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Wie Stickoxid und Feinstaub unsere Luft verschmutzen

Freitag, 30.10.2015

Interview mit Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung bei der DUH


30. Oktober 2015

Im September 2015 ist bekannt geworden, dass VW die Abgaswerte von bestimmten Diesel-Pkw manipuliert hat. Klar ist: Die Politik hat viel zu lange die Augen davor verschlossen, dass die Pkw-Emissionen im Realbetrieb von den gemessenen Werten im Labor abweichen. Und: Es gelangen viel zu viele Schadstoffe in die Luft, die unserer Gesundheit und der Umwelt schaden.

Frau Saar, Dieselgate könnte das Wort des Jahres werden. Sind sie sehr wütend auf die Autoindustrie?

Dass ein weltweit agierender Hersteller wie VW illegale Techniken verwendet, um seine Produkte am geltenden Gesetz vorbei am Markt zu platzieren und dabei wissentlich in Kauf nimmt, zahllose Menschen durch massiv erhöhte Emissionen zu schädigen, ist natürlich ein Skandal. Dass die Autohersteller – nicht nur VW - tricksen, wo sie können und dadurch die Emissionen deutlich höher sind als erlaubt, ist uns aber nicht erst seit ein paar Wochen bekannt. Die DUH hat die Politik seit vielen Jahren vor Abweichungen bei Abgaswerten und Spritverbrauch gewarnt. Der eigentliche Skandal ist also: Alle Verantwortlichen haben es gewusst, aber niemand hat reagiert.

Das Interesse von Medien und Politik ist jetzt natürlich groß. Warum hat das so lange gedauert?


Die Automobilindustrie hat als Wirtschaftsmacht in Deutschland eine starke Lobby. Es gibt zahlreiche personelle Verknüpfungen zwischen diesem Industriezweig und der Politik, Zum Beispiel Matthias Wissmann, heute Präsident des einflussreichen VDA - er war früher Bundesverkehrsminister. Eckart von Klaeden wechselte nahtlos vom Bundeskanzleramt in die Lobbyabteilung der Daimler AG. Die Politik hat in der Vergangenheit den Fehler begangen, einen Wirtschaftszweig schützen zu wollen, anstatt Innovationen voranzutreiben, die aus Umweltsicht unverzichtbar sind und deren Entwicklung auch dem Wirtschaftsstandort Europa zugutekommt. Anders kann ich mir dieses Wegschauen nicht erklären.

Man könnte meinen, dass Luftverschmutzung bei uns in Europa gar kein Problem mehr ist. Die Bilder von Städten, die im Smog versinken, sind doch längst Vergangenheit oder nicht?


Luftverschmutzung ist nach wie vor das größte Umweltproblem in Europa, besonders in Städten. Auch wenn man die Verschmutzung weder sehen, riechen oder schmecken kann. Nicht nur  für unsere Gesundheit, sondern auch für die Natur und das Klima ist sie gefährlich. Das belegen auch Zahlen: Mehr als 90 Prozent der städtischen Bevölkerung in Europa ist jeden Tag gesundheitsschädlicher Luftbelastung ausgesetzt. In Europa fordert Luftverschmutzung nach Angaben der Europäischen Umweltagentur jährlich ca. 430.000 vorzeitige Todesfälle. In Deutschland sterben pro Jahr mehr als 47.000 Menschen aufgrund der zu hohen Feinstaubbelastung vorzeitig.

Im Zuge des Abgasskandals ist vor allem die Rede von Stickoxiden, die von Diesel-Pkw ausgestoßen werden. Warum sind Stickoxide so schädlich?

Eine hohe Konzentration von Stickstoffdioxid (NO2) in der Atemluft führt beim Menschen zu Hustenreiz, Atemwegsbeschwerden und Augenreizungen. Neben diesen akuten Beschwerden können sich langfristige Schäden der Atmungsorgane und des Herz-Kreislauf-Systems ergeben. Es gibt Hinweise, dass NO2 bereits in Konzentrationen unterhalb des derzeitigen Grenzwertes gesundheitsschädlich wirkt. Außerdem trägt NO2 als sogenannter Vorläuferstoff zur Bildung von bodennahem Ozon und sekundärem Feinstaub bei. Ozon und sekundärer Feinstaub sind ebenfalls  gesundheits- und klimaschädliche Luftschadstoffe.

