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Pressemitteilung

"Es geht nicht um Verzicht, sondern um Alternativen"

Freitag, 18.12.2020

Barbara Metz sucht den Dialog. Sie will zukunftsfähige Modelle in die Fläche bringen. Probleme dürfe man nicht vor sich herschieben, sagt die Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe.

© Stefan Wieland

+++ Das Interview ist in unserem Jahresbericht 2020 erschienen +++

Gerade liegt die Mehrweg-Konferenz hinter uns. Die DUH war Gastgeber. Wie war die Resonanz?

Ja, genau. Das war die 1. Deutsche Mehrweg-Konferenz. Das Interesse war natürlich riesengroß. Das liegt daran, dass wir mit Mehrweg eine tragfähige Lösung für die abfallarme Zukunft bereits kennen. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist: Bisher nutzen wir diese Lösung nichtausreichend. Wir haben in Deutschland ein massives Verpackungsmüllproblem. Die 1. Deutsche Mehrwegkonferenz hat dazu beigetragen, klarzumachen, dass Mehrweg nicht nur im Getränkebereich funktioniert, sondern auch bei vielen anderen Anwendungen. Mehrweg ist Ressourcenschutz und Klimaschutz zusammen.

Wer war auf Teilnehmerseite mit dabei?

Wie sehr das Thema Müllvermeidung die Leute umtreibt, sehen wir schon an den 200 Teilnehmenden der Konferenz. Dabei waren der Oberbürgermeister aus Tübingen, Boris Palmer, der das Tübinger Modell vorgestellt hat: Mehrweg fördern und Einweg sanktionieren. Florian Pronold, Staatssekretär aus dem Bundesumweltministerium und Jürgen Trittin, Bundestagsabgeordneter und ehemaliger Umweltminister. Außerdem haben viele Unternehmen, die mit innovativen Mehrwegprodukten auf dem Markt sind, ihre Ideen vorgestellt. Denn es geht nicht nur um Getränkeverpackungen oder den Mehrweg-Kaffeebecher, sondern um viele andere Bereiche. Zum Beispiel wurden Mehrweglösungen auch für Kosmetikprodukte wie Seifen oder Shampoos vorgestellt. Jetzt geht es darum, Mehrweg als Grundprinzip in der Fläche zu etablieren.

Seit Beginn der Corona-Krise ist der Konsum von Pizza im Wegwerf-Karton oder Kaffee im To-go-Becher stark gestiegen und damit wachsen auch die Müllberge. Was kann die Deutsche Umwelthilfe tun?

Wir klären auf! Große Konzerne wie Coca-Cola, Danone und Nestlé, aber auch Lebensmitteleinzelhändler wie Lidl oder Aldi versuchen, den Verbraucherinnen und Verbrauchern glaubhaft zu machen, dass Einwegplastik Verpackungen, der Getränkekarton oder die Dose ökologisch auf Augenhöhe oder sogar noch besser als Mehrweg seien. Es wird das Märchen von unendlichen Abfallkreisläufen erzählt. Sprich: Aus deiner alten Flasche machen wir einfach eine neue. Das stimmt so nicht, denn was nicht erzählt wird: Es geht bei jedem Recyclingprozess Material verloren, außerdem braucht der Prozess immer aufs Neue viel Energie und andere Ressourcen. Wir wissen, dass seit der Corona-Pandemie das Problem des Einwegmülls noch größer geworden ist. Das liegt daran, dass immer häufiger Lieferdienste genutzt werden. Dafür haben wir Verständnis. Das ist aber gleichzeitig eine Riesenchance, bei Lieferdiensten auf Mehrweg umzusteigen. Wir haben an Bundesumweltministerin Schulze appelliert, aktiv zu werden und Mehrweg politisch gezielt zu fördern.

Bei den Menschen landet immer mehr Werbepost ungefragt im Briefkasten, oft mit Plastik umhüllt. Auch der Papier- und Wasserverbrauch ist immens.

Weniger als ein Drittel der Deutschen hält gedruckte Werbeprospekte und Postwurfsendungen noch für zeitgemäß. Es geht nicht darum, jemandem etwas wegzunehmen, was er braucht. Aber 20 Millionen Haushalte bekommen die Werbung nach dem Gießkannenprinzip. Das macht ungefähr eine Million Bäume pro Jahr für die Papierherstellung. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel. Bislang muss man aktiv sagen: Nein, ich will diese Werbung nicht bekommen. Wenn die ganz überwiegende Mehrheit Werbepost jedoch nicht ungefragt bekommen möchte, sollte man das Prinzip umkehren: Wer an der Werbepost interessiert ist, muss sich dafür aktiv anmelden. Dies ist ein schönes Beispiel dafür, dass eine Verhaltensänderung einen Rieseneffekt für den Ressourcen- und Klimaschutz hat. Es geht hier nicht um Verzicht, sondern darum, unnötigen Müll zu vermeiden.

Wir können Deutschland in puncto Müllvermeidung nicht isoliert betrachten. Wie beurteilst du die Entwicklung in Europa?

Auf europäischer Ebene hat der Green Deal der Kreislaufwirtschaft einen höheren Stellenwert gegeben. Dass Strohhalme und Einwegbesteck verboten werden, reicht aber nicht aus. Wir müssen ein Getränke-Mehrwegsystem für ganz Europa schaffen. Deutschland besitzt das weltweit größte Mehrwegsystem. Wir arbeiten daran, unsere Erfahrungen und unser Wissen auch über die deutschen Grenzen hinaus zugänglich zu machen. Das ist uns in diesem Jahr auch gelungen: Die österreichische Umweltministerin hat unsere Ideen aufgegriffen. Sie hat Folgendes vorgestellt: eine verbindliche Mehrwegquote, eine Abgabe auf Einweggetränkeverpackungen und die Einführung eines Einwegpfandes. Die DUH hatte in intensiven Gesprächen mit vielen österreichischen Akteuren genau diese Maßnahmen empfohlen.

Ein anderes Thema: der Klimaschutz im Wohngebäude-Bereich. Worauf müssen sich die Bürgerinnen und Bürger einstellen? In Deutschland ist das Wohnen vielerorts ohnehin sehr teuer.

Das grundsätzliche Problem im Gebäudebereich sehen wir darin, dass keine Konzepte existieren, die sowohl klima- als auch sozialpolitische Herausforderungen adressieren. Beispiele für einseitig ausgerichtete Gesetze finden sich auf beiden Seiten. Da ist zum Beispiel das Gebäudeenergiegesetz, das in diesem Jahr verabschiedet wurde. Kein Wort zu den sozialpolitischen Aspekten. Genauso verhält es sich mit dem Gesetz zum Mietendeckel. Es soll dafür sorgen, dass die Mieten nicht weiter steigen. Gleichzeitig bringt diese Regelung die energetische Sanierung fast vollständig zum Erliegen. Weil die Probleme nicht einfach zu lösen sind, wird der Gebäudebereich im aktuellen politischen Diskurs vernachlässigt. Das ist ein gefährlicher Zustand, denn alles, was heute saniert und neu gebaut wird, ist in aller Regel nicht mit den Klimazielen zu vereinbaren. Ohne den Gebäudesektor werden wir die Klimaziele aber sicher nicht erreichen können. Wir haben eine Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund aufgebaut, um gemeinsam an ganzheitlichen Vorschlägen für den Gebäudebereich zu arbeiten.

Auf welche Weise kann die Deutsche Umwelthilfe ihren Argumenten mehr Gewicht in dieser Diskussion verschaffen?

Wir klären auf! Aktuell rufen wir mit „Frag den Staat“ Bürgerinnen und Bürger auf, bei allen öffentlichen Gebäuden, wie Schulen, Kitas oder Rathäusern nach dem Energieausweis zu fragen. Mehrere tausend Anträge sind schon eingegangen. Leider weiß die öffentliche Hand oft selbst nichts über den energetischen Zustand ihrer Gebäude. Hier schaffen wir mit unserer Aktion Transparenz. Außerdem fordern wir die Verantwortlichen dazu auf, Sanierungsfahrpläne mit konkreten Zeitplänen bis Mitte 2021 vorzulegen.

Wie gelingt es, Menschen zu motivieren, sich einzubringen?

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Frage, wie die Klimaziele erreicht werden können, in der Breite unserer Gesellschaft angekommen ist. Ich glaube, dass viele Menschen bereit sind, mitzuhelfen, wenn man ihnen Lösungen aufzeigt. Eine Verzichtsdebatte ist in diesem Zusammenhang nicht hilfreich und auch falsch, denn es geht nicht immer um Verzicht, sondern sehr oft um Alternativen, die im Alltag sogar häufig besser sind als das Gewohnte. Wir wollen hier mithelfen, dass diese Alternativen zügig umgesetzt werden, nicht erst 2030 oder 2040. Die kommenden zehn Jahre sind entscheidend für den Klimaschutz!

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