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»Gegenwind gehört dazu«

Freitag, 21.12.2018

Der Jahresrückblick mit der Stellv. DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz. Ein Interview über eine gerechte Kostenverteilung der energieeffizienten Sanierung, die Herausforderungen einer Wärmewende und das politische Klima in Deutschland.

© Stefan Wieland
Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin, (c) Stefan Wieland

Frau Metz, das politische Klima in Deutschland ändert sich, rechte Parteien haben Zulauf, die Volksparteien erodieren, die Grünen legen zu. Merken Sie in Ihrer Arbeit für den Umwelt- und Verbraucherschutz diese Veränderung im politischen Klima?  

Ich sehe eine große Gefahr, dass der Umweltschutz weiter abgedrängt wird. Der Nationalismus und die  Leugnung des Klimawandels sind eng verknüpft. Deswegen stärken wir die Netzwerke, die die  Idee eines friedlichen, solidarischen und humanen Europas aufrechterhalten. Gegenwind gehört dazu, solange er nicht an den Grundfesten unseres demokratischen Staates rüttelt.

Haben es Umwelt- und Naturschutz heute schwerer als zu Beginn der Umweltbewegung?

Was die politische Rahmensetzung der Regierungsparteien angeht, sind wir im Umwelt- und Klimaschutz gerade auf Talfahrt. Allerdings zeigt das Erstarken der Grünen, dass die Menschen wahrnehmen, dass da etwas schief läuft und gegenhalten wollen. Aber auch Klagen werden wichtiger, um geltendes  Recht  durchzusetzen. Oft führt der einzige Weg über die Gerichte, um Regierung und Konzerne zur Einhaltung von Gesetzen zu bewegen.  

Die DUH klagt und wird dafür angegriffen. 

Wir werden dafür kritisiert, dass wir in Millionenhöhe von der Bundesregierung gefördert werden und dennoch gegen sie klagen. Mal davon abgesehen, dass wir die Klagen aus anderen Mitteln finanzieren: Wir sind eine gemeinnützige Organisation und handeln nach den entsprechenden Statuten. Es ist unsere Pflicht, uns als Teil der Zivilgesellschaft in die politische Debatte einzumischen. Wenn der Staat nur noch die finanziert, die nichts gegen den Staat sagen, gibt es kein Korrektiv mehr – keine Demokratie.

Leistet sich der Staat die Umweltschutzverbände, damit sie mit kleinen Schritten umsetzen, was die Regierung auf internationalen Konferenzen beschlossen hat?

Uns sagen Vertreter aus Politik und Regierung: Es ist essentiell, dass es Verbände gibt, die den Finger in die Wunde legen und politisches Handeln einfordern. Gerade jetzt ist das unangenehm, denn die DUH kommt nicht nur mit verbalen Attacken, sondern mit juristischen Klagen und kann sich damit auch noch durchsetzen. Damit halten wir die Diskussion am Laufen, die viele Leute gern beenden würden.

Da könnten Sie nach dem Dieselskandal bei den Angaben der Autokonzerne zu den Spritverbräuchen und CO2–Emissionen weitermachen. Droht der nächste Auto-Skandal?


Aus dem Dieselskandal hat die Bundesregierung offenbar nichts gelernt. Die CO2-Grenzwerte für Pkw-Flotten werden nur auf dem Papier eingehalten – real steigen die CO2-Emissionen anstatt zu sinken. Vor rund zehn Jahren lagen die Abweichungen zwischen den Angaben der Hersteller und dem realen Verbrauch bei 9 bis10  Prozent, inzwischen sind die Konzerne bei durchschnittlich 42 Prozent gelandet. Den meisten Leuten ist völlig klar, dass die Industrie falsche Spritverbrauchsangaben macht und das wird von vielen als Betrug wahrgenommen.

Ein  neuer  Prüfzyklus  ist  seit  2018  gesetzlich  vorgeschrieben. Kann der das Problem lösen?

Nein, weil es ein strukturelles Problem ist. Der neue Prüfzyklus wird nur im  Labor durchgeführt und ist damit manipulierbar. Die Werte müssen auf der Straße kontrolliert werden, durch unabhängige Institutionen. Verstöße müssen spürbar sanktioniert werden. Ganz offenkundig wird all das nicht gemacht, weil die deutsche Autoindustrie darauf setzt, große Spritschlucker zu verkaufen und gleichzeitig sicherstellen will, dass auf dem Papier die CO2-Grenzwerte für Pkw eingehalten werden. Denn ansonsten drohen hohe Strafzahlungen.  

Kann  die  Politik  diese  Fehlentwicklungen ändern? 

