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Pressemitteilung

Deutsche Umwelthilfe wirft Bundesregierung umweltpolitische Ambitions- und Mutlosigkeit und verlorenes Jahr für Umwelt-, Verbraucher- und Klimaschutz vor

Montag, 16.12.2019 Dateien: 1
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DUH zieht kritische Jahresbilanz – Stillstand nicht nur beim Klimaschutz: Bundesregierung setzt sich bei der Luftreinhaltung nicht gegen die Dieselkonzerne und beim Grundwasserschutz nicht gegen Chemie- und Agrarlobby durch – DUH kündigt kreative Aktionen für 2020 für den Stopp von Einweg-Plastik, den Erhalt der biologischen Vielfalt und die Agrarwende sowie kurzfristig wirksame Klimaschutzmaßnahmen wie ein Tempolimit an – Die Saubere Luft wird 2020 in den meisten der 39 von der DUH beklagten Städte Realität

Berlin, 17.12.2019: Für das zurückliegende umweltpolitische Jahr 2019 wirft die Deutsche Umwelthilfe (DUH) der Bundesregierung Ambitions- und Mutlosigkeit vor – und zwar über alle Bereiche des Umwelt-, Verbraucher-, und Klimaschutzes hinweg. Der notwendige große Wurf für eine klimagerechte und nachhaltige Zukunft blieb aus, während einseitige Industrieinteressen weiterhin die Grundlinien der Politik bestimmen.

Beim Klimaschutz versagt die Bundesregierung an ihren eigenen Ansprüchen. Das Klimapaket verdient nicht seinen Namen. Während der Kohleausstieg weiter verschleppt wird, droht der Windkraft an Land durch verheerende Abstandsregeln das vollständige Aus. Das Ausbauziel von 65 Prozent Erneuerbaren Energien bis 2030 gerät dadurch in weite Ferne.

Dazu Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Die Bundesregierung hat den Weckruf der Jugendklimabewegung nicht gehört. Statt schleunigst aus der Kohle auszusteigen, soll mit Datteln 4 im kommenden Jahr sogar ein neues Steinkohlekraftwerk in Betrieb genommen werden. Statt in die Erneuerbaren Energien aus Sonnen- und Windkraft einzusteigen, treibt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier die heimische Windindustrie durch unsinnige Abstandsregelungen in eine existenzbedrohende Krise. In der Konsequenz scheitert Deutschland an den selbstgesetzten Klimaschutzzielen genauso wie an der völkerrechtlichen Verpflichtung des Pariser Abkommens, die Erderwärmung möglichst auf nicht mehr als 1,5 Grad zu begrenzen.

Der gescheiterte Klimagipfel von Madrid bildet für Müller-Kraenner den Schlusspunkt eines klimapolitisch desaströsen Jahres. Die DUH fordert die Bundesregierung auf, die aktuelle Blockadehaltung gegen anspruchsvolle Klimaziele und das Festhalten an fossilen Energien endlich aufzugeben und wieder zum klimapolitischen Zugpferd innerhalb der EU zu werden.

Dass die Bundesregierung immer noch an fossilen Energien festhält, statt die Erneuerbaren zu fördern, zeigt sich unter anderem an den Bauplänen für Flüssigerdgas-Anlagen an der Küste Deutschlands, gegen die die DUH seit 2019 vorgeht. Rechtsgutachten im Auftrag der DUH belegen, dass die geplanten Anlagen in Brunsbüttel und Wilhelmshaven aus Naturschutz- und Sicherheitsgründen nicht genehmigungsfähig sind. Den von der Politik ebenfalls vorgeschlagenen Standort Stade prüft die DUH derzeit. Die DUH fordert einen umgehenden Bau- und Planungsstopp für jede neue fossile Infrastruktur und behält sich weitere rechtliche Schritte vor, zeigt sich die Politik nicht einsichtig.

Auch im Bereich Naturschutz nutzt die DUH den juristischen Hebel. Im November 2019 hat die DUH eine Klage für sauberes Wasser eingereicht. Diese Klage richtet sich gegen die Landesregierungen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen zur schnellstmöglichen Einhaltung des Nitrat-Grenzwerts in der hochbelasteten Ems-Region. Die DUH fordert die Landesregierungen auf, umgehend ein Maßnahmenprogramm für die Flussgebietseinheit Ems vorzulegen, um das Trinkwasser zu schützen und der Landwirtschaft den ökologischen Wandel zu ermöglichen.

