde. Am Prüfungsverfahren für die Zulassung sind zusätzlich das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das Julius-Kühn-Institut (JKI) und das Umweltbundesamt (UBA) beteiligt. Die Zulassung kann nur im Einvernehmen mit dem UBA, welches Umweltschutzauflagen empfehlen kann, erlassen werden.
Problematik des derzeitigen Zulassungsverfahrens
Derzeit sind Pestizid-Mittel auf dem Markt zugelassen, die aus Sicht der DUH sog. unannehmbare Auswirkungen auf die Umwelt haben. Dies hat verschiedene Gründe, z.B. werden vom UBA empfohlene Umweltauflagen durch das BVL nicht verhängt oder durch Herstellerklagen verhindert. Außerdem sind Pestizide in Deutschland und in der ganzen EU oftmals auf der Grundlage einer völlig veralteten Risikobewertung auf dem Markt: Wirkstoffgenehmigung und Produktzulassungen werden Jahr für Jahr ohne jegliche Risikobewertung und ohne Berücksichtigung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse vorläufig verlängert, während die Risikoüberprüfungsverfahren noch laufen. Daneben sind Pestizide Gemische aus Wirkstoffen und Beistoffen: Die Betrachtung der Wirkungen von Einzelwirkstoffen, wie es vorrangig im Zulassungssystem der Fall ist, wird der Komplexität der Wechselwirkungen und möglichen Kettenreaktionen in den Ökosystemen nicht annähernd gerecht.
Unser Klageansatz
In unseren Klagen machen wir auf das behördliche Fehlverhalten in der Zulassungs- und Genehmigungspraxis aufmerksam, wenn bei der Verlängerung von Genehmigungen (EU) und Zulassungen (D) von Wirkstoffen bzw. Mitteln neue wissenschaftliche Erkenntnisse nicht berücksichtigt werden. Zudem werden Stellungnahmen der am Zulassungsprozess beteiligten Akteure nicht oder nur unzureichend berücksichtigt. Wir prangern Verstöße gegen das Vorsorgeprinzip (Art. 191 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)) an, da unannehmbare Folgen für die Umwelt und menschliche Gesundheit ausgeschlossen werden sollten, dies aber oftmals aufgrund lückenhafter Risikobewertung nicht möglich ist. Das BVL überprüft nicht die Entscheidungen anderer RMS, obwohl dies möglich ist und die für die Zulassung zuständige nationale Behörde bei neuer wissenschaftlicher Datenlage sogar dazu verpflichtet ist. Stattdessen bezweifelt die Behörde die Befugnis, es tun zu können.
Bei der Vielzahl an umwelt- und/oder gesundheitsschädlichen Pestiziden, die derzeit auf dem Markt sind, müssen wir für unsere exemplarischen Klagen strategisch in der Auswahl vorgehen: Um bei einem Erfolg der Klage einen bemerkbaren Effekt in der Reduktion der Anwendung gefährlicher Pestizide zu erzielen, suchen wir Mittel aus, die flächendeckend, z.B. im Getreideanbau, mit hohem Mengenverbrauch verwendet werden. Hilfreich ist auch, wenn eine Zulassung oder Genehmigung neu ist oder kürzlich verlängert wurde, da dies weniger rechtliche Hindernisse für unsere Verfahren bedeutet. Des Weiteren identifizieren wir auch im Austausch mit Experten und Expertinnen besonders relevante Zulassungen und Genehmigungen für weitere Klagen. Ein Beispiel hierzu ist unsere Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e. V., mit dessen Experten wir zusammen gegen die Bedrohung der geschützten Art des Mosel-Apollo-Falters durch Genehmigungen für die Ausbringung bestimmter Pestizide durch Hubschrauber oder Drohne vorgehen.
