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Ganz persönlich

© Marcus Golter

Mit Windenergie im Bilde: Martin Mehlitz über seine Kunst

Der Mensch steht nicht über Natur und Umwelt, sondern ist Teil von ihr.

Der Mensch ist somit auch selbst ein schützenswertes Gut, ganz so wie z. B. die biologische Vielfalt, Landschaften und das Klima. Der Mensch aber – Subjekt und Objekt bzw. Akteur und Schutzgut zugleich – kann seine Lebensführung reflektieren, weshalb ihm auf diesem Planeten eine besondere Verantwortung zukommt.

In den zurückliegenden Jahrzehnten wird zusehends deutlich, dass unsere Lebensgrundlage – eine intakte Umwelt mit all ihren Ökosystemleistungen – auf der Kippe steht.
Wenn ich mich in jungen Jahren nach meinem Sinn im Leben gefragt habe, spielte dieses Thema dabei keine große Rolle. Ich suchte Antworten in der Kunst und in der Liebe. Das tue ich auch heute noch, aber ich gebe seit einiger Zeit „den neuen Vertikalen“ in unseren Landschaften einen ästhetischen Wert und beziehe sie in meine Malerei mit ein.

Der Mensch entwickelt sich weiter. Wir prägen dabei unsere Umwelt und das Landschaftsbild und nehmen Einfluss auf das, was Heimat auch charakterisiert. Dabei kommt es mitunter dazu, dass sich die Merkmale von allgemein als schön empfundenen Landschaften verändern.

Wir verändern unser Landschaftsbild mit den Windenergieanlagen, um mit erneuerbaren Energiequellen dem Klimawandel in seiner Beschleunigung zu begegnen. Ich meine, dass wir uns damit verantwortungsbewusst verhalten.

Indem ich die Windenergieanlagen in meinen Bildern nicht ausspare – denn sie sind ja da – meine ich das Zepter des Handelns in den Händen zu halten. Sie können zwar grundsätzlich als Gegenstand technischer Überprägungen empfunden werden, dennoch fühle ich mich durch dieses Bildmotiv mit dem Leben, ja auch Umwelt und Natur, auf eine neue Weise zugewandt und verbunden. Ich befriedige dabei ebenso mein Bedürfnis nach Wohlbefinden in der Natur, wie auch das Bedürfnis, unsere Zukunft bewusst ein wenig mitzugestalten und „die neuen Vertikalen“ in ihrer Wahrnehmung umzudeuten.

Natur und Kunst.

Kunst und Natur. 

Das sind große Begrifflichkeiten. Und das soll ich Ihnen jetzt heute Abend erklären.

Es fällt mir schon schwer, angesichts der Zeitläufte über scheinbar Banales wie Natur und Kunst zu reden.

Angesichts all der gravierenden Verwerfungen unserer Welt, von denen wir in den letzten Jahren gnadenlos heimgesucht werden.

Und gerade jetzt kommt noch das schreckliche Erdbeben dazu.

Dennoch:
Ich soll und ich will über die Kunst von Martin Mehlitz reden. Und gerade erst recht.

Bilder sind es, über die ich reden werde, Ölbilder, von Hand gemalt, mit dem Pinsel auf Leinwand.

Bilder, die Sie hier in diesen Räumen sehen können und auch anderen Werken des Künstlers, die heute Abend nicht zu sehen sind, will ich mich widmen.

Auch ich, ihr Redner, arbeite mich als Bildhauer an diesen Themenkomplex Kunst-Natur-Kunst seit Jahrzehnten kontinuierlich ab.

Schon sehr lange weiß ich, genau wie Martin Mehlitz, wie mühsam das mitunter sein kann.

Natur und Kunst, was ist das? Was ist das heute?
Claude Monet mit seiner Staffelei im
19. Jahrhundert vor einem französischen
Mohnblumenfeld?

Geniale Bilder hat Monet damals gemalt. Das ist große Malerei. Das ist museale Kunst und das ist heute unschätzbar teuer.

Kunst und Natur, man könnte sagen, das Thema ist mit Monet und seinen Zeitgenossen beendet. Ist da schon alles gesagt?

Martin Mehlitz hat ein Bild mit Windrädern gemalt. Ein merkwürdiges Bild. Sie sehen es hier.

Eine Kulturlandschaft, irgendwo in Norddeutschland, oder irgendwo anders in Europa?

Fischteiche sind zu sehen, Felder, parzellierte Landschaft. Von oben, aus der Perspektive der Windräder.

Diese Windräder passen sich merkwürdig gut ein in diese gemalte Landschaft. Und sie werden ein Teil von ihr.

Aber ist das wirklich eine real existierende Landschaft, oder ist das nicht aus jetziger Sicht viel mehr eine Utopie?

Die Windmühlen wachsen aus einer Art Nebel hervor, der aber eigentlich eher so aussieht als wäre er unser gewohnter Himmel. Wolken - blau, grün, mit Lücken darin. Ein Flügel wird in horizontaler Ausrichtung fast unsichtbar.

