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Pressemitteilung

Deutsche Umwelthilfe fordert staatliches Eingreifen gegen falsche Spritverbrauchsangaben – ICCT-Zahlen belegen: Automobilindustrie täuscht Verbraucher beim Spritverbrauch

Montag, 06.11.2017 Dateien: 1

Neue Zahlen des ICCT belegen Abweichungen zwischen offiziellen Herstellerangaben und Realverbrauch von 42 Prozent – Tricks der Autobauer führen zu immer größerer Differenz zwischen Normangaben und realem Kraftstoffverbrauch – DUH fordert Umsetzung eines „Acht-Punkte-Sofortprogramms für ehrliche Spritangaben“ durch die neue Bundesregierung

© Bjoern Wylezich - Fotolia

Berlin, 6.11.2017: Die unabhängige Forschungsorganisation International Council on Clean Transportation (ICCT) bestätigt mit ihrer heute veröffentlichten Untersuchung erneut die von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) bereits seit Jahren angeprangerte Verbrauchertäuschung bei offiziellen Spritverbrauchsangaben. Die Abweichung zwischen den realen CO2-Emissionen und Spritverbrauchswerten moderner Pkw und den offiziellen Angaben der Hersteller ist weiter gestiegen und liegt für 2016 nun bei knapp über 42 Prozent. Damit reduziert sich die CO2-Minderung gegenüber 2001 auf etwa ein Drittel dessen, was uns offizielle Zahlen glauben machen. Besonders negativ fallen dabei ausgerechnet die größeren Limousinen von Mercedes, Audi und BMW auf. Hier liegen die Abweichungen bei einigen Modellen im Schnitt bei bis zu 50 Prozent. Bei neuen Firmenflottenfahrzeugen liegt der Abstand sogar bei 45 Prozent.

Die wachsende Abweichung belastet den Geldbeutel der Käufer, führt zu hohen Kfz-Steuerausfällen und untergräbt verbindliche Klimaschutzziele, zu denen sich Deutschland auch international bekannt hat. Die DUH fordert deshalb von einer neu gebildeten Bundesregierung, die Spritverbrauchsangaben umgehend staatlich nachkontrollieren zu lassen.

„Die in Regierungsverantwortung stehenden Politiker schauen dem Treiben der Autohersteller schon viel zu lange tatenlos zu. Bei offensichtlich fehlerhaften Angaben müssen behördliche Nachmessungen von Bestandsfahrzeugen veranlasst und zu hohe Abweichungen sanktioniert werden, um somit Klima, Verbraucher und den Steuersäckel vor diesen Machenschaften zu schützen“, fordert die Stellvertretende DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz.

Ohne behördliche Nachmessungen werde auch das in der EU seit September 2017 geltende neue Messverfahren für die Zulassung von neuen Fahrzeugtypen (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure, kurz: WLTP) keine Verbesserung bringen. Ab September 2018 gilt das WLTP für alle in der EU zugelassenen Pkw.

„Auch mit der Einführung des WLTP ist langfristig nicht mit einer ausreichenden Korrektur der Werte zu rechnen. Jetzt muss schnellstmöglich sichergestellt werden, dass die Angaben der Hersteller von einer unabhängigen Stelle überprüft werden. Ansonsten gehen die Manipulationen und der seit Jahren anhaltende Betrug der Autoindustrie am Kunden und am Staat weiter“, so Metz.
  
Die niedrigen Normverbräuche ermitteln die Autobauer mit Hilfe zahlreicher technischer Tricks bis hin zu rechtswidrigen Manipulationen, die auch im neuen Prüfzyklus weiterhin möglich sind. Die Behörden erleichtern die Irreführung der Autokunden durch ihre standhafte Weigerung, offensichtlich realitätsferne Verbrauchsangaben durch neutrale, vom Hersteller unabhängig durchgeführte Nachprüfungen zu kontrollieren. Die DUH fordert konsequente Kontrollen und eine Ahndung bei festgestellten falschen Herstellerangaben.

Der internationale Verkehrsexperte Axel Friedrich erläuterte eine Auswahl der technischen Tricks, die die Hersteller anwenden, um bei den von der EU vorgeschriebenen Fahrzyklen zu niedrigen Spritverbrauchs- und damit CO2-Werten zu kommen. So erkennen die Bordcomputer neuer Pkw mit immer ausgefeilteren Diagnosetools, dass sich das Fahrzeug im Test auf einem Rollenprüfstand befindet und schalten für die Dauer der Prüfung in einen optimierten Testmodus mit möglichst geringen Verbrauchswerten. Einige Hersteller koppeln auch die Lichtmaschine während des Prüfstandtests ab, so dass der Kraftstoffverbrauch für das Aufladen der Batterie wegfällt. Auf der Straße würde ein solches Fahrzeug nach kurzer Zeit den Einsatz verweigern.

Ein Einfallstor zur Manipulation der Verbrauchstests ergibt sich auch bei der Ermittlung des sogenannten Rollwiderstandswertes. So werden besonders rollwiderstandsarme, mit stark erhöhtem Luftdruck befüllte Spezialreifen eingesetzt. Ausstattungselemente werden bezüglich ihres Gewichts optimiert oder schlicht ausgebaut und Kühlergrill bzw. Türschlitze verklebt, um die Aerodynamik zu verbessern. Die Einführung des WLTP kann einige der gängigen Tricksereien verhindern, aber neue Schlupflöcher werden im Laufe der Zeit ausgenutzt werden.

