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"Als wären unsere Gesundheit und der Schutz der Umwelt nichts wert"

Donnerstag, 26.04.2018

Andrea Wallrafen, Geschäftsführerin des Deutschen Allergie- und Asthmabundes und Dorothee Saar, Leiterin Verkehr & Luftreinhaltung bei der DUH, erklären, wie gefährlich Luftschadstoffe wie Feinstaub und Stickoxide für Mensch und Umwelt sind.

© DAAB; Heidi Scherm/DUH
Andrea Wallrafen (l.) und Dorothee Saar

Frau Wallrafen, werden den Gesundheitsgefahren, die von Pkw-Abgasen ausgehen, genug Aufmerksamkeit geschenkt? 

Wir erhalten zunehmend Rückmeldungen besorgter Bürger, die beim Abgasskandal die Belastung der Atemwege als Thema vermissen. Wir haben uns schon zu Anfang des Abgasskandals gewundert, dass die Diskussion zu den geschönten Abgaswerten immer nur die Entschädigung der Autokäufer zum Thema hatte. Langsam scheint sich nun aber der Fokus auch auf die dadurch stärkere Luftbelastung durch Autoabgase und damit auf die gesundheitliche Beeinträchtigung der Menschen, besonders auch in Ballungsgebieten, auszuweiten. 

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Luftverschmutzung und der Schwere von Symptomen?

Natürlich kann die Luftverschmutzung Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Studien zufolge können dadurch Atemwegserkrankungen gefördert werden. Alle Menschen sind hiervon betroffen. Patienten mit Atemwegserkrankungen – wie Asthma oder einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung – können aber besonders in Mitleidenschaft gezogen werden. Die erhöhte Schadstoffbelastung kann bei Asthmatikern als Triggerfaktor für eine Verschlechterung ihres Asthmas wirken. Zudem gibt es Belege dafür, dass Luftschadstoffe die Allergene in Pollen „aggressiver“ machen.

Welche Symptome beobachten Sie?

Die Symptome sind individuell sehr verschieden. Asthma wird sehr häufig durch Allergien ausgelöst. Meisten liegen dann bei den Patienten mehrere Allergieauslöser – wie Pollen, Hausstaubmilben oder Tiere – gleichzeitig vor. Kommen nun noch Einflüsse durch erhöhte Luftschadstoffe hinzu, kann dies die allergische Reaktion und die Atemnot individuell verstärken. Stickoxide oder weitere Schadstoffe wie Feinstäube oder Ozon haben auf jeden Fall einen negativen Einfluss auf die Atemwege und können allergische und asthmatische Beschwerden deutlich verstärken. 

Wer ist besonders betroffen von den Effekten hoher Luftverschmutzung?

Hier sind Menschen mit bereits bestehenden Atemwegserkrankungen, aber auch Senioren und Kinder zu nennen, die zudem in Städten oder Ballungsgebieten leben.

Was bedeutet das für einen Asthmatiker, der etwa in Berlin oder Stuttgart wohnt oder arbeitet?

Das kann man nicht pauschal beantworten. Es kommt auf die individuellen Lebensumstände an – wie das Wohnumfeld, die Nähe zu einer stark befahrenen Straße. Aber auch auf die Art der Erkrankung. Luftschadstoffe können umso mehr zur weiteren Beeinträchtigung des Patienten beitragen, je weniger gut die Atemwegserkrankung behandelt wird, je stärker die Beschwerden sind und je mehr Kontakt mit Luftschadstoffen besteht. Besonders in Ballungsräumen steigt das Risiko einer Beeinträchtigung der Atemwege durch erhöhte Luftschadstoffwerte.

© DUH / Heidi Scherm

Frau Saar, Welche Stoffe sind es, die erwiesenermaßen krankmachen und woher stammen diese?

Im Fokus stehen Stickoxide und Feinstaub als gesundheitsschädigende Schadstoffe. Aus diesem Grund gibt es Grenzwerte für die maximale Konzentration dieser Stoffe in unserer Atemluft. Stickoxide stammen vor allem aus Verbrennungsmotoren und Heizungsanlagen. In Ballungszentren ist eindeutig der Straßenverkehr die Hauptquelle: Rund 70-80 Prozent der Stickoxide werden von Diesel-Pkw ausgestoßen. Neben den unmittelbaren gesundheitlichen Effekten tragen sie zur Bildung von Ozon und Feinstaub bei und sind damit auch schädlich für unser Klima.

