Hochwasserschutz und Klimaanpassung gehen nur mit der Natur – und die braucht mehr Raum
-- Am 26. September ist Bundestagswahl. In unserer Artikel-Serie erklären und kommentieren unsere Expertinnen und Experten bis zur Wahl wichtige Themen, die die nächste Bundesregierung dringend angehen muss. --
Nach drei Trockenjahren mit großen Schäden in den Wäldern, ausgedörrten Böden und austrocknenden Seen und Flüssen erreichten die Folgen des Klimawandels im Juli einen neuen Höhepunkt in Deutschland. Der Starkregen kostete allein in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz knapp 190 Menschen das Leben. Extremereignisse wie dieses, das zeigen Studien, werden uns künftig häufiger und heftiger treffen. Die neue Bundesregierung muss deshalb endlich wirksam drei Krisen begegnen: der Klimakrise, der Wasserkrise und der Biodiversitätskrise.
Versäumnisse mit fatalen Folgen
Keine der Krisen ist bisher auch nur ansatzweise gelöst, und alle drei bedingen und verschärfen sich gegenseitig. Dabei werden der Schutz und die Wiederherstellung der Ökosysteme mit der Klimakrise immer wichtiger. So wirken sich Wetterextreme negativ auf die Gewässer aus, wenn zum Beispiel durch Starkregen mehr Schadstoffe in die Flüsse gespült werden. Arten geraten unter Klimastress, sie müssen sich anpassen oder abwandern. Wenn sie bereits stark dezimiert und geschwächt sind, kann das zum Aussterben führen, zumal ihre Wanderrouten für die „Klimaflucht“ oft von tödlichen Verkehrsachsen oder unüberwindbaren Barrieren durchschnitten werden.
Mehr Raum für lebendige Flüsse, Moore und Wiesen
Die Renaturierung von Flussauen, Mooren, artenreichen Wiesen und Mischwäldern ist nicht nur wichtig für die Artenvielfalt. Intakte Ökosysteme leisten einen wichtigen Beitrag zum Schutz vor Hochwasser und zum Schutz des Klimas, weil dadurch viel mehr Kohlenstoff gespeichert wird. Dennoch hören wir bisher vor allem Versprechen, dass die durch Hochwasser zerstörten Gebiete wiederaufgebaut werden sollen. Aber einfach wiederaufbauen funktioniert nicht. Die Bundesregierung muss stattdessen die Nationale Wasserstrategie umsetzen, das Blaue Band zur Renaturierung der Bundeswasserstraßen ausweiten, die naturnahen Flüsse Oder und Elbe vor Ausbauplänen schützen und ein Sofortprogramm für ökologischen Hochwasserschutz aufsetzen.
Zudem muss die neue Bundesregierung dafür sorgen, dass die Bekämpfung der Klima-, Wasser- und Biodiversitätskrise nicht mehr allein vom Umweltressort ausgeht, während das Agrarressort in einer Blockadehaltung verharrt. In der kommenden Legislaturperiode muss die Landwirtschaft Verantwortung übernehmen. Um ressortübergreifend und gemeinsam mit den Ländern voranzukommen, ist die Umwandlung der Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“ in eine Gemeinschaftsaufgabe „Anpassung an die Klimakrise und nachhaltige Landnutzung“ und die Schaffung einer Gemeinschaftsaufgabe „Naturschutz und Biotopverbund“ notwendig. Die künftige Bundesregierung darf nicht weiter auf Vertragsverletzungsverfahren und flächendeckende Zielverfehlungen zusteuern und dabei vernachlässigen, dass wir Menschen die intakten Ökosysteme genauso zum Überleben brauchen wie der Fischotter oder die Große Moosjungfer.
Sabrina Schulz
Stellvertretende Bereichsleiterin Naturschutz und Biologische Vielfalt
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