Nord Stream 2
Herr Zerger, was ist das Problem an Nord Stream 2?
Nord Stream 2 ist eine Erdgas-Pipeline, die von Russland durch die Ostsee nach Deutschland führt. Mit 55 Milliarden Kubikmeter an fossilem Erdgas, das hierüber pro Jahr nach Deutschland kommen würde, ist die Pipeline das größte fossile Infrastrukturprojekt in ganz Europa. Dadurch wäre unsere Abhängigkeit von fossilem Erdgas auf Jahrzehnte zementiert. Nord Stream 2 wird dabei vor allem über einen angeblichen zusätzlichen Erdgasbedarf gerechtfertigt, der in Zukunft in Deutschland entstehen soll. Die meisten Studien und Prognosen zeigen jedoch, dass der Erdgasbedarf hierzulande unter Einhaltung der Klimaschutzziele sinken wird. Die Pipeline ist also absolut unnötig, denn es geht nicht darum, wegfallende Kapazitäten zu ersetzen.
Was bedeutet der Bau einer solchen Mega-Pipeline für die Umwelt und das Klima?
Aus klimapolitischer Sicht ist der Bau dieser Pipeline überhaupt nicht zu rechtfertigen. Nord Stream 2 steht für 100 Millionen Tonnen CO2 im Jahr und ist damit der größte Klimakiller, der im Augenblick in Europa von der Politik vorangetrieben wird. Ganz abgesehen davon, dass der Bau eine schwere Umweltzerstörung im sensiblen Naturraum der Ostsee bedeutet. Wir fordern deshalb die Bundesregierung dazu auf, eine grundsätzliche politische Neubewertung dieses mit den deutschen Klimazielen unvereinbaren Projektes vorzunehmen und die Betreiber anzuweisen, den Weiterbau der Pipeline zu stoppen. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Höhe der bei der Förderung und dem Transport des Erdgases austretenden klimaschädlichen Methan-Emissionen und die immensen Naturschutzauswirkungen des Bauvorhabens sind zwingende Gründe.
Mit der Gründung einer Umweltstiftung versucht Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig den Bau voranzutreiben. Wie bewerten Sie diese Stiftung?
Mit dem Eingreifen der Landesregierung offenbart sich, dass es sich bei Nord Stream 2 nicht, wie so oft behauptet, um ein rein privatwirtschaftliches Projekt handelt. Tatsächlich wird der Pipeline-Bau erst möglich durch die massive Unterstützung der Politik. Die geplante Stiftung ist dabei nicht nur eine Tarnorganisation für ein klimazerstörerisches fossiles Projekt, sondern auch noch handwerklich schlecht gemacht. Aus den bisher bekannt gewordenen Unterlagen geht hervor, dass der Hauptzweck der Stiftung gar nicht Klimaschutz ist, sondern mit dem Weiterbau von Nord Stream 2 ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb. Dafür spricht auch, dass die Stiftung langfristig mit 60 Millionen Euro von der Nord Stream 2 AG und nur mit 200.000 Euro vom Land finanziert wird. Auch der Geschäftsführer der Stiftung wird auf Vorschlag der Nord Stream 2 AG bestimmt. Wir fordern das für die Stiftungsaufsicht zuständige Justizministerium in Mecklenburg-Vorpommern deshalb auf, die Anerkennung der geplanten Stiftung zu überprüfen.
Wie geht die Deutsche Umwelthilfe gegen Nord Stream 2 vor?
Die Deutsche Umwelthilfe hat gegen den Weiterbau von Nord Stream 2 Widerspruch eingelegt. Bereits im Sommer 2020 haben wir eine Klage eingereicht, um die bestehende Bau- und Betriebsgenehmigung auf ihre Vereinbarkeit mit Klimazielen zu überprüfen. Diese Klage haben wir Ende Januar mit weiteren Unterlagen untermauert. Bislang verweigern das beklagte Bergamt Stralsund und die Nord Stream 2 AG eine unabhängige Überprüfung der Methan-Emissionen, die bei Förderung und Verarbeitung des Erdgases entstehen.
Gleichzeitig möchten wir auch gerichtlich gegen die Fake-Stiftung von Manuela Schwesig vorgehen, weil wir hier einen Missbrauch des Stiftungsrechts sehen. Die juristische Überprüfung der Hintergründe wird der Deutschen Umwelthilfe jedoch unmöglich gemacht, denn das zuständige Landesjustizministerium verweigert konsequent die Herausgabe des Anerkennungsbescheides der Stiftung. Das intransparente Vorgehen nährt dabei die Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Schwesigs Stiftung. Zu allen geplanten LNG-Terminals an der Nordseeküste haben wir Rechtsgutachten veröffentlicht. Die Gutachten bestätigen, dass die Terminals an den Standorten Wilhelmshaven, Stade und Brusnbüttel aus Gründen des Klima- und Naturschutzes nicht genehmigungsfähig sind.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat angekündigt, mit dem neuen US-Präsidenten Biden über die Fertigstellung der klimaschädlichen Mega-Pipeline Nord Stream 2 sprechen zu wollen. Was halten Sie davon?
Auch das zeigt, dass es sich hierbei nie – wie behauptet – um ein rein privatwirtschaftliches Projekt, sondern um ein eminent politisches Vorhaben in Kooperation mit den russischen Machthabern gehandelt hat. Wir begrüßen das Votum des Europaparlamentes (am 21. Januar 2021) für einen sofortigen Baustopp der Pipeline. Hiermit steht fest, dass der Weiterbau von Nord Stream 2 eindeutig gegen europäische Interessen verstößt und eingestellt werden muss. Schon jetzt ist der Schaden, den Deutschland durch seinen Alleingang am innereuropäischen Zusammenhalt angerichtet hat, enorm.