Vorreiterkommunen machen es bereits vor, wie die Beschaffung nachhaltiger Palmöl-Produkte funktionieren kann

Regelmäßig erreichen uns schockierende Bilder vom brennenden Regenwald aus Brasilien oder Indonesien. Diese Feuer sind häufig mit Absicht gelegt, um neue Anbauflächen, beispielsweise für Ölpalmen, zu schaffen. Die Brandrodungen zerstören verbliebene Regenwälder und Torfflächen und treiben den Klimawandel voran. Bedrohte Arten wie der Orang-Utan verlieren immer mehr Lebensraum. Die gute Nachricht: es gibt eine Alternative.

Für Palmöl aus nachhaltigem Anbau darf kein neuer Wald gerodet werden und die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen müssen Mindeststandards erfüllen. Doch die Möglichkeit des öffentlichen Sektors, Palmöl aus nicht-nachhaltigem Anbau vom Einkauf auszuschließen, wurde bisher noch nicht aktiv genutzt. Die öffentliche Hand vergibt jährlich Aufträge in Höhe von rund 500 Mrd. Euro. Gemeinsam mit der Stadt Hannover und weiteren Städten, Gemeinden und Kreisen hat die Deutsche Umwelthilfe daran gearbeitet, dies nun grundlegend zu ändern.

Diese Städte, Gemeinden und Behörden haben sich bereits gemeinsam mit uns zu nachhaltigem Palmöl engagiert

Durch eine von der DUH angebotene kostenfreie Beratung im Rahmen des Projekts bekamen interessierte Städte und Gemeinden die Möglichkeit, sich über nachhaltiges Palmöl in der Beschaffung zu informieren. Des Weiteren wurden Workshops angeboten, bei denen sich die Akteur:innen austauschten und vernetzten. Die Deutsche Umwelthilfe unterstützte die Kommunen während des Projektverlaufs mit einer Medienkampagne. Zudem wurde allen Kommunen, die sich im Laufe des Projekts für eine Umstellung auf nachhaltige Palmöl-Produkte einsetzten, ein Projektlogo zur Verfügung gestellt, mit dem das Engagement der Kommune dargestellt werden kann.

Ziel: Nachhaltiges Palmöl in Maßen

Palmöl „versteckt“ sich in fast jedem zweiten Supermarkt-Produkt. In Lebensmitteln, wie Müsli, Brotaufstrich, Süßigkeiten, Eiscreme, Back- und Tiefkühlware ist es leicht zu erkennen –  aufgrund der Deklarationspflicht. In Hygieneartikeln, wie Seife, Duschgel, Zahnpasta, Hautcreme und Waschmittel, verbirgt es sich jedoch hinter diversen chemischen Namen. Nahezu „unsichtbar“ ist Palmöl teils auch Bestandteil von Kerzen, Futtermitteln, Medikamenten, Farben, Lacken, Gummi- und Kunststoffwaren sowie Schmierölen. Zudem sollte auf niedrigere Tierzahlen und heimische Futtermittel statt Palmöl gesetzt werden. In übrigen Anwendungsgebieten ist ein maßvoller Einsatz ausschließlich nachhaltigen Palmöls zwingend notwendig. Leider hinkt der deutsche Markt in Teilen stark hinterher – und das, obwohl der Schutz der Regenwälder und Artenvielfalt auch eine Rolle bei der Prävention neuer Krankheitserreger wie dem Corona-Virus spielt.

„Palmöl, aber richtig!“ – Öffentlicher Sektor ist gefragt

Ministerien, Gemeindeverwaltungen oder Schulen – sie alle sind jetzt gefragt Palmöl, das aus Rodungen stammt und keinen nachhaltigen Wandel des Ölpalmsektors begünstigt, konsequent vom Einkauf auszuschließen. Der öffentliche Sektor ist in der Summe der größte Einkäufer in Deutschland und kann damit entscheidende Impulse für eine nachhaltige Produktion setzen. Indem die öffentliche Beschaffung in Zukunft nur noch nachhaltig zertifizierte Palmöl-Produkte erlaubt, kann sie das Ziel des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) unterstützen, den deutschen Markt vollständig auf nachhaltiges Palmöl umzustellen. Dies ist umso notwendiger, weil die Bundesregierung die Umstellung auf entwaldungsfreies Palmöl für Hersteller und Händler palmölhaltiger Produkte bisher noch nicht verpflichtend gemacht hat und immer noch auf das Prinzip „Freiwilligkeit“ setzt.