„Die Einführung von Messungen unter realistischen Bedingungen im Straßenverkehr bereits im Rahmen der Typprüfung kann diesem Treiben rasch ein Ende bereiten“, sagt Friedrich und erinnert daran, dass die EU dies bei Schadstoffemissionen von Pkw inzwischen erkannt habe und dort bereits entsprechende Messungen, aber nur für neue Fahrzeugmodelle vorschreibe.

Bereits vor 15 Jahren hat die DUH damit begonnen, die jährlich zunehmende Abweichung zwischen den Norm- und Realverbräuchen zu veröffentlichen. Von anfangs circa zehn Prozent sind die Abweichungen jetzt auf durchschnittlich knapp 42 Prozent angestiegen, ohne dass sich das zugrundeliegende Messverfahren geändert hat. Alle Versuche der DUH, dass eine von der Automobilindustrie und von den Zulassungsbehörden unabhängige Behörde Nachkontrollen durchführt und wirksame Strafen verhängt, sind bis heute gescheitert.

Dass es möglich ist, ehrliche Spritangaben zu bekommen, zeigt das Beispiel der USA: Die amerikanische Umweltbehörde (EPA) zwingt die Autohersteller bei festgestellten Abweichungen zwischen den Herstellerangaben und dem Messergebnis der Nachkontrolle oberhalb von vier Prozent zur Korrektur der Angaben, veröffentlicht die festgestellten Betrügereien und fordert Strafzahlungen in bis zu dreistelliger Millionenhöhe.

Deshalb fordert die DUH die an einer neuen Regierung beteiligten Parteien auf, folgendes „Acht-Punkte-Sofortprogramm für ehrliche Spritangaben“ umgehend nach Regierungsbildung auf den Weg zu bringen:

1. Effektive Marktüberwachung: Einrichtung einer von der Automobilindustrie und von den Zulassungsbehörden unabhängigen amtlichen Stelle zur Überprüfung der offiziellen Verbrauchswerte zufällig ausgewählter Serienfahrzeuge sowie der vom Hersteller für die Labormessung vorgegebenen Parameter (z.B. Rollwiderstand).

2. Korrektur der offiziellen Verbrauchswerte bei einer Abweichung ab vier Prozent zwischen der Herstellerangabe und dem Messergebnis der unabhängigen Nachkontrolle.

3. Sanktionierung von betrügerischen Praktiken: Festgestellte Verstöße müssen veröffentlicht und mit wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen belegt werden.

4. Ermittlung der CO2-Emissionen im realen Straßenverkehr: Anpassung des offiziellen Typzulassungsverfahrens durch Überprüfung der CO2-Emissionen im praktischen Fahrbetrieb, wie es im Rahmen der RDE-Regulierung bereits für Stickoxide und Partikelzahl Pflicht ist. Ein geeignetes Testverfahren muss hierzu schnellstmöglich erarbeitet werden.

5. Einführung eines Limits von vier Prozent für die maximale Abweichung zwischen den im Rahmen von Straßenmessungen ermittelten CO2-Emissionen und dem Laborwert.

6. Transparenz: Offenlegung aller CO2- und emissionsbezogener Daten durch das Kraftfahrt-Bundesamt. Die Automobilindustrie muss der Veröffentlichung aller für die Nachprüfung von CO2- und Abgaswerten notwendigen Fahrzeugdaten ausdrücklich zustimmen.

7. Benennung einer für falsche Spritverbrauchsangaben zuständigen Behörde, die festgestellte Abweichungen des Spritverbrauchs sammelt, öffentlich zugänglich macht und Verbrauchern bei der Durchsetzung ihrer Rechte gegenüber den Autokonzernen hilft.

8. Einführung der Musterfeststellungsklage ins deutsche Recht, um dem Verbraucher verbesserte Rechte gegenüber betrügerischen Unternehmen zu geben.

Die DUH hat im Rahmen ihrer Kampagne „Get Real“ auf der Plattform change.org unter https://www.change.org/spritschleuder eine Petition gestartet und fordert Matthias Müller (VW), Dieter Zetsche (Daimler) und Harald Krüger (BMW) auf, endlich ehrliche Spritangeben zu machen. Die DUH ruft dazu auf, den drei Vorstandsvorsitzenden unter https://www.duh.de/spritluege/ eine persönliche Protestmail zu senden.

Die Kampagne „Get Real – Für ehrliche Spritangaben!“ wird im Rahmen des LIFE-Programms der EU-Kommission gefördert und läuft bis Anfang 2020.

Links:

Kontakt:

Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin DUH
0170 7686923, metz@duh.de

Dr. Axel Friedrich, Internationaler Verkehrsexperte
0152 29483857, axel.friedrich.berlin@gmail.com

DUH-Pressestelle:

Andrea Kuper, Ann-Kathrin Marggraf
030 2400867-20, presse@duh.de 

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