Im Einsatz für eine lebendige Oder

Durch die Umweltkatastrophe, die sich im August 2022 an der Oder ereignete und zu einem Massensterben von Fischen, Muscheln und Wasserinsekten führte, steht das jahrelange Engagement der Deutschen Umwelthilfe und ihrer Partner für eine lebendige Oder vor ganz neuen Herausforderungen. Die Fortsetzung der Baumaßnahmen, die zu einer weiteren Verschlechterung der Situation führen, muss nun noch vehementer bekämpft werden. Die Ursachen der Katastrophe müssen analysiert und aufgearbeitet werden und es muss Konsequenzen geben, für die Verursachenden ebenso wie für die Vorsorge und Vermeidung künftiger Umweltschäden. Zudem setzen wir uns dafür ein, dass alle nötigen Maßnahmen für die Erholung der einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt an der Oder ergriffen werden.

Eine einzigartige Flusslandschaft

Die Oder ist einer der letzten frei fließenden und naturnahen Flüsse in Europa. Flussbewohner können sich hier ungehindert in ihrem Lebensraum bewegen und auch wandern. Die biologische Vielfalt im und am Fluss ist dadurch besonders reichhaltig. Über rund 500 Kilometer fließt die Oder ohne größere Hindernisse in die Ostsee, umgeben von intakten und artenreichen Überschwemmungsgebieten. An den meisten anderen Strömen behindern heute Schleusen und Wehre das freie Fließen.

Gemeinsam mit einer Reihe weiterer nationaler und internationaler Umwelt- und Naturschutzverbände – u.a. Deutscher Naturschutzring e.V., Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., Naturschutzbund Deutschland e.V., World Wide Fund For Nature, Heinz Sielmann Stiftung, Rewilding Oder Delta e. V. und dem Verein der Freunde des Deutsch-Polnischen Europa-Nationalparks Unteres Odertal e.V. – will die Deutsche Umwelthilfe erreichen, dass die Oder ihren naturnahen Zustand bewahren kann. Denn aktuell drohen ihr unter dem Vorwand des Hochwasserschutzes massive Eingriffe mit dem eigentlichen Ziel der polnischen Regierung, nämlich der Erhöhung der Schiffbarkeit.

Die Oder ist in Gefahr

Das deutsch-polnische „Abkommen über die gemeinsame Verbesserung der Situation an den Wasserstraßen im deutsch-polnischen Grenzgebiet“ wird einschneidende Auswirkungen auf die Oder haben. Es sieht eine „Aktualisierung der Stromregelungskonzeption für die Grenzoder“ vor, die stabile Fahrwasserverhältnisse insbesondere für den Einsatz der deutsch-polnischen Eisbrecherflotte sicherstellen soll. Die mittlere Wassertiefe soll dann überall bei mindestens 1,80 m liegen.

Die polnische Regierung sieht dieses Abkommen als Legitimation von deutscher Seite, ihr aus Naturschutzsicht äußerst fragwürdiges „Odra-Vistula Flood Management Project“ neben der Weichsel auch an der Oder zur Anwendung zu bringen.

Zwar konnten wir gemeinsam mit der polnischen Koalition „Rettet die Flüsse“ (Koalicja Ratujmy Rzeki) verhindern, dass das seit 70 Jahren unberührte Naturparadies des Zwischenoderlandes wieder genutzt werden soll. Doch werden die weiteren Vorbereitungen für eine Vertiefung der Oder von polnischer Seite unvermindert weiterbetrieben.

Vorläufiger Stopp des Oder-Ausbaus muss umgesetzt werden

Das woiwodschaftliche Verwaltungsgericht in Warschau hat am 9.12.2022 die Genehmigung des Oder-Ausbaus vorläufig aufgehoben und damit einer Klage der Umweltorganisationen DNR, NABU und BUND Brandenburg stattgegeben, die stellvertretend für das „Aktionsbündnis lebendige Oder“ mehrerer deutscher Umwelt- und Naturschutzverbände inkl. der DUH geklagt hatten. Der jetzige Gerichtsbeschluss sieht vor, dass der Bescheid des polnischen Generaldirektors für Umweltschutz vom 16.8.2022 nicht vollstreckt werden darf. Gerade nach der Umweltkatastrophe an der Oder seien die grenzüberschreitenden Auswirkungen von Baumaßnahmen auf geschützte Arten und Lebensräume stärker zu berücksichtigen. Bereits am 14.12.2022 kündigte das polnische Ministerium für Infrastruktur dazu in den Medien an, gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berufung beim Obersten Verwaltungsgericht einreichen zu wollen; Entsprechendes gilt für die polnische Behörde für Wassermanagement.

Juristisch umstritten ist, ob bis zur Beendigung des Hauptsacheverfahrens die Bauarbeiten an den Stein- und Beton-Buhnen in der Oder fortgesetzt werden können oder die einstweilige Verfügung bedeutet, dass nicht weiter ausgebaut werden darf.

Zudem hat am 17.11.2022 - stellvertretend für das Aktionsbündnis - EuroNatur gemeinsam mit der NGO EKO-UNIA als Vertreterin des polnischen Flussschutzbündnisses sowie dem BUND eine Beschwerde bei der EU-Kommission gegen die weitere Zerstörung des wertvollen Flussökosystems eingereicht.

Unterdessen hat Polen die Weltbank um eine Verlängerung des Hochwasserschutzprojekts für die Oder und Weichsel um 18 Monate ersucht.

Oder-Ausbau kontraproduktiv für Hochwasserschutz

Aus Sicht der DUH müssen jegliche Vorhaben vermieden werden, die einem der wenigen naturnahen mitteleuropäischen Ströme seine Dynamik nehmen sowie die vielseitigen, artenreichen Lebensräume weiter einschränken und damit ökologisch abwerten – erst recht dann, wenn diese Initiativen keinen nachweisbaren Vorteil für den Hochwasserschutz bewirken. Nach den vorliegenden Gutachten und Erkenntnissen widersprechen die Ausbaupläne an der Oder nicht nur dem europäischen Naturschutzrecht, sondern sind sogar kontraproduktiv für den Hochwasserschutz. Stattdessen zeigen wir Konzepte auf, die den Hochwasserschutz stärken und zugleich die Regionalentwicklung, den Tourismus, den Naturschutz und die Schifffahrt miteinander harmonisieren, wie dies von polnischen und deutschen Akteuren im Oder-Mündungsgebiet bereits gemeinsam auf den Weg gebracht wird.

Hierfür haben wir 2018 zwei Gutachten beauftragt. Die Expert:innen haben die vorliegenden Hochwasserschutzkonzepte analysiert und beurteilt, zeigen die ökologischen Folgen der Eingriffe auf und bieten schließlich Empfehlungen und Alternativen an. Mit diesen Ergebnissen möchten wir die Diskussion um den zukünftigen Hochwasserschutz an der Oder weiterhin vorantreiben.

Kritik der Gutachten an den gegenwärtigen Oder-Hochwasserschutzkonzepten

  • Eine positive Wirkung im Sinne des Hochwasserschutzes ist durch die Stromregelungskonzeption und die Nutzung des Zwischenoderlandes nicht nur zweifelhaft. Die Ausbaupläne sind sogar kontraproduktiv für den Hochwasserschutz und widersprechen dem europäischen Naturschutzrecht.
  • Die geplanten Maßnahmen können das Ziel, eine mittlere Wassertiefe von 1,80 m für den Einsatz von Eisbrechern zu sichern, nicht erfüllen.
  • Ein – bei einem großen Flusssystem zwingend erforderlicher – ganzheitlicher Ansatz fehlt (z. B. bezüglich Maßnahmen zur Verbesserung des Rückhalts im Einzugsgebiet oder des Einsatzes alternativer Eisbrecher und Eisaufbruchmethoden).
  • Ein umfassendes multinationales Hochwasserrisikomanagement für die Oder ist unerlässlich.

Eine Zusammenfassung der Gutachten mit den Einschätzungen des Hochwasserschutzkonzepts, des Miedzyodrze-Ausbaus und der Stromregelungskonzeption sowie Empfehlungen und Alternativen können Sie hier herunterladen.

Kontakt

Copyright: © Lea Wormsbach

Leonie Pilgram
Fachreferentin Natürlicher Klimaschutz
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