Hannover geht als Vorreiterkommune für nachhaltiges Palmöl voran

Ab 2020 arbeitete die Deutsche Umwelthilfe mit Hannover zusammen an einer nachhaltigen Beschaffung von Produkten, die häufig Palmöl enthalten. Dazu mussten Kriterien zum nachhaltigen Ölpalmenanbau in Ausschreibungen und Einkäufen der öffentlichen Einrichtungen berücksichtigt werden. Vor allem im Bereich der Gebäudereinigung und Verpflegung kommen Produkte vor, die potenziell Bestandteile auf Basis von Palm- und Palmkernöl enthalten können. Die zentrale Vergabestelle der Landeshauptstadt Hannover plante zunächst nachhaltiges Palmöl in der Ausschreibung von Handseifen und Gebäudereinigern zu berücksichtigen.

Der „Marktdialog Nachhaltiges Palmöl“ im November 2019 stellte den Auftakt der Aktivitäten der DUH zu nachhaltigem Palmöl im öffentlichen Sektor dar. Interessierte Beschaffende aus Niedersachsen, Berlin und Brandenburg tauschten sich dabei mit Palmöl- und Produktherstellern, Zivilgesellschaft, Fachexpert:innen und privaten Einrichtungen wie den Zoos aus. In fortlaufenden Online-Workshops sensibilisierte und informierte die DUH zudem die Akteure aus der öffentlichen Beschaffung.

Angesichts der weltweiten Zunahme des Palmölverbrauchs wird deutlich, dass unser Palmölkonsum nicht weiter steigen darf. Palmöl sollte sparsam eingesetzt werden und aus nachhaltigem Anbau stammen, denn oft genug stellen Produkte mit Palmöl Luxusartikel dar (z.B. Kerzen, Kosmetik, Eiscreme, Süßigkeiten). Auch wenn Palmöl in den meisten Fällen durch Rapsöl und andere Öle ersetzt werden kann, ist ein vollständiger Ausstieg aus Palmöl nicht sinnvoll. Denn alternative Öle, wie Raps-, Sonnenblumen- und Kokosöl, verbrauchen für die gleiche Ölmenge 5-10 mal so viel Fläche. Kokospalmen werden z.B. wie Ölpalmen in tropischen Gebieten angebaut und würden dort noch mehr Fläche in Anspruch nehmen. Deshalb könnte ein weitreichender Ersatz von Palmöl durch Kokosöl Regenwälder noch stärker gefährden. Ein Ersatz durch Raps- und Sonnenblumenöl ist jedoch bei Lebensmitteln teilweise vertretbar, da diese Öle reicher an ungesättigten Fettsäuren sind.

Durch die Nachfrage nach nachhaltig zertifiziertem Palmöl ist es zudem möglich einen Anbau umzusetzen, der neue Regenwaldabholzungen und Brandrodungen verbietet. Dies wird zunehmend mithilfe von Satellitenbildern und Sanktionsmechanismen durch Siegel und Unternehmen überwacht und muss künftig von der Bundesregierung verpflichtend gemacht werden. Parallel müssen große Verbraucher wie China, Indien und Indonesien von der EU von einem Politikwandel überzeugt werden, damit diese die Rodungen in unzertifizierten Anbaugebieten nicht weiter vorantreiben.

Des Weiteren hängen heute Millionen von Kleinbauern und Plantagenarbeitern vom Ölpalmenanbau ab. Ergänzende alternative Einkommensmöglichkeiten stehen häufig noch nicht zur Verfügung. Nicht zuletzt kann über den Kauf nachhaltiger Palmöl-Produkte gegen ausbeuterische Handels- und Anbaupraktiken vorgegangen werden. Auch muss eine Abkehr von den bestehenden, großflächigen Monokulturen eingeleitet werden. Eine diversere Landwirtschaft, die Schutzgebiete respektiert und Platz für Waldkorridore für die Wanderung von Tieren lässt, ist dringend notwendig. Zertifizierungssysteme fordern und fördern – trotz ihrer individuellen Schwachstellen –  diesen Wandel häufig bereits ein und treiben innovative Lösungen entlang der Lieferkette voran.

Das auf den Ölpalmplantagen in Asien, Mittelamerika oder Afrika gewonnene Palmöl wird mit LKWs und Tankschiffen zu Raffinerien und Chemiekonzernen in der ganzen Welt transportiert. In der EU landet Palmöl zum Beispiel in Häfen wie Rotterdam und Hamburg an. Hier wird es zu hunderten Stoffen weiterverarbeitet, die häufig komplizierte chemische Namen tragen. Diese werden zur Herstellung diverser Produkte eingesetzt, die fast überall vorkommen: in Supermärkten, Drogeriemärkten, Baumärkten, Möbelhäusern, Apotheken und im Futtermittelmarkt. Personen, die für den Einkauf der öffentlichen Einrichtungen zuständig sind, kaufen dann einen Teil der palmölhaltigen Produkte im Einzel- oder Großhandel ein. Bei größeren Summen erfolgt dies mithilfe von öffentlichen Ausschreibungen, nach denen Hersteller, Händler oder Dienstleister (z.B. Catering und Reinigung) ihre Angebote und Leistungen richten. Insgesamt macht der Einkauf durch deutsche Gemeinden – die kommunale Beschaffung – den Großteil der Einkäufe der Öffentlichen Hand aus.