Könnte schon, aber das System ist korrumpiert. Die Verbindungen zwischen Politik und Industrie sind extrem engmaschig. Der Dieselskandal offenbart das strukturelle Problem, das nicht nur das Zusammenspiel der Autoindustrie mit der Politik betrifft.

Denken Sie dabei an eine konkrete Branche?

Nehmen Sie die Immobilienwirtschaft. Die Mieten in den Ballungszentren werden immer teurer. Das betrifft sowohl Menschen mit niedrigem Einkommen oder Hartz IV als auch den Mittelstand. Die Immobilienwirtschaft behauptet, dass vor allem Klimaschutz und die energetische Gebäudesanierung die Mieten nach oben schrauben. Für den Neubau argumentieren sie, man müsse die Anforderungen an  Energieeffizienz runterfahren, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Beides ist falsch. Leider haben es derartige Argumentationen in den Koalitionsvertrag geschafft und stehen nun einer Weiterentwicklung der energetischen Anforderungen für mehr Klimaschutz im Wege.

Die Mieten steigen und die Gebäudesanierung kommt nur sehr, sehr langsam voran.

In Deutschland fehlt eine klare Haltung der Regierung pro Wärmewende – über Legislaturperioden hinweg. Das ewige Zögern bei der steuerlichen Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen oder ein Baukindergeld, das komplett am Problem vorbeigeht, schafft kein Vertrauen in der Immobilienwirtschaft, die ja sehr lange Investitionszyklen hat. Dass es anders geht, zeigen die skandinavischen Länder oder auch Österreich. Die Stadt Wien kann mit 7,50 Euro für den Quadratmeter bezahlbare Mieten gewährleisten. Davon können Münchner, Berliner oder Frankfurter nur träumen.

Weil die Wohnungen in den großen Städten privaten Investoren gehören?

In Deutschland wurde in den 1990er Jahren zur Haushaltssanierung viel staatlicher Wohnungsbestand auf den Markt gegeben. Der Markt regelt das, hieß es. Und es stimmt, der Markt regelt es für diejenigen, die investieren können, denn man kann hier viel Geld verdienen. Die attraktiven Wohngebiete sind denjenigen mit den überdurchschnittlichen Einkommen vorbehalten. Eine solche Entwicklung halte ich für äußerst bedenklich.

Was muss passieren?

Der Staat müsste seiner gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen und Wohnraum schaffen, der in staatlicher Hand bleibt. Nur dann hat er Einfluss auf das Preisniveau. Stattdessen schützt der Staat die privaten Wohnungsgesellschaften sogar mit dem Steuerrecht. Ja, indem die privaten Wohnungsgesellschaften sogenannte share deals tätigen: Die Wohnungen werden in Gesellschaften ausgelagert, die Wohnungsgesellschaften kaufen Anteile von 94, 95 Prozent daran und sparen mit diesem Trick die Gewerbesteuer. Damit entgehen Städten Steuern in Millionenhöhe, die sie für sozialen Wohnungsbau einsetzen könnten. Den Preis zahlen die Menschen und die Umwelt.

Bleibt der Klimaschutz auf der Strecke?

Häufig bedeutet die Sanierungsankündigung, dass die Mieten steigen. Schuld daran ist ein nicht mehr zeitgemäßes Mietrecht. Eine gerechte Kostenverteilung zwischen Mietern, Eigentümern und dem Staat ist entscheidend, wenn man eine sozialverträgliche und klimaverträgliche Lösung finden möchte. Eine Wärmewende wird nicht gelingen, wenn man Sozialverträglichkeit und Klimaschutz gegeneinander ausspielt.

Wie setzen Sie Ihre umweltpolitischen Themen in so einem Klima um? 

Diskussionen über Zukunftsszenarien finde ich weniger spannend, als zu überlegen: Mit wem müssen wir heute sprechen, damit wir etwas bewegen können? Wir sind häufig auf Veranstaltungen oder laden zu eigenen Runden ein, wo wir mit der Industrie und Akteuren aus Politik und Wissenschaft diskutieren. Wir arbeiten außerdem eng mit Institutionen wie dem Deutschen Mieterbund zusammen.  

Ist  Deutschland noch vorn im Umwelt- und Klimaschutz?

Die Vorreiterrolle hat Deutschland lange verloren – leider. Dennoch bin ich optimistisch, dass sich das wieder ändern kann. Die Arbeit der DUH trägt dazu bei, indem wir uns dafür einsetzen, dass Umweltgesetzgebung ernst genommen wird in Deutschland – im Zweifel per Gerichtsurteil. Aber wir bilden auch Netzwerke und Kooperationen, um der Macht der Konzerne etwas entgegen zu setzen. Wir sind ja nicht die letzten Verbliebenen mit glaubwürdigen Positionen. Und es kommen Leute nach. Auch in der Politik.  

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