Energiewende: ohne Windkraft geht es nicht
Will Deutschland seine Klimaziele erreichen, kommt der Offshore-Windenergie eine Schlüsselrolle zu. Zurzeit beträgt die installierte Leistung in Nord- und Ostsee rund 6,6 Gigawatt. Bis 2050 rechnet die DUH mit einem Bedarf von etwa 50 Gigawatt, also mehr als dem Siebenfachen. Der Ausbaubedarf ist also enorm.
Früh und langfristig planen
Die DUH verfolgt den Anspruch, mit den von ihr aufgezeigten Lösungsansätzen Klima- und Artenschutz gleichermaßen zu bedienen. Letztendlich ist ein integrierter Ansatz für alle Nutzungen gefragt: Wir brauchen weniger Fischerei, weniger Schiffsverkehr und weniger Rohstoffabbau in der Nordsee. All dies würde Arten und Habitate entlasten sowie Freiräume für den Ausbau der Offshore-Windenergie schaffen. Das Prinzip ist einfach: Wenn die Nutzung der Flächen für die Energiewende Priorität haben soll, die Flächen aber nicht überlastet werden dürfen, müssen notwendigerweise andere Nutzungen zurückgefahren werden. Die Bundesregierung muss neue Impulse vor allem in der Zusammenarbeit der Nordsee-Anrainer setzen und die anstehende EU-Ratspräsidentschaft dazu nutzen, eine gemeinsame Nordsee-Offshore-Strategie zu erarbeiten. Eine länderübergreifende Abstimmung kann helfen, geeignete Flächen auszuwählen und Anbindungsleitungen einzusparen.
Für den Ausbau der Offshore-Windenergie müssen Flächen und Leitungen früh geplant werden. Dies gilt auch für das Stromnetz an Land, das den Strom aufnehmen soll. Hier ist der Bund in der Verantwortung: Er muss schon heute naturschutzfachlich und technisch geeignete Flächen für das Zieljahr 2050 identifizieren und ausweisen. Für diese Aufgaben brauchen das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie sowie das Bundesamt für Naturschutz jedoch ausreichend Personal und Sachmittel. Für den Schutz der Meeresnatur müssen von der Flächenplanung bis zum Betrieb
der Anlagen naturschutzfachliche Vorgaben festgesetzt werden. In Schutzgebieten sollten weder Ausbau noch Repowering von Windenergieanlagen stattfinden. Dies gilt auch in einem – je nach Artenspektrum – hinreichend breiten Puffer um diese Gebiete, wie zum Beispiel die Doggerbank.
Mit Rücksicht auf die Meeresfauna
Beim Bau von Offshore-Windparks entsteht viel Lärm. Um lärmempfindliche Arten wie Schweinswale besser zu schützen, müssen technische Schallschutzkonzepte und alternative Gründungsverfahren weiterentwickelt und verbindlich eingesetzt werden. Je nach Standort der Anlagen besteht ein hohes Kollisionsrisiko für Zugvögel. Zudem meiden einige Arten Windenergieanlagen weiträumig, Pracht- und Sterntaucher beispielsweise in einem Umkreis von bis zu 16 Kilometern. Auch dies muss bei der Flächenauswahl berücksichtigt werden. Erfreulicherweise haben sich die Bestände verschiedener Fischarten erholt, seit in Offshore-Windparks nicht mehr gefischt werden darf. Die DUH fordert deshalb einen langfristigen Bestand dieser Regelung.
Wo der Wind übers Land weht
In der öffentlichen Diskussion wird häufig der Artenschutz als Problem des Windkraftausbaus an Land genannt. Doch es gibt gewichtigere Hemmschuhe: Hierzu gehören insbesondere die unzureichende Regionalplanung und fehlendes Personal in den Vollzugsbehörden, kaum nachvollziehbare Restriktionen zur Flugsicherung oder ein EEG-Ausschreibungsdesign, das eine bessere Beteiligung von Kommunen und Anwohnern behindert. Zudem ist zu befürchten, dass pauschale Mindestabstandsregelungen zur Wohnbebauung dazu führen, dass Windenergieanlagen vermehrt in bisher unzerschnittenen Räumen projektiert werden und dort Natur und Arten beeinträchtigen.
Dennoch gibt es auch aus Sicht des Naturschutzes Ansatzpunkte, um den Ausbau der Windenergie zu beschleunigen. Bund und Länder müssen hierbei eng zusammenarbeiten; Flächen für neue Anlagen müssen rechtssicher ausgewiesen und in entsprechende Planungen von der Länder- bis hin zur kommunalen Ebene aufgenommen werden. Die Auswahl muss nach bundeseinheitlichen, wissenschaftlich begründeten Kriterien und Methoden erfolgen. Die DUH schlägt vor, das Genehmigungsverfahren für Repowering – das Nachrüsten bestehender Anlagen – zu vereinfachen.
Für den Ausbau der Erneuerbaren Energien sollten vorbelastete Flächen wie Tagebaue oder intensiv genutzte Agrarflächen bevorzugt genutzt werden. Der Schutz von Populationen windenergiesensibler Vogel- und Fledermausarten ist dabei zu gewährleisten. Das bundesweite Monitoring insbesondere der Greifvögel muss weitergeführt werden. Es kann der Raumplanung wertvolle Informationen zur Verfügung stellen.
Die Herausforderung annehmen
Der Ausbau von Windkraft ist ebenso geboten wie der Schutz der biologischen Vielfalt. Die Zahlen sind dramatisch: Der Welt-Biodiversitätsrat IPBES schätzt, dass bis zu eine Million Arten vom Aussterben bedroht sind. Auch die Klimakrise ist spürbar: Die globale Durchschnittstemperatur ist bereits um 1,1 Grad gestiegen. Gesellschaftlich stehen wir damit vor einer doppelten Herausforderung: Klima- und Artenschutz müssen gleichermaßen gelingen.