Beschaffungsstellen sind zum einen zuständige Einkaufsabteilungen in öffentlichen Einrichtungen, wie zentrale und dezentrale Vergabestellen. Zum anderen können dies auch Mitarbeiter*innen sein, die die Einkäufe im Auftrag ihrer Organisation zusätzlich zu ihren anderen Aufgaben übernehmen. Letztere haben häufig keine Zeit, sich zum nachhaltigen Einkauf zu informieren. In Deutschland gibt es laut Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern etwa 30.000 öffentliche Beschaffungsstellen, eine genaue Zahl gibt es bislang aber nicht. Andere Akteure sprechen z.B. von 35.000 Beschaffungsstellen. Der Umfang der Einkäufe beträgt umgerechnet etwa 11-20 Prozent des Bruttoinlandprodukts – ein enormes Volumen.

Des Weiteren gibt es sogenannte „Bedarfsträger“, also Einrichtungen, die ihre Einkäufe nicht selbst tätigen, sondern über andere Einrichtungen ausführen lassen und dazu dann einen Beschaffungsauftrag erteilen. Dazu gehören rund 11.000 Gemeinden, 30.000 Schulen, mehr als 1.000 Gerichte, 420 Hochschulen, 13 Bundesministerien, sowie Hunderte Bundesbehörden, Landesministerien- und Behörden. Außerdem werden ca. 18.000 Kindertagesstätten öffentlich getragen. Genaue Zahlen zu Beschaffungsstellen und Bedarfsträgern sind der Bundesregierung nicht bekannt, denn die Vergabe in Deutschland ist – wie oben beschrieben – stark fragmentiert. Dem Bund liegt demnach auch keine gebündelte Erfassung der Einkäufe generell und des Anteils nachhaltiger Konsumentscheidungen vor.

Viele positive Beispiele zum Einkauf von nachhaltigem Kaffee, Schokolade, Fußbällen, Büromöbeln, IT, Arbeitskleidung oder Naturstein wurden bereits von Vorreiterkommunen in ganz Deutschland umgesetzt. Neben der dezentralen Beschaffung durch einzelne Einrichtungen, wie beispielsweise Schulverwaltungen und Gemeindeverwaltungen, kommt es in Deutschland zudem vermehrt zur Zentralisierung des Einkaufs auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene. Dabei werden die Einkäufe für verschiedene Einrichtungen gebündelt. Dies passiert oft über sogenannte Rahmenverträge, die eine Belieferung über mehrere Jahre regeln. Bei solch umfangreichen Beschaffungen lässt sich ein nachhaltiger und kostenbewusster Einkauf am wirkungsvollsten umsetzen. Innovativ sind auch Einkaufskooperationen aus mehreren zusammengeschlossenen Gemeinden, wie die „Thüringer Beschaffungsallianz – Fair und Nachhaltig“.

Derzeit wird eine zentrale, elektronische Vergabestatistik vom Bund etabliert, die die Einkäufe im öffentlichen Sektor ab bestimmten Schwellenwerten dokumentieren soll. Eine Berücksichtigung von Daten zum nachhaltigen Einkauf wurde dabei 2019 vom Wirtschaftsministerium teilweise in Aussicht gestellt, sodass in einigen Jahren eventuell Daten zum nachhaltigen Konsumanteil verfügbar sein werden. Jedoch existieren bisher keine öffentlichen Informationen zum Umfang der zukünftig abgefragten Nachhaltigkeitsaspekte. Problematisch für ein systematisches Monitoring des nachhaltigen Konsums im öffentlichen Sektor dürfte vor allem werden, dass Beschaffungen unterhalb der Schwellenwerte in Zukunft nicht durch die zentrale Vergabestatistik berücksichtigt werden könnten. Eine vollständige und systematische Überwachung des Konsumverhaltens des öffentlichen Sektors wird somit voraussichtlich weiter erschwert.

Entsprechend gibt es aktuell immer noch keine Auswertung darüber, wie hoch sich der Anteil nachhaltiger Produkte im öffentlichen Sektor bisher darstellt – sei es bei palmölhaltigen Produkten, Kaffee, Druckerpapier, Computern, oder diversen anderen Produkten. Bislang fehlen also Daten zum nachhaltigen öffentlichen Einkauf, wie auch zur Umstellung auf nachhaltige Palmöl-Produkte. Um die Fortschritte des öffentlichen Sektors beim nachhaltigen Konsum in Zukunft messbar zu machen, fordert die DUH eine vollständige Erfassung der Beschaffungsstellen und eine vollständige Auswertung der Einkäufe hinsichtlich nachhaltiger Kaufentscheidungen.

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