pageBG

Die Autorität unabhängiger Gerichte

Freitag, 21.12.2018

Rechtsanwalt Professor Dr. Remo Klinger vertritt die DUH in den Klagen für das Recht auf Saubere Luft. Er sagt: „Bis in die Spitzen des Staates hinein wird beim Dieselskandal bewusst daran gearbeitet, bestehendes Recht zu unterlaufen – das ist eine neue Dimension und eine Warnung zugleich, da sie über das Umweltrecht hinausreicht und den Rechtsstaat als solchen beschädigt und untergräbt.“

© Robert Lehmann / DUH
Prof. Remo Klinger im Interview vor dem BMVI in Berlin

"Seit 20 Jahren bin ich Rechtsanwalt, spezialisiert auf das Umweltrecht. Die 17 Jahre, die vor dem öffentlichen Bekanntwerden dessen lagen, was wir heute Dieselskandal nennen, kommen mir mittlerweile wie ein anderes Zeitalter vor. Damals war ich der Auffassung, dass das Umweltrecht vor allem ein Problem in der legislativen Umsetzung dessen hat, was zur Lösung eines Umweltdefizits nötig wäre, wir also vornehmlich die Untätigkeit des Gesetzgebers zu beklagen haben. Zwar kennen wir seit Jahrzehnten Probleme bei der Um- und Durchsetzung bestehender Gesetze, von einem Vollzugsdefizit, welches es insbesondere im Umweltrecht zu beklagen gilt, wissen wir seit Langem. Dass jedoch, wie beim Dieselskandal, bis in die Spitzen des Staates hinein ganz bewusst daran gearbeitet wird, bestehendes Recht zu unterlaufen und selbst höchstrichterliche Entscheidungen durch eine Landesregierung offen missachtet werden, ist hingegen eine neue Dimension und eine Warnung zugleich, da sie über das Umweltrecht hinausreicht und den Rechtsstaat als solchen beschädigt und untergräbt.

Ich hatte und habe das Glück, mit der DUH denjenigen Umweltverband zu vertreten, der diesen Skandal erst ins Rollen brachte und mit nicht nachlassender Intensität daran arbeitet, dass deutsche Behörden das tun, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte: Geltendes Recht durchsetzen. Dazu zählen zuvorderst diejenigen 34 Klagen, die zur Durchsetzung des seit fast 10 Jahren geltenden Grenzwerts für Stickstoffdioxid in deutschen Städten erhoben worden sind. Noch im Jahr 2017 war dieser Grenzwert in 65 Städten Deutschlands teilweise drastisch überschritten. Mit Einreichung der ersten Klagen dieser Art waren wir überzeugt davon, dass im Laufe der gerichtlichen Auseinandersetzungen eine Novelle der Plakettenverordnung erfolgen würde, schließlich ergibt sich die Notwendigkeit einer Blauen Plakette als Ergänzung des bereits bei Feinstaub bewährten Plakettensystems schon aus dem klaren Menschenverstand. Nichts lag näher als dies zu tun.

Die politische Realität hatte sich aber in der Zwischenzeit von dieser Selbstverständlichkeit gelöst, so dass sich die Erwartung zur Einführung einer Blauen Plakette bis heute nicht erfüllt hat. Wenn der Gesetzgeber versagt, das Recht aber klare Begrenzungen für die Emissionsbelastungen der Lungen auferlegt, müssen Gerichte einen Weg finden, dem Recht zu seinem Durchbruch zu verhelfen, im Zweifel mit einem neuen Verkehrsschild.

Die bahnbrechenden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2018 haben diese, ja man kann es nicht anders sagen, Verkehrsschilderfindung der DUH höchstrichterlich bestätigt. Wer jedoch gedacht hätte, dass der Klärung der Rechtsfrage sinnvolle politische Lösungen auf dem Fuße folgen würden, sieht sich bis heute getäuscht. Die Bundespolitik setzt weiterhin alles daran, eher die betrügende Automobilindustrie zu schonen als den von schlechter Luft geplagten Menschen ihr Recht zu geben. Im Zweifel werden sogar eindeutig unionsrechtswidrige (und damit unanwendbare) Fahrverbots-Verbots-Gesetze in großer Hektik auf den Weg gebracht, als den Automobilunternehmen verbindliche Hardwarenachrüstungen zu verfügen. Mehr noch: Selbst verurteilte Landesregierungen gehen eher das Risiko ein, die Grenzwerte für die Luft auch zukünftig zu reißen, als an der NOx-belasteten Dieselmobilität nachhaltig etwas zu ändern.