Steckbriefe zu den Wirkstoffen
Glyphosat wirkt als Breitbandherbizid gegen alle ein- und zweikeimblättrigen Pflanzen. Es ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Totalherbizid und wird in zahlreichen Ackerbau-Kulturen eingesetzt. Roundup Future und Barclay Gallup Hi-Aktiv sind u.a. glyphosat-haltige Mittel, die v.a. im Getreideanbau genutzt werden und die wir in unseren Verfahren adressieren.
Der Wirkstoff tötet Pflanzen innerhalb kürzester Zeit von der Wurzel bis zum Blattwerk ab. Deshalb wird Glyphosat kurz nach oder kurz vor der Saat eingesetzt, bevor die Kulturpflanze austreibt, sodass alle anderen in Monokulturen nicht-erwünschten Pflanzen abgetötet werden.
Die großflächige Anwendung von Breitbandherbiziden und die daraus folgende Dezimierung des Blütenangebots führt zu einer Verknappung der Nahrung für blütenbesuchende sowie auf Wildkräuter spezialisierte herbivore Insekten. Dies kann zu einem Populationsrückgang für Vögel und Kleinsäuger führen, die auf Samen, Insekten und Regenwürmer als Nahrungsgrundlage angewiesen sind. Diese indirekten Effekte durch (Zer-)Störung der Nahrungsnetze treten zwar nicht nur bei der Anwendung von Glyphosat, sondern auch bei anderen Breitbandherbiziden auf. Glyphosat hat aber als das mit Abstand am meisten eingesetzte Herbizid den größten Anteil an den beschriebenen Effekten.
Glyphosat wird im Boden kaum abgebaut, gelangt über Oberflächenabfluss in Gewässer und überschreitet teilweise den für Pestizidwirkstoffe geltenden Grenzwert im Grundwasser. Die Rückstände des Pestizids lassen sich mittlerweile selbst in menschlichem Urin nachweisen.
Zahlreiche Studien belegen, dass der Wirkstoff potenziell krebserregend ist. Die Krebsagentur der Weltgesundheitsorganisation (IARC) stufte im Jahr 2015 Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Dennoch wurde der Wirkstoff im Dezember 2023 von der Europäischen Kommission für weitere zehn Jahre genehmigt, obwohl einige Mitgliedstaaten – darunter Deutschland – im zuständigen Ausschuss keine Zustimmung erteilt hatten. Die Entscheidung stützte sich vor allem auf eine Risikobewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die seinerzeit wesentliche Datenlücken einräumte.
Eine wachsende Zahl von wissenschaftlichen Gutachten geht mittlerweile von gesundheitlichen Gefahren wie Karzinogenität, neurotoxischen Effekten und Störungen des Mikrobioms, selbst bei niedriger Dosierung aus. Im Juni 2025 publizierte Ergebnisse einer unter Beteiligung des Ramazzini-Instituts durchgeführten Studie zeigen, dass Glyphosat bereits in Langzeitdosierung bei in der EU-zugelassener Aufnahmewerte das Entstehen von Krebs bei Ratten fördern kann. Mehrere Studien geben zudem Anlass zur Annahme, dass die Wirkstoffkombinationen der getesteten Glyphosat-Pestizide eine höhere Toxizität aufweisen als Glyphosat allein.
Die in den Pestizidprodukten Banjo, Brodal und Luna Experience, gegen deren Zulassung wir kämpfen, enthaltenen Wirkstoffe Fluazinam, Diflufenican und Fluopyram gehören zu den per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS). Die Mittel werden als Fungizide und Herbizide unter anderem in diversen Ackerbaukulturen und im Weinbau verwendet. Ein Abbauprodukt von PFAS-Pestiziden ist die Ewigkeitschemikalie Trifluoressigsäure (TFA). TFA ist hochbeständig, breitet sich über das Grundwasser aus und überschreitet bereits heute an zahlreichen Grundwassermessstellen den Grenzwert von 0,1 µg/l deutlich. Um TFA wieder aus der Umwelt und dem Trinkwasser zu entfernen, gibt es keine praktikablen Methoden. Zuletzt hat auch die dänische Zulassungsbehörde mehr als 20 Pflanzenschutzmittel wegen TFA-Bildung vom Markt genommen.