Was hier aber hinter den Windrädern als Himmel auf dem Bild erscheint, ist sehr futuristisch. Fantastische, drastische Farbigkeit...

Obwohl, nach eigener Aussage der Künstler den Vergleich mit surrealistischen Kollegen in der Kunstgeschichte nicht mag, ist dennoch der Vergleich vielleicht angebracht.

Keine blöden Schubladen bitte.

Die Stärken von Martin Mehlitz Malerei sind tatsächlich Symbole. Er malt nicht nur Windräder, es gibt auch ein Bild, auf dem eine Schranke einen Weg versperrt. Faktor 4, der Titel – Störfaktor?

Es gibt das Bild „Leitplanke“. Sitzt hier jemand auf einem Beifahrersitz während einer Autobahnfahrt? Und schaut aus dem Fenster? Ich hoffe, er sitzt nur auf den Beifahrersitz. 

Der Maler lässt einen Betrachter aus dem Fenster schauen und bald, wir kennen das alle, verschwimmt die Landschaft zu horizontalen Streifen.

Martin Mehlitz malt das, weil ihn das Phänomen interessiert. Und das ist seine große Stärke.

Er geht durch die Welt und sieht Dinge und verdichtet diese zu Symbolen in gemalten Bildern. Das ist anders, wie beispielsweise ein Claude Monet im 19. Jahrhundert vorgegangen war. Der war als Bahnreisender unterwegs mit einer großen Malkiste. Landschaften in der Landschaft sitzend malend.

Monet, ein großer Name. Gleich kommt noch einer: Wolfgang Mattheuer, jaja.

Martin Mehlitz und ich, wir leben beide in Potsdam, wo seit ein paar Jahren diese beiden großen Künstlernamen eine entscheidende Rolle spielen.

Es war wirklich ein großes Glück für die kleine Stadt, dass ein Sponsor kam und die Museumslandschaft so einschneidend verändert hat. An Monet und Mattheuer kommt keiner in der Stadt vorbei, und schon gar nicht einer, der selber Bilder malt oder sich ansonsten im Bereich der Bildenden Kunst tummelt.

Ich ahne, dass für Martin Mehlitz' Werdegang als Maler Wolfgang Mattheuer wenig Relevanz hatte. Ich will nicht sagen, er kannte diesen großen Namen nicht, aber ich bin mir sicher, er hat ihn wenig beachtet.

Dabei hängen die Bilder des einen durchaus zusammen mit den Bildern des anderen.

Ich selber bewundere Mattheuer schon seit vielen Jahrzehnten, und habe mich nun gefragt, ob Wolfgang Mattheuer wohl auch Windräder gemalt hätte?

Mattheuer beobachtete seine Umgebung und die Landschaften, die er mit dem Auto oder zu Fuß durchwanderte, sehr genau. Dabei dokumentierte er fast akribisch den Wandel dieser Landschaften hinsichtlich der Industrialisierung im 20. Jahrhundert.

Wäre Mattheuer heute auf der Autobahn durch Sachsen-Anhalt unterwegs gewesen, wäre er garantiert fasziniert gewesen von dem neuen Landschaftsbild der Propeller, das einem mitunter sehr surreal vorkommt, und das in der dortigen Häufung auch durchaus beängstigend wirken kann.

Martin Mehlitz jedenfalls hat diese Windräder gemalt. Und vor allem dieses eine Bild, vor dem ich heute stehe, hat so viel mit dem Magischen Realismus Mattheuers zu tun, dass man wohl eine Seelenverwandtschaft erkennen kann.

Am besten, ich zitiere Martin an dieser Stelle

wortwörtlich: „Sie (die Windräder) können zwar

grundsätzlich als Gegenstand technischer

Überprägungen empfunden werden, dennoch fühle ich

mich durch dieses Bildmotiv mit dem Leben, ja auch

Umwelt und Natur, auf eine neue Weise zugewandt und

verbunden.“ Zitat Ende

Genau darum geht es, wenn sich ein Maler heute auf Landschaft einlässt.

Es geht darum, dem Gesehenen, dem mit den Augen sinnlich Erlebten, eine inhaltliche Bedeutung zu geben. Zu interpretieren, und auch politisch Stellung zu beziehen – ja, und wenn auch nur mit einem Landschaftsgemälde, das dann an irgendeiner Wand hängt.

Als Künstler muss man schon sehr speziell gestrickt sein. Eine gewisse Besessenheit oder ein innerer Drang sind unabdingbar.

Und Martin Mehlitz malt, weil es ihn dazu drängt.

Seine Kindheit hat er größtenteils in Afrika verbracht, sein Vater war Großwild-Veterinär und so zog die Familie laut Martin Mehlitz Erzählungen jahrelang einer "kleinen Mücke" hinterher, vor der es die großen Tiere zu schützen galt.