Die Gülle steht uns bis zum Hals. Die Trinkwasserqualität zu erhalten, wird immer kostspieliger und aufwändiger. Die Bundesregierung muss endlich die Wende für eine naturverträgliche Landwirtschaft einleiten“, so Müller-Kraenner. Er fordert die Bundesregierung auf, einen nationalen Aktionsplan für die biologische Vielfalt aufzustellen. Dies sei dringend notwendig, um dem anhaltenden Rückgang der Arten gerade in der Agrarlandschaft entgegenzuwirken.

Die DUH kritisiert, dass der Verpackungsverbrauch in Deutschland aktuell mit 18,7 Millionen Tonnen einen neuen Höchststand erreicht hat.  Die Bundesregierung hat diesem verheerenden Trend auch in 2019 nichts Wirksames entgegengesetzt. Abfallvermeidung ist nicht nur für den Ressourcenschutz relevant, sondern birgt enormes CO2-Einsparpotential. Die DUH kritisiert, dass die Bundesregierung es komplett verpasst hat, diesen Bereich im Klimapaket überhaupt zu adressieren. Bei der Durchsetzung der im Verpackungsgesetz verankerten und von der DUH erkämpften Mehrwegquote von 70 Prozent schneidet das Bundesumweltministerium schlecht ab.

Dazu Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH: „Die Mehrwegqoute von 70 Prozent steht im Gesetz, wird aber von Bundesumweltministerin Svenja Schulze nicht umgesetzt. Wenn einmal mehr die Regierung versagt, werden wir Getränkeindustrie und Handel kontrollieren und überprüfen, wie sie die Verbraucher korrekt über Einweg und Mehrweg informieren. Auch werden wir uns dafür einsetzen, dass Handel und Getränkeindustrie die Mehrwegquote bis spätestens Ende 2021 gemäß der gesetzlichen Vorgabe von 70 Prozent umsetzen. Das gilt auch für die Einweg-Discounter wie Aldi und Lidl, die sich Mehrweg bislang komplett verweigern. Allein mit dieser Maßnahme werden mehrere hunderttausend Tonnen Klimagasemissionen eingespart.“

Erfolgreich setzte die DUH mit der ökologischen Marktüberwachung und entsprechenden rechtlichen Schritten durch, dass Netto Marken-Discount Einweg- und Mehrweg-Getränkeverpackungen als solche am Verkaufsort korrekt kennzeichnet. Dies ist ein weiterer wichtiger Erfolg für die Verbraucherschutzarbeit der DUH in diesem Bereich.

Die DUH wird sich dafür einsetzen, dass die verpflichtende Mehrwegnutzung grundsätzlich in die Beschaffungsrichtlinien der öffentlichen Hand mit aufgenommen wird. „Wir werden Schluss machen mit Einwegplastikflaschen in Schulen, Kindergärten, Rathäusern oder Ämtern. Meinen es Städte und Kommunen ernst mit dem Klimaschutz, sollte ein erster Schritt sein, Einweg zu verbannen und auf Mehrweg bei der öffentlichen Beschaffung zu setzen“, so Metz weiter. Die DUH hat alle kreisfreien Städte und Landkreise in Deutschland angeschrieben und aufgefordert, auf unnötige Einwegverpackungen in der öffentlichen Beschaffung zu verzichten und stattdessen auf Mehrweg zu setzen. Erste Städte wie Bremen oder Hamburg sind hier schon Vorreiter.

Erfreulich ist, dass als Ergebnis der langjährigen Aufklärung über die negativen Folgen von Einweg-Plastikwasser dessen Marktanteil um zehn Prozent gesunken ist. Glas-Mehrweg-Flaschen haben hingegen deutlich zugelegt. Auch die Pro-Mehrweg-Mitstreiter nehmen zu: „Verantwortliche wie der Getränkehändler Hans-Peter Kastner haben erkannt, dass Einweg von gestern ist. Auch die Verbraucher haben keine Lust mehr auf die Verpackungsflut. Kastner hat in einem beispielgebenden Schritt die Wegwerfflaschen und Dosen aus seinem Laden verbannt und setzt nur noch auf Mehrweg. Wir werden dafür kämpfen, dass noch mehr Händler sich diesem Vorbild anschließen“, so Metz.