Lambda-Cyhalothrin wird ebenfalls der bedenklichen Stoffgruppe der PFAS zugeordnet und kann sich zu TFA abbauen. Er gilt als sehr giftig für Säugetiere und Fische, wirbellose Wassertiere und Honigbienen sowie giftig für Regenwürmer. Hinsichtlich der Bioakkumulation in aquatischen und terrestrischen Nahrungsketten besteht außerdem eine erhebliche Datenlücke. Unabhängige Studien deuten auf Wechselwirkungen von Lambda-Cyhalothrin mit Rezeptoren des endokrinen Systems und des Immunsystems hin. Zudem gibt es Hinweise auf eine erhebliche (Entwicklungs-)Neurotoxizität. Das Insektizid Ercole, dessen Zulassung wir angreifen, wird u.a. bezüglich Auswirkungen auf Erdwürmer bzw. andere Organismen der Boden-Makro- und Mesofauna beklagt.
Der in Pestizidprodukten wie Cadou SC, Elipris und Tactic enthaltene Wirkstoff Flufenacet gehörte nach Daten des BVL im Jahr 2023 mit 683 Tonnen zu den absatzstärksten Pestizid-Wirkstoffen in Deutschland. Er wird großflächig im Getreideanbau sowie in anderen Kulturen verwendet. Ende September 2024 stellte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) fest, dass Flufenacet hormonell schädliche Auswirkungen auf Schilddrüsenfunktionen hat. Hieraus ergeben sich erhebliche gesundheitliche Bedenken. Im Falle von Veränderungen des Schilddrüsenstoffwechsels bei Schwangeren können auch irreversible neurologische Entwicklungsstörungen bei Föten nicht ausgeschlossen werden. Er zählt ebenfalls zu den PFAS Pestiziden: Der Einsatz von Flufenacet ist laut Umweltbundesamt die Hauptursache für den pestizidbedingten Eintrag von TFA in die Umwelt und führt zu einer massiven Belastung von Gewässern.
Cypermethrin ist in dem umweltschädlichen Insektizid Sherpa Duo – wir haben uns hierbei zu der Klage des Herstellers gegen schützende Auflagen beigeladen – enthalten. Der Wirkstoff ist ein Nervengift und führt bei Insekten, unter anderem Bienen, zu einer tödlichen Lähmung. Die breite toxische Wirkung dieses Ackergiftes gefährdet somit die Artenvielfalt.
Der Wirkstoff S-Metolachlor wurde im Maisanbau eingesetzt und ist in den von uns beklagten Herbiziden Dual Gold und Gardo Gold enthalten. Die Mittel wurden Anfang 2024 widerrufen. S-Metolachlor wirkt gesundheitsschädlich für bestimmte Säugetiere, seine Abbaustoffe gelangen zudem in hohen Konzentrationen ins Grundwasser. Dies führt zu einer Gefährdung der Trinkwasserversorgung. Außerdem vergiftet das Mais-Pestizid Bodenlebewesen und damit die Nahrungsgrundlage von bestimmten Säugetieren. Es wird durch das Ackergift S-Metolachlor also nicht nur die menschliche Gesundheit durch Trinkwasserverschmutzung gefährdet, sondern das gesamte Ökosystem des behandelten Ackers zerstört, welches wiederum maßgeblich für einen gesunden Boden und dadurch eine ertragreiche Ernte ist.
Fragen und Antworten
Wir setzen uns entschlossen für den Schutz von Umwelt und Gesundheit ein. Wir fordern eine nachhaltige Landwirtschaft, die den Einsatz von Pestiziden reduziert und alternative, umweltfreundlichere Methoden fördert. Durch unsere Arbeit und unsere Pestizid-Klagen wollen wir das Bewusstsein für die Risiken von Pestiziden schärfen, die Regulierung verbessern und den Übergang zu einer nachhaltigen und gesunden Landwirtschaft unterstützen.