Was muss die Politik unternehmen, damit die Luft sauberer wird?

Für den Ausstoß von Schadstoffen aus Straßenfahrzeugen etwa gibt es Grenzwerte, die zu einer Abnahme der Belastung in unserer Atemluft führen können –vorausgesetzt, diese Werte werden eingehalten. Die Affäre um VW und andere Hersteller zeigt, dass von den Behörden aktiv kontrolliert werden muss. Was die Schadstoffemissionen insgesamt angeht, also auch die aus anderen Quellen, so hat die Politik aktuell die Gelegenheit, in Brüssel den Rahmen für die künftige Luftreinhaltepolitik in Europa so zu gestalten, dass die Luft künftig sauberer werden kann.

Welche Gesetzgebungsverfahren sind aktuell für die Luftreinhaltung wichtig?

Wichtig ist z.B. die aktuelle Revision der  sogenannten „NEC“ Richtlinie – der Richtlinie zur Festsetzung von Emissionshöchstmengen für die einzelnen Mitgliedstaaten. In dem Gesetz werden unter anderem die Vorläuferstoffe von Ozon begrenzt. Am 28.10.2015 gab es eine wichtige und begrüßenswerte Entscheidung seitens des EU-Parlaments, das in weiten Teilen den Empfehlungen der deutschen und europäischen Umweltverbände gefolgt ist. Jetzt wird es darauf ankommen, dass auch die Mitgliedstaaten und damit auch die deutsche Bundesregierung ihre Verantwortung für die Gesundheit der Menschen ernst nehmen und eine wirksame Revision verabschieden.

Wichtig ist aber auch die Weiterentwicklung der Zulassungsvorschriften für Pkw wie etwa durch die Einführung von Messungen im realen Fahrbetrieb (real driving emission RDE). Allerdings hat sich die die Bundesregierung bei der jüngsten Abstimmung des Brüsseler Ausschusses „Technical Committee on Motor Vehicles (TCMV)“ am 28.10.2015 den Interessen der Automobillobby abermals gebeugt und damit den Schutz der Gesundheit der Bürger sowie der Umwelt hinten angestellt. Das EU-Parlament hat jetzt die Möglichkeit, diese Entscheidung durch ein Veto aufzuheben.

Wie  wirkt die DUH an der Novellierung des NEC-Gesetzes mit?

Die DUH koordiniert seit 2009 eine EU-weite Kampagne, an der 13 Umweltverbände aus acht verschiedenen Ländern beteiligt sind und sich gemeinsam für saubere Luft einsetzen. Was die Revision der NEC-Richtlinie betrifft, stellen wir verschiedene Forderungen auf. Außerdem unternehmen wir verschiedene Aktionen, um der Politik deutlich zu machen, wie wichtig strenge gesetzliche Regelungen für die Luftqualität in Europa sind.

Ist es möglich, sich als Verbraucher für sein Recht auf saubere Luft einzusetzen? Wenn ja, wie?

Die Möglichkeiten sind vielfältig. Jeder Bürger kann gegenüber den für die Luftreinhaltung zuständigen Behörden sein „Recht auf saubere Luft“ einklagen und die Umsetzung effektiver Luftreinhaltemaßnahmen verlangen. Im Alltag entlastet die Wahl eines umweltfreundlichen Verkehrsmittels die Umwelt, denn Stickoxide und Feinstaub werden vor allem durch den Verkehr verursacht. Zu Fuß gehen, für kurze Strecken das Fahrrad nutzen oder Bus und Bahn fahren hilft.

Häufig wird vergessen, dass auch unser Lebensmittelkonsum große Auswirkungen auf die Atemluft hat. Ein hoher Fleisch- und Milchkonsum, und die industrielle Landwirtschaft führen  zu  hohen Methan- und Ammoniakemissionen. Wer hierbei auf Qualität statt Quantität setzt, trägt unter anderem dazu bei, die Luftqualität zu verbessern.

Das Interview führte Ann-Kathrin Marggraf.

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