Zum Gymnasium kam er nach Hamburg zur Großmutter.

Später ging er zum Soziologie-Studium nach Berlin. Nach Hause, gewissermaßen, denn die Familie Mehlitz ist seit vielen Generationen in Berlin verwurzelt. Der Ur-Ur-Großvater hatte ein landwirtschaftliches Gut. Irgendwo gibt es sogar eine Mehlitz-Straße. Martin Mehlitz hat diese Geschichte sehr schön aufgeschrieben. Vielleicht haben Sie es auf Social Media verfolgt.

In Potsdam betreibt er eine Malschule, wo er Heranwachsenden und Erwachsenen das Malen näherbringt. Dabei ist er aber sicherlich nicht nur Mal-Lehrer.

Einen großen Teil seiner Zeit widmet er Franz, einem jungen Mann, den er schon seit dessen Kindheit als Betreuer begleitet.

Man kann nicht über Martin Mehlitz' Kunst reden, ohne seine Zeichnungen zu erwähnen. Er ist ständig mit seinem Skizzenblock unterwegs, pausenlos skizziert er mit sicherem Strich Menschen. In der S-Bahn, am Strandbad und wo auch immer. Die Meisterschaft im Zeichnen, die er sich über Jahre erarbeitet hat, ist im Buch „Schnellskizzen – Anleitung und Inspiration zum schnellen Zeichnen“ dokumentiert. Schauen Sie da mal rein, auch Martins Texte im Buch sind sehr erhellend.

Auch das Porträt ist ein künstlerisches Thema. Gemeinsam haben wir im vergangenen Jahr unser langjähriges Projekt "Potsdamer Köpfe" der Öffentlichkeit präsentiert. 20 Potsdamer und Potsdamerinnen aus allen Schichten, Berufen und Altersstufen haben wir während der Corona-Zeit ins Atelier eingeladen und porträtiert. Martin mit Öl auf Leinwand, ich als Bildhauer mit lebensgroßen Büsten.

So: Kunst und Natur, Natur und Kunst. Wissen Sie jetzt mehr darüber? Martin Mehlitz´ Arbeit zeigt es uns. Nicht nur Landschaft, nicht nur schöne Landschaft, auch Menschenbilder, skizzenhafte Eindrücke, all das macht dieses weite Feld aus.

Zum Schluss, der dann sogleich auch kommt, möchte ich noch aus meiner Jugend erzählen:

Ich komme aus einer kleinen Stadt in Baden-Württemberg. Während meiner Kindheit und Jugend  in den 1980er Jahren gab es dort ein Kohlekraftwerk, ein Atomkraftwerk - und Pershing-2-Atomraketen.

Von einer Anhöhe aus konnte man das sehen:

Im Norden die qualmenden Schornsteine des Kohlekraftwerkes, im Osten den Wald auf dem Hügel. Dort waren - unsichtbar – die Atomraketen. Und im Süden, mächtig, die Kühlwasserwolke des Atomkraftwerks.

Der Balkon eines Schulkameraden war in dieser Zeit schwarz vom Staub des Kohlekraftwerks. Fast immer zu sehen war die gewaltige Dampfwolke des Atomkraftwerks. Die gefühlte Bedrohung war riesig.

Es soll sogar einen Atomunfall auf der amerikanischen Raketenbasis Waldheide gegeben haben, der bis heute nicht ausreichend aufgeklärt ist.

Im so genannten "Heißen Herbst 1984" gab es Demonstrationen, meine Frau und ich nahmen daran teil.

Dann kam Tschernobyl. Es regnete, als die Nachricht gemeldet wurde und ich fuhr auf besagter Anhöhe auf dem Fahrrad zum Zivildienst.

Gehe ich heute bei einem Besuch in der Heimat auf der Anhöhe spazieren, dann qualmt es nicht mehr aus den Schornsteinen des Kohlekraftwerks, der Wald sieht friedlich aus, wie immer. Die Raketen sind weg – gottseidank.

Aber die Kühlwasserwolke des AKW Neckarwestheim dampft munter weiter vor sich hin, als wäre nix gewesen.

Und was man heute von der Anhöhe über dem Neckartal mit diesem fantastisch weiten Rundblick nicht sehen kann:

Sie ahnen es vielleicht, das sind Windräder.

Sie, die Deutsche Umwelthilfe, könnten doch vielleicht ein Bild von Martin Mehlitz ankaufen. Es könnte dann in Stuttgart in einer Amtsstube hängen und jeden Tag betrachtet werden. Vielleicht beschleunigt sich dadurch da mal was.

Der alte weiße Ritter, auf seinem klapprigen Pferd, der einst gegen Windmühlen ausritt, der wird heute hoffentlich für Windräder kämpfen.

Also schenken Sie doch bitte bei passender Gelegenheit dem Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg ein Bild von Martin Mehlitz.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Marcus Golter, im Februar 2023

 

 

 

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