Pestizide stellen eine ernsthafte Gefahr für die Umwelt und die Gesundheit dar.
Zahlreiche Studien belegen ihre schädlichen Auswirkungen. Pestizide können die Biodiversität beeinträchtigen, indem sie nicht nur Schädlinge, sondern auch nützliche Insekten, Vögel und andere Organismen schädigen. Laut aktuellen Studien wirken Pestizide nicht nur direkt auf einzelne Tiere oder Pflanzen, sondern verändern ganze Lebensgemeinschaften und Nahrungsnetze. „Beeinträchtigt werden […] nicht nur einzelne Individuen von Nicht-Zielorganismen, sondern ganze Populationen. Dies kann zum lokalen und regionalen Verschwinden von Arten führen“ (scnat, 2021). Ein sichtbares Ergebnis ist der dramatische Artenschwund in vielen Lebensräumen – etwa in Grünland, Saumbiotopen und unter Insekten. Auch Bestäubung, Wasserqualität und andere Ökosystemleistungen werden negativ beeinflusst. Pestizide sind somit eine ernsthafte Bedrohung für die Biodiversität.
Pestizide wirken nicht nur auf die Schad- oder Zielorganismen, sondern nehmen häufig auch Einfluss auf Nicht-Zielarten, wie z.B. Schwächung oder Tötung der Nützlinge, den Fressfeinden der Schädlinge. Dadurch kommt es oft zu einer schnellen Rückkehr der Schädlinge, was erneute Behandlungen nötig macht – ein gefährlicher Kreislauf, der den Pestizideinsatz weiter erhöht.
Viele Pestizide bauen sich nur sehr langsam ab, reichern sich in Organismen und der Nahrungskette an und bleiben langfristig in Böden, Gewässern und Lebensräumen. Das gefährdet sowohl Umwelt als auch den Menschen, denn Pestizide werden mit Gesundheitsgefahren in Verbindung gebracht. Langfristige oder übermäßige Exposition gegenüber Pestiziden kann zu einer Vielzahl von gesundheitlichen Problemen führen, darunter Krebs, neurologische Störungen, Parkinson, hormonelle Veränderungen und Beeinträchtigungen des Immunsystems. Besonders gefährdet sind Landwirte, die täglich mit Pestiziden in Kontakt kommen, sowie Kinder, die empfindlicher auf deren Auswirkungen reagieren können.
Mit der From Farm to Fork-Strategie von Mai 2020 will die EU die europäische Nahrungsmittelproduktion vom Acker bis auf den Teller nachhaltiger gestalten. Bis 2030 soll unter anderem der Einsatz chemisch synthetischer Pestizide um 50 Prozent reduziert werden. Ebenfalls bis 2030 wird ein Ausbau des Ökolandbaus auf 25 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche angestrebt. Das Erreichen der Ziele der Farm-to-Fork-Strategie soll in der EU durch die Richtlinie 2009/128/EG zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden (Sustainable use of pesticides Directive, SUD) unterstützt werden. In der Richtlinie werden spezifische Maßnahmen genannt, die die EU-Länder in ihren nationalen Aktionsplänen zum Pflanzenschutz (NAPs) zur ordnungsgemäßen Umsetzung aufnehmen müssen. Deutschland hat sich mit dessen NAP dazu verpflichtet, u.a. das 50%-Reduktionsziel auf nationaler Ebene umzusetzen. Die Mitgliedstaaten beschreiben in ihren nationalen Aktionsplänen, wie sie sicherstellen, dass alle beruflichen Verwender von Pestiziden die allgemeinen Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes (IPS) spätestens ab dem 1. Januar 2014 anwenden. Der integrierte Pflanzenschutz nach Richtlinie 2009/128/EG Artikel 14 Absatz 4 gemäß Anhang III beinhaltet Grundsätze zur Umsetzung des NAPs und wird durch den deutschen NAP wie folgt festgelegt:
„Der integrierte Pflanzenschutz ist eine Kombination von Verfahren, bei denen unter vorrangiger Berücksichtigung biologischer, biotechnischer, pflanzenzüchterischer sowie anbau- und kulturtechnischer Maßnahmen die Anwendung von chemischen Pflanzenschutzmitteln auf das notwendige Maß begrenzt wird.“
Alle freiwilligen und gesetzlichen Initiativen zur Pestizidreduktion durch den NAP haben bisher jedoch zu keinem Erfolg geführt auch aufgrund unverbindlicher und schwammiger Vorgaben. Deshalb fordern wir folgende konsequente, breitgefächerte und gesetzlich festgesetzte und kontrollierte Maßnahmen:
- Umsetzung und Kontrolle der guten fachlichen Praxis unter Beachtung der EU-RL zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden (RL 2009/128) sowie Sanktionen bei Nichteinhaltung.