Die Krönung ist in München zu besichtigen. Dort ist das Urteil schon seit dem Jahr 2014 rechtskräftig und der Verwaltungsgerichtshof hat im Jahr 2017 entschieden, dass der Freistaat Bayern Fahrverbote vorbereiten muss. Das bayerische Landeskabinett hat dazu beraten und entschieden, der höchstrichterlichen Entscheidung nicht zu folgen, ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik. Die bayerische Landesregierung tut damit nichts anderes, als die Grundfesten unseres Rechtsstaats zu schleifen. Eine wehrhafte Demokratie darf das nicht hinnehmen und wird es schlussendlich auch nicht akzeptieren, davon bin ich überzeugt. Es ist ein Glück, dass mit der DUH ein Verband in diesen Verfahren auftritt, der die dazu nötigen rechtlichen Auseinandersetzungen, bis zum Europäischen Gerichtshof, nicht scheut.

Nur mit dieser zivilgesellschaftlichen Courage, die die DUH seit vielen Jahren gegen erhebliche Widerstände an den Tag legt, wird man Tendenzen, die meinen, dass ihre politische Macht über dem Recht steht, Einhalt gebieten können. Wenn politische Kräfte mit ganz erheblicher wirtschaftlicher Macht zusammenwirken, mag zuweilen der Eindruck entstehen, sie schaffen sich ihr eigenes Recht, eine Autorität muss aber immer größer bleiben: Die der unabhängigen Gerichte.

Diese Autorität zu bemühen, wird auch in den kommenden Monaten und Jahren ein Anliegen und eine Herausforderung zugleich sein. Ob bei der Wahrung und Schaffung sauberer Luft, ob bei den nötigen Schritten zu einem ernsthaften Klimaschutz oder bei der Durchsetzung von Grenzwerten, die für unser Wasser gelten. Die DUH ist auf vielen Gebieten aktiv und kreativ bei der Durchsetzung ihrer dem Gemeinwohl dienenden Ziele. Die Bemühung gerichtlicher Hilfe wird immer das letzte Mittel einer erfolgreichen Verbandsarbeit bleiben. Dieses Mittel erfolgreich zu nutzen, war mir in den letzten Jahren Verantwortung und Vergnügen zugleich. Ich freue mich schon jetzt auf die nächsten Verhandlungen – und Erfolge."

Teilen auf:

Cookie Einstellungen

Diese Webseite verwendet Cookies und ähnliche Technologien, um die Bedienung der Webseite zu erleichtern und eine persönlichere Ansprache zu ermöglichen – auch außerhalb unserer Webseiten. Auch können wir so auswerten, wie unsere Nutzer unsere Seiten verwenden, um unsere Seiten so weiterentwickeln zu können. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Essentiell

Externe Inhalte

Engagement

Statistik

Verwendung von Cookies

Diese Webseite verwendet Cookies und ähnliche Technologien (im Folgenden „Technologien“), die es uns beispielsweise ermöglichen, die Häufigkeit der Besuche auf unseren Internetseiten und die Anzahl der Besucher zu ermitteln, unsere Angebote so zu gestalten, dass sie möglichst bequem und effizient sind, unsere Marketingmaßnahmen zu unterstützen und externe Medien einzubinden. Diese Technologien können Datenübertragungen an Drittanbieter beinhalten, die in Ländern ohne angemessenes Datenschutzniveau (z. B. Vereinigte Staaten ) ansässig sind. Weitere Informationen, auch über die Verarbeitung von Daten durch Drittanbieter und die Möglichkeit, Ihre Einwilligung jederzeit zu widerrufen, finden Sie in Ihren Einstellungen unter „Einstellungen“ und unter folgenden Links:

Impressum Datenschutz