Die DUH betrachtet mit Sorge, dass sich die Frage von Sozialverträglichkeit und Klimaschutz im Gebäudebereich immer mehr zuspitzt. Es müssen Konzepte auf den Weg gebracht werden, die beide Aspekte berücksichtigen. Metz: „Die Bundesregierung muss endlich eine vernünftig ausgestaltete steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung auf den Weg bringen. Das heißt, dass zusätzlich mindestens 1,5 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt werden müssen. Klimaschutz im Gebäudesektor gibt es nicht zum Nulltarif. Die Erfahrung aus den vergangenen Jahren zeigt deutlich, dass die Kosten energetischer Sanierungen gerechter auf öffentliche Hand, Vermieter und Mieter aufgeteilt werden müssen, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen. Man sollte meinen, dass auch die Regierenden das begriffen haben. Trotzdem werden mit der Effizienzstrategie und dem Gebäudeenergiegesetz Entwürfe vorgelegt, die nicht einmal im Ansatz die Probleme adressieren können. Das als Erfolg zu feiern ist geradezu peinlich.“

Aus Sicht der DUH ist es zwingend erforderlich, die Sanierungsqualität durch eine obligatorische Energieberatung sicherzustellen. Ebenso muss ein klar definierter Ausstieg aus den fossilen Energien erfolgen – das bedeutet ein sofortiges Verbot des Neueinbaus von Ölheizungen sowie ein Verbot des Neueinbaus von Gasheizungen ab 2025. Zudem müssen die Bundesregierung und die Landesregierungen selbst mit gutem Beispiel vorangehen und die Bundesliegenschaften sanieren. Wie schlecht der Zustand der Bundesgebäude tatsächlich ist, hat die DUH über die Energieausweise dieses Jahr abgefragt. Die DUH kündigt an, im kommenden Jahr ihre Energieausweis-Umfrage zu den Gebäuden der öffentlichen Hand auf die Landesregierungen auszuweiten.

Ein Totalversagen im Klimaschutz zeigt schließlich der Verkehrssektor. Nicht nur, dass seit zwei Jahren die CO2-Emissionen von Pkw-Neufahrzeugen wieder ansteigen: Die mit Abstand kontraproduktivste Regelung dieser Bundesregierung ist die geplante zukünftige steuerliche Förderung schwerer SUVs mit hohem Spritverbrauch als reines Elektrofahrzeug. „Bis Ende 2030 will die Bundesregierung SUV-Stadtpanzer wie den BMW X5 mit über 3,1 Tonnen Gesamtgewicht und einem spritschluckenden Sechszylinder-Benzinmotor und Alibi-Hybridantrieb wie ein reines Elektroauto behandeln. Es ist tolldreist, dass zukünftig solche Klimakiller-Stadtgeländewagen mit jeweils mehreren zehntausend Euro vom Staat subventioniert werden sollen“, kritisiert Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. „Die bisherige Lenkung der wichtigsten deutschen Schlüsselindustrie hin zu zukunftsfähigen Produkten ist gescheitert. Dies zeigt sich eindrucksvoll daran, dass unter den 20 weltweit meistverkauften Elektrofahrzeugen in 2018 kein Modell aus deutscher Produktion zu finden ist. Die Autobauer und ihre spritschluckenden Stadtgeländewagen sogar noch mit mehreren Milliarden Steuersubvention und Kaufprämien zu fördern, zeigt das klimapolitische Desinteresse dieser Bundesregierung“, so Resch weiter.

In 2019 hat die DUH das bisher größte und breiteste gesellschaftliche Bündnis für ein Tempolimit gebildet. Gemeinsam mit der Polizeigewerkschaft NRW, der Verkehrsunfall-Opferhilfe, Verkehrs-, Verbraucher- und Umweltverbänden ist es gelungen, erstmals eine über das gesamte Jahr anhaltende Debatte über die zwingende Notwendigkeit eines Tempolimits für Klimaschutz und Verkehrssicherheit am Laufen zu halten. Die DUH zeigt sich zuversichtlich, diese mit Abstand wichtigste Einzelmaßnahme für den Klimaschutz im Verkehrsbereich kurzfristig durchzusetzen und kündigt für 2020 kreative Aktionen hierzu an.

Für die Saubere Luft hat die DUH in insgesamt 39 deutschen Städten den Rechtsweg gewählt und hat alle bisherigen Entscheidungen vor Gericht gewonnen. Zunehmend gelingt es der DUH, in Vergleichsgesprächen – bisher mit den Landesregierungen von Hessen und aktuell Nordrhein-Westfalen – rechtsverbindliche Lösungen umzusetzen. Neben Fahrverboten für schmutzige Diesel-Fahrzeuge steht hier die Verkehrswende hin zu weniger motorisiertem Individualverkehr und mehr Bus, Bahn und Straßenbahn im Vordergrund. Immer mehr Städte greifen die Forderung der DUH für generelle 365-Euro-Jahres-Ticket für den ÖPNV auf. 

Nach zehn Jahren andauernder Grenzwertüberschreitung gelingt es uns mit Hilfe nationaler wie europäischer Gerichte, endlich die Einhaltung der wichtigen Luftqualitätswerte in unseren Städten durchzusetzen. In allen Fällen verhandeln wir mit Ländern und Kommunen über umfangreiche Maßnahmenpakete für eine wirkliche Verkehrswende. Leider wagen es unsere Regierungspolitiker über alle Parteien hinweg nicht, den betrügerischen Autokonzernen aufzuerlegen, von sich aus den elf Millionen betroffenen Haltern von Euro 5 und Euro 6 Diesel-Fahrzeugen mit einer Hardware-Nachrüstung zu helfen. Daher werden wir auch in 2020 weiter mit Musterklagen für das Recht der geschädigten Stadtbewohner auf Saubere Luft kämpfen und gleichzeitig hunderttausenden Dieselkäufern helfen, ihr Recht auf kostenfreie Reparatur der funktionsuntüchtigen Abgasreinigung durchzusetzen“, so Resch.

Die von den Autokonzernen betriebene Kampagne zur Diskreditierung der DUH fand durch die öffentliche Verhandlung und das Urteil des höchsten deutschen Zivilgerichts, des Bundesgerichtshofs, im Sommer 2019 ein deutliches Ende. In dem Urteil von Juli bestätigt der Bundesgerichtshof, dass die Kontrolle einer Industrie, die von staatlichen Behörden nicht mehr kontrolliert wird, korrekt und notwendig ist. Der Bundesgerichtshof wies die Kritik automobilnaher Politiker und der Automobilwirtschaft an der Klagebefugnis der DUH als haltlos zurück und bestätigte vollumfänglich die Rechtmäßigkeit der ökologischen Marktüberwachung der Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation.

Mit dem Urteil finden zehn Jahre Diskreditierung und üble Nachrede gegenüber der Marktüberwachungsarbeit der Deutschen Umwelthilfe ein Ende. Die Autoindustrie muss endlich einsehen, dass sie nicht über dem Gesetz steht und sich wie alle anderen auch an Umwelt- und Verbraucherschutzgesetze zu halten hat. Solange die Autoindustrie staatliche Überprüfungen relevanter Umwelt- und Verbraucherschutzvorschriften wie Angaben zur Effizienz und dem Spritverbrauch verhindert, bedarf es wirksamer Kontrollen von Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden. Daher werden wir auch in 2020 unserem Auftrag des Bundesamts für Justiz für die ökologische Marktüberwachung nachkommen“, so Resch.

Links:

Jahresbericht 2019: l.duh.de/p191217

Kontakt:

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer
0160 90354509, mueller-kraenner@duh.de

Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin
0170 7686923, metz@duh.de

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de

DUH-Pressestelle:

Ann-Kathrin Marggraf, Marlen Bachmann
030 2400867-20, presse@duh.de

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