- Erstellung eines Nationalen Pestizidreduktionsprogramms, welches u. a. ein Verbot des Pestizideinsatzes in Schutzgebieten, ein sofortiges Verbot von Glyphosat sowie ein Verbot von besonders insektenschädlichen Pestiziden beinhaltet.
- Die Umsetzung wirksamer Anreize für Pestizidverzicht in konventionellen Mais- und Getreide-Kulturen und die Festsetzung des pestizidfreien Mais- und Getreideanbaus als „Gute fachliche Praxis“
- Die Einführung einer risikobasierten Pestizid-Abgabe als flankierende Lenkungs- und Finanzierungsmaßnahme
- Die Umsetzung eines Transparenzregisters über den Pestizideinsatz mit öffentlicher Berichterstattung
Siehe auch unsere mit weiteren Verbänden-herausgegeben Broschüre.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im November 2022 in einem Grundsatzurteil nach einer Klage der DUH bestätigt, dass Umweltverbände wie die DUH auf Basis der Aarhus-Konvention und des darauf beruhenden EU-Rechts Zugang zu wirkungsvollen gerichtlichen Mechanismen haben müssen und im Rahmen des Verbandsklagerechts daher auch befugt sind, gegen die behördliche Zulassung umweltschädlicher Produkte juristisch vorzugehen.
Mit dieser richtungsweisenden Entscheidung im Rücken hat die DUH im Frühjahr 2023 entschieden, Musterverfahren gegen ausgewählte umweltschädliche, hochgiftige Pestizide gegen das BVL anzustrengen. Zugleich hat die DUH im Sommer 2023 damit begonnen, auch gegen die EU-weite Genehmigung einzelner Pestizidwirkstoffe durch die EU-Kommission juristisch vorzugehen und damit die nationalen Klagen zu ergänzen.
In einem zusätzlichen Urteil hat das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen 2024 die Klagebefugnis und das berechtigten Interesse an der Beiladung zu Klagen der Hersteller gegen Umweltauflagen bestätigt: Wir dürfen die Umweltbelange in einem von einem Pestizid-Hersteller initiierten Gerichtsverfahren zu verschärften Anwendungsbestimmungen vor Gericht vertreten (siehe: PM).
Mit dieser rechtlichen Grundlage können wir vor Gericht detailliert auf die negativen Umweltauswirkungen dieser hochgiftigen/umweltschädlichen Pestizide eingehen und uns für strenge Anwendungseinschränkungen einsetzen. Damit kann erreicht werden, dass das Mittel wenigstens nur unter den vom UBA als zwingend erforderlich erachteten Umweltschutzauflagen zum Einsatz kommen darf.
Kontakt

Daphne Lenz
Referent:in für Pestizidklagen
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