Mit der Holzfeuerung sprechen Sie eine zweite Quelle an, die unsere Luft verschmutzt…

Ja, genau. Mittlerweile produzieren Kleinfeuerungsanlagen mehr Feinstaub und Ruß als die Verbrennungsmotoren im Straßenverkehr. Insbesondere die beliebten Kaminöfen sind hierbei ein Problem. Hinzu kommt Feinstaub aus Baumaschinen. Partikel aus Verbrennungsprozessen sind besonders schädlich, da sie sehr klein sind – hierzu zählen auch Partikel aus Industrieprozessen oder von Flugzeugen. Ebenso belastet Feinstaub aus Brems- und Reifenabrieb unsere Luft erheblich.

Aus der Sicht eines Umweltverbandes: Wie kann den Menschen geholfen werden, die unter der Luftverschmutzung leiden?

Wir klagen derzeit in 16 deutschen Städten für saubere Luft (mittlerweile ist die DUH in insgesamt 28 Städten juristisch aktiv, Anm. d. Red.). Effektive Maßnahmen müssen an der Quelle ansetzen, also zuerst beim Straßenverkehr und hier beim Diesel. Das betrifft nicht nur den Pkw Verkehr, auch Busse und Lkw müssen sauber sein. Wir fordern einen massiven Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sowie des Rad- und Fußverkehrs.

Einige Gerichte haben bereits angeordnet, dass Dieseleinfahrverbote notwendig sein werden, damit die betroffenen Städte endlich die Luftqualitätsvorgaben erfüllen (das Bundesverwaltungsgericht hat am 27.02.18 entschieden, dass Diesel-Fahrverbote rechtlich zulässig sind, Anm. d. Red.).

Der Diesel-Skandal hat gezeigt, dass auch neue Diesel-Pkw mit der Abgasnorm Euro 6 schmutzig sind. Unsere eigenen Tests bestätigen dies. Nahezu alle Diesel haben bei Messungen im normalen Straßenverkehr den Grenzwert erheblich überschritten – teilweise um das 17-fache!

Und welche Maßnahmen wären hinsichtlich der Holzfeuerung sinnvoll?

Zu den Maßnahmen auf lokaler Ebene gehören beispielsweise Verbrennungsverbote für Öfen und Kessel, wenn diese nicht mit wirksamer Abgasreinigungstechnik ausgestattet sind.

Uns erreichen viele Zuschriften von Personen, die von schlechter Luft durch Öfen in der Nachbarschaft betroffen sind. Hier müssen die lokalen Behörden unsachgemäße Nutzung und Brennstoffmissbrauch konsequent ahnden und das Recht auf saubere Luft durchsetzen.

Woran liegt es, dass dem Gesundheitsschutz politisch so wenig Beachtung geschenkt wird?

Die Anzahl der Neuerkrankungen von Kindern an Asthma kann durch eine hohe NO2-Belastung um bis zu 14 Prozent erhöht werden. Das allein sollte Grund genug für die Politik sein, um endlich zu handeln. Dass dies nach wie vor nicht der Fall ist, mag auch daran liegen, dass die Verursacher – in erster Linie die Automobilhersteller – nicht in die Pflicht genommen werden. Nicht nur Bundesverkehrsminister Dobrindt tritt als Schutzpatron der deutschen Hersteller auf, auch der grüne Ministerpräsident Kretschmann (2017, Anm. d. Red.) gibt den Wirtschaftsinteressen Vorrang vor dem Gesundheitsschutz der Bürger seines Bundeslandes. 

Da ist die Lobby derjenigen, die unter den Schadstoffen leiden, deutlich schwächer aufgestellt. Auch wenn wir die Zahlen der vorzeitigen Todesfälle, die die Luftverschmutzung verursacht, immer wieder nennen, ebenso die immensen Kosten, die für die Gesellschaft entstehen und von uns allen getragen werden: Eine breite Empörung über diese Missstände und damit der Druck auf die politisch Verantwortlichen bleibt leider weiterhin aus. Als wäre unsere Gesundheit und der Schutz der Umwelt nichts wert. 

Dieses Interview wurde anlässlich des Weltasthmatags 2017